Köln-Lindenthal – Schafe auf einer Grünfläche weiden zu lassen, bedeutet mehr als sie zu füttern. Es ist eine Kunst, eine kenntnisreiche Pflege der Landschaft, die sie erhält und bereichert.
Das jedenfalls geht aus dem neuen Beweidungskonzept hervor, das die vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) getragene biologische Station Köln/Leverkusen für den Äußeren Grüngürtel erarbeitet hat, und zwar speziell für bestimmte Wiesen in den Stadtteilen Weiden, Junkersdorf, Lindenthal, Sülz, Klettenberg und Zollstock. Der Ausschuss für Klima, Umwelt und Grün hat dem Konzept bereits zugestimmt.
Schäferin übernimmt Herde
Weil sich der Hauptteil der Flächen in ihrem Stadtbezirk befindet, hat die Bezirksvertretung Lindenthal es in ihrer vergangenen Sitzung beschlossen – mit einer kleinen Änderung: Sie hat die Gleueler Wiesen, die bislang ebenfalls als Weidegrund für die Schafe gedient haben, aber von dem neuen Beweidungskonzept nicht umfasst sind, ausdrücklich mit aufgenommen – jedenfalls vorläufig, bis gerichtlich geklärt ist, ob der 1. FC Köln dort wie geplant drei Kunstrasenplätze bauen darf.
Die Pläne des Fußballvereins sind der Grund, warum die Stadtverwaltung, die das Beweidungskonzept beauftragt hat, die Wiesen nicht dort aufgeführt hat: „Wir müssen uns an den Bebauungsplan halten, den der Stadtrat in der vergangenen Legislaturperiode beschlossen hat“, erläutert Joachim Bauer, stellvertretender Leiter des Amts für Landschaftspflege und Grünflächen. „Darüber können wir uns nicht hinwegsetzen.“ Der Plan ist nach wie vor die Grundlage dafür, dass der 1. FC sein Leistungszentrum nebst Kunstrasenplätze im Äußeren Grüngürtel errichten darf – auch wenn der neu zusammengesetzte Stadtrat dem Verein mittlerweile den ebenfalls dafür nötigen Pachtvertrag für die Wiesen verweigert, jedenfalls bis gerichtlich geklärt ist, ob der Bebauungsplan rechtmäßig ist. Die Naturschutzverbände, die Bürgerinitiative Grüngürtel für alle, Fortis Colonia und der Rheinische Verein für Denkmalpflege haben Klage gegen die Satzung eingereicht.
Möglichst alle Pflanzen fressen
Die Stadtverwaltung hat die neuen Regeln für die Beweidung der Flächen im Äußeren Grüngürtel allerdings aus anderen Gründen erarbeitet, als um Rücksicht auf das Vorhaben des Fußballvereins zu nehmen: „Unser Gesamtkonzept Stadtgrün naturnah beinhaltet, dass die Grünflächenpflege ökologisch ausgestaltet werden soll“, führt Bauer aus. „Ein neues Beweidungskonzept ist ein wichtiger Baustein dafür.“ Gerade ist der passende Zeitpunkt dafür, ein neues Regelwerk zu erstellen. Der Schäfer, der bislang mit seinen rund 350 Merino- und Schwarzkopfschafen durch den Grüngürtel gezogen ist, Ingolf Bollenbach, ist in den Ruhestand getreten und hat seine Herde einer jüngeren Kollegin überlassen.
Der Vertag, den die Verwaltung nun mit ihr für die Beweidung abschließen möchte, soll ein neues Konzept zur Grundlage haben. „Es ist ein Baustein unseres Gesamtkonzepts Stadtgrün naturnah. Wir möchten dadurch vor allem den ökologischen Wert der Wiesen erhöhen“, betont Bauer. „Die Beweidung ist eine Möglichkeit, dieses zu tun, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllt.“ Welche das sind, erläutert Volker Unterladstetter, von der biologischen Station Köln/Leverkusen, der das Konzept mit erarbeitet hat: „Kurz, aber hart“ müssten die Grünflächen beweidet werden, beschreibt Unterladstetter.
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Das bedeutet: Die Tiere sollen eine Weile auf einem Wiesenstück grasen, so dass sie möglichst alle Pflanzen fressen und nicht nur die, die ihnen am besten schmecken. Wie ein Rasenmäher sollen die Schafe so die Wiesen kürzen und dann auf die nächste ziehen. Es sei schädlich für eine Grünfläche, die Herde auf ihr stehen zu lassen, so dass langfristig gar nichts mehr sprießen kann, führt Unterladstetter aus, aber genauso wenig sinnvoll, sei es sie gar nicht zu mähen oder abfressen zu lassen: „Das ist dann wie auf dem Schulhof, wo die Größeren die Schwächeren an die Wand stellen“, so der Experte. „Die fragileren kleinwüchsigeren Pflanzen, fallen weg und die aggressiver wachsenden setzen sich durch.“
Herden sollen wandern
Wenn die Schafe regelmäßig alle verputzen, beginne das Rennen um den Platz an der Luft und der Sonne für alle wieder bei null. Alle haben dann wieder eine Chance, wachsen gleichmäßig und blühen auf. Nachdem es einmal so weit war, wird das große Fressen wiederholt. Zweimal sollen die Schafe pro Saison über die Wiesen geführt werden, und zwar von Norden nach Süden. „In den nördlicheren Arealen handelt es sich um Wiesen auf fruchtbarem Lössboden, wo die Pflanzen schnell sehr hochwachsen, im Süden ist der Boden vom Rheinfluss geprägt worden. Er ist dort sehr kies- und sandhaltig und nicht so reichhaltig.
Rückzugsorte für kleinere Tiere
Die Beweidung soll immer dort starten, wo das Gras am schnellsten hochsteht und dort enden, wo es länger braucht. Gleichzeitig sollen die Koppeln für die Schafe immer etwas versetzt aufgebaut werden, so dass jeweils ein Grasstreifen bleibt, als Rückzugsort für kleinere Tiere, die dort ihre Eier ablegen oder Nisten können.
„Die richtige Beweidung dient der Artenvielfalt der Landschaft und der Ökologie“, sagt Unterladstetter. Die Wiesen sollen also bunter werden, in verschiedenen Farben blühen, unterschiedliche Insekten als Nahrungsquelle dienen – und den Stadtmenschen als facettenreicher Naherholungsraum.