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Auf Wochenmärkten bekanntBlumenhändler erlebte nach Unfall in Sülz monatelange Belastung

Lesezeit 4 Minuten
Blumenhändler Tobias Baum mit seinem LKW

Blumenhändler Tobias Baum mit seinem LKW und seinem Blumen-Marktstand.

Der Unfall mit einer Radfahrerin in Köln-Sülz führte zu Ermittlungen, der Händler wurde von Schuld freigesprochen. Politiker hatten Forderungen nach weniger Lkw-Verkehr gestellt.

Tobias Baum verkauft seit Jahren mit seiner Familie als „Blumenbrüder“ Pflanzen auf den Wochenmärkten der Stadt. Man kennt ihn und seinen Bruder Jens, er ist immer zu einem freundlichen Gespräch aufgelegt. Die Massen an Blumen und Pflanzen bringt er mit einem großen Lastwagen zu den Standplätzen. Im September 2023 wurde die berufliche Idylle auf furchtbare Weise unterbrochen: Mit seinem Lkw fuhr er eine Radfahrerin an der Sülzburgstraße Ecke Berrenrather Straße an, sie geriet unter seine Vorderachse.

Herausfordernder Einsatz für die Rettungskräfte

Er hatte sie nicht gesehen, nach Rufen von Passanten aber gebremst und so noch Schlimmeres verhindert. Es war ein herausfordernder Einsatz für Feuerwehr, Rettungsdienste und Polizei. Und der Beginn eines Alptraums für Tobias Baum. Inzwischen wurden die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn eingestellt. Der Fall wirft jedoch Fragen auf, wie man in der Öffentlichkeit mit solchen Unfällen umgeht, zudem steht er symbolisch für eine Diskussion, die stadtweit bei solchen Unfällen regelmäßig startet.

Nach dem Unfall war zunächst ein Ermittlungsverfahren gegen Tobias Baum wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung eingeleitet worden. Neben seiner eigenen Verzweiflung, erstmals in einen solchen Unfall verwickelt gewesen zu sein, kam die Sorge, plötzlich juristisch als möglicher Straftäter dazustehen. Es sei viel geredet worden in Köln-Sülz, dem Viertel, in dem die Blumenbrüder ihr Lager haben, aber auch auf anderen Wochenmärkten, auf die sie ihre Ware mit dem großen Lastwagen bringen. „Die Leute hatten Angst, uns direkt anzusprechen“, erzählt Baum heute: „Das war eine belastende Situation.“

An der Unfallstelle musste die Feuerwehr einen großen Kran einsetzen, um das Führerhaus des verunglückten Lkw anzuheben. Dabei wurde die Achse des Lkw verdreht, so dass es für Beobachter so aussah, als hätte er an der Kreuzung rechts abbiegen wollen – was nicht der Fall war. Es handelte sich also nicht, wie von manchen interpretiert, um einen klassischen Abbiegeunfall.

Gleichwohl hatte die Bezirksvertretung Lindenthal kurz nach dem Unfall einen Prüfauftrag an die Verwaltung beschlossen, schwere Lkw wie den der Blumenhändler künftig nicht mehr durch Straßen wie die Sülzburgstraße fahren zu lassen.

Radfahrerin fuhr rechts an dem Lkw vorbei

So könnte „zukünftig die Wahrscheinlichkeit von Unfällen, besonders mit Fußgängern und Radfahrern“ reduziert werden, mutmaßten die Bezirkspolitiker. Als Beispiel wird der Unfall von der Sülzburgstraße genannt. Ein untaugliches Beispiel, wie sich jetzt herausstellt.

Der Fachjournalist Jan Bergrath aus Sülz ist passionierter Radfahrer, er hat aber auch viele Jahre selbst beruflich schwere Lkw gefahren, kennt somit beide Seiten. Der Unfall ereignete sich ganz in der Nähe seiner Wohnung, deshalb interessierte er ihn besonders.

Schon früh berichtete er in Fachmedien der Logistikbranche darüber, dass entgegen der öffentlichen Diskussion hier wohl kein unachtsamer Lkw-Fahrer am Steuer war. Und er sollte Recht behalten. Im Gespräch mit Tobias Baum erfuhr Bergrath von einem Gutachten, das die Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben hatte.

Darin heißt es sinngemäß, dass die Radfahrerin rechts am Lastwagen vorbeigefahren war, als der an einer roten Ampel wartete. Der Straßenraum für ein solches Manöver ist an der Kreuzung auf der Sülzburgstraße recht beengt. Einen Schutzstreifen für Fahrräder oder gar einen Radweg gibt es nicht. Trotzdem ist immer wieder zu beobachten, wie sich Radfahrer im schmalen Bereich, der entsteht, wenn Kraftfahrzeuge an der Ampel warten, rechts an ihnen vorbeidrängeln. Den Erkenntnissen der Ermittlungsbehörde zufolge soll genau das vor dem Unfall passiert sein. Warum die digitalen Sicherheitssysteme des LKW die Radfahrerin wohl nicht erfasst haben, konnte nicht festgestellt werden. Die Radfahrerin hat sich bisher nie öffentlich geäußert, ist aus Datenschutzgründen auch nicht recherchierbar.

Ermittlungsverfahren wurde eingestellt

Tobias Baum erlebt solche Situationen täglich. Er verweist im Gespräch darauf, dass er die Radfahrerin nicht hätte sehen können und sieht sich durch das Gutachten der Ermittlungsbehörde bestätigt.

Dass er rechts auf einer engen Fahrbahn von Radfahrern beim Warten an der Ampel überholt wird, hält er für gefährlich. Die Straßenverkehrsordnung sehe vor, dass bei Überholvorgängen stets eineinhalb Meter Abstand zu halten sind. Das gelte auch für Radfahrer, werde aber meist nicht beachtet: „Ich verstehe nicht, wie man sich derart selbst gefährden kann, nur um ein paar Sekunden Zeit zu gewinnen.“

Tobias Baum und seine Familie sind inzwischen froh, dass das Ermittlungsverfahren „mangels hinreichendem Tatverdacht“ ohne jede Sanktion eingestellt wurde. Natürlich bedauert er das Schicksal der angefahrenen Radfahrerin, und er fährt nach dem schlimmen Erlebnis noch vorsichtiger durch die Straßen der Stadt.

Den seinerzeit schwarzen Lastwagen für die Blumen-Lieferung hat er umlackieren lassen: In ein freundliches Weiß, mit stilisierten Blumen. Der wirke freundlicher, sagt Tobias Baum.

Und die Menschen auf den Märkten seien mittlerweile auch wieder offener. Es hat sich herumgesprochen, dass er nicht vorsätzlich oder aus Unachtsamkeit ein Menschenleben gefährdet hat.