Sie sind gesetzlich vorgeschrieben und sollen in engen Fristen stattfinden. Doch in Köln werden seit Jahren keine Verkehrsschauen mehr durchgeführt.
Straßenkontrollen fallen ausWarum in Köln viele Unfälle vermeidbar wären
Die Antwort kannte Christoph Schmidt stets, bevor er die Frage stellte. Nach jedem Unfall, in den ein Radfahrender involviert war, fragte der Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs Köln (ADFC) nach dem Protokoll der jüngsten Verkehrsschau sehen. Doch die Verwaltung ließ ihn stets wissen: Für den Zeitraum der Aktensicherungsfrist läge kein Protokoll vor. Zehn Jahre lang müssen Akten gelagert werden, vorher dürfen sie qua Gesetz nicht vernichtet werden. Also hatte das Mobiltätsdezernat seit mindestens einem Jahrzehnt nicht mehr an dem betroffenen Straße zusammen mit Polizei und Fachexperten eine Verkehrsschau durchgeführt, sprich: Die Straße daraufhin inspiziert, ob sich dort Gefahrenstellen aufgetan haben, die zu einem Unfall führen könnten. Egal nach welcher Straße Schmidt in den vergangenen drei Jahren auch fragte, ob groß oder klein, immer dieselbe Antwort.
Klare Verwaltungsvorschrift
Dabei ist die Verkehrsschau kein schmückendes Beiwerk für eine Stadtverwaltung. Sie ist vielmehr eine Pflichtveranstaltung, verankert in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung, Paragraf 45, Absatz 3. Dort steht geschrieben: „Die Straßenverkehrsbehörden haben bei jeder Gelegenheit die Voraussetzungen für einen reibungslosen Ablauf des Verkehrs zu prüfen.“ Und die Gelegenheiten sind nicht willkürlich zu ergreifen. Auch dabei macht der Gesetzgeber klare Ansagen: Große Straßen mit viel Verkehr und wichtigen Verbindungsfunktionen sollen jährlich in Augenschein genommen werden, kleiner alle zwei Jahre.
Großer Personalmangel
Nun ist es nicht so, als wüsste der Kopf nicht um die Probleme der Beine. Kontrollen aller Straßen maximal im Zweijahresrhythmus ist ein strammes Programm. In Köln gibt es über 5000 Straßen. Also hat das Land NRW ein Einsehen - in Form eines Erlasses. Der räumt Spielraum ein, in dem er die Fristen verdoppel: also große Straßen alle zwei, kleine alle vier. Spätestens jetzt wird klar: die Kölner Stadtverwaltung tanzt mit einem Rhythmus von zehn Jahren und mehr deutlich aus der Reihe.
So sehr, dass Leugnen zwecklos wäre - und sie tut es auch nicht: „Aufgrund seit Jahren bestehender personeller Beschränkungen ist es nicht möglich, Verkehrsschauen in dem angestrebten Umfang auf Grundlage des Merkblattes der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen durchzuführen“, sagt eine Sprecherin der Verwaltung auf Anfrage der Rundschau. Die Schauen seien nur partiell möglich. So wie es sich aus der tagtäglichen Verkehrsaufsicht ergebe. Das Tagesgeschäft laufe also weiter, sprich die Kontrolle bei einer Baustelle, ob die Schilder richtig aufgestellt oder nach Beendigung auch wieder abgeräumt wurden.
Christoph Schmidt vom ADFC Köln weiß durchaus um die Personalnot. Er will deshalb nicht zur Generalkritik an der Verwaltung ausholen. Dennoch, dass im Fachdezernat eine gesetzliche Vorschrift einfach so unter den Tisch fallen gelassen wird, kann er nicht gutheißen. „Ich habe bei der Bezirksregierung nachgefragt, ob die Stadt sich dort eine Ausnahmegenehmigung zur Aussetzung der Verkehrsschauen beantragt hat“, berichtet Schmidt. Doch die Antwort habe geheißen, dass keine Erlaubnis für die Verlängerung der Frist vorliege.
„Wie viel Leid könnte vermieden werden“
Und das will Schmidt auch klarstellen, bei der Verkehrsschau gehe es um weit mehr, als um nicht abgeräumte Schilder nach einer fertiggestellten Baustelle. Generell müsse das Team der Kontrolleure auf komplexe Verkehrsführungen achten, die Verkehrsteilnehmer in ein Dilemma führe, das Ursache für schwere Unfälle werden könnte. Der ADFC-Sprecher mahnt die Verantwortlichen an: „Wie viel Leid könnte vermieden werden, wenn durch die Verkehrsschauen regelmäßig Gefahrenstellen beseitigt würden. “