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50 Jahre ArtenschutzabkommenWie der Kölner Zoo gegen das Aussterben einzelner Arten kämpft

Lesezeit 6 Minuten
Der Amurtiger ist streng geschützt.

Der Amurtiger ist streng geschützt.

Das Washingtoner Artenschutzabkommen wurde vor 50 Jahren geschlossen — die Forschung des Kölner Zoos bringt 60 Tierarten auf die Schutzliste.

Ein Fieber von Farben, neongelbe nadelkopfgroße Punkte im Nacken, schillernde Hautschuppen, Beine in leuchtendem Orange. Als der Psychedelische Felsengecko 2010 entdeckt wurde, war er sofort Objekt der Begierde. Und durch weltweiten Handel wenige Jahre später nahezu ausgerottet.

In der spannenden Geschichte seiner Rettung spielt der Kölner Zoo eine Hauptrolle. In der zweiten: das Bundesamt für Naturschutz, in dem die Kölnerin Mona van Schingen-Khan die Einhaltung der Handelsbeschränkungen von im Washingtoner Artenschutzabkommen (dt. WA, engl. CITES) gelisteten Tierarten prüft. Das Abkommen schützt derzeit rund 29 000 Pflanzen- und 6000 Tierarten, die durch internationalen Handel massiv bedroht sind. 184 Staaten haben es unterzeichnet — die ersten von ihnen vor 50 Jahren (s. Infokasten).

„Wir müssen dringend lernen, mit unseren Ressourcen auszukommen. CITES ist ein wirkungsvolles Instrument, es schützt Pflanzen- und Tierarten, um sie für nachhaltigen Handel zu bewahren. Und es verhindert, dass sie aussterben“, erläutert Zoochef Theo Pagel. Mit jedem Reptil, Vogel oder Säugetier gehe wichtiges Wissen verloren, werde das ökologische Gleichgewicht beeinträchtigt, so Pagel. „Die Vielfalt der Arten ist entscheidend für das Überleben von Menschen auf unserem Planeten.“

Deshalb kämpfen die Zoologen um jede einzelne Art — auch mit modernster Technik. Damit der Zoll an der Grenze legale Nachzuchten von illegalen Wildfängen unterscheiden kann, werden sie bei besonders gefährdeten Arten zuvor mit einem Mikrochip unter der Haut gekennzeichnet. Bei kleinen Tieren ist das allerdings nicht möglich. Um Fälschern von CITES-Dokumenten auf die Schliche zu kommen, also wenn Wildfänge als Nachzuchten deklariert werden, kann eine Isotopenanalyse helfen. „Wildlebende Tiere ernähren sich anders, sie haben ein deutlich breiteres Nahrungsspektrum, und das erkennt man anhand der Isotopensignatur“, erklärt Mona van Schingen-Khan. Doch die Methode ist aufwendig und teuer.

Alle Anträge, für Tierarten, die Deutschland bei den letzten drei CITES-Konferenzen federführend verantwortet hat, basierten auf Forschungsarbeit des Kölner Zoos.
Mona van Schingen-Khan, Bundesamt für Naturschutz

Der fluoreszierende, kleine Felsengecko brachte van Schingen-Khan und Aquariums-Kurator Thomas Ziegler, der das Bundesamt seit Jahrzehnten als Experte berät, auf eine neue Idee. Könnte man das Farbmuster im Nacken der Geckos zur Individualerkennung nutzen? Oder verändert es sich bei heranwachsenden Tieren? Mit den Kooperationspartnern des Zoos in Vietnam fanden sie heraus: Das tut es nicht. Die neongelben Pünktchen sind der Fingerabdruck des stark bedrohten Geckos. Und seine Rettung.

Ein ehemaliger Student der biologischen Fakultät der Universität zu Köln, an der Ziegler als außerplanmäßiger Professor lehrt, nutzte ein Softwareprogramm, um dies herauszufinden. Jetzt können Zöllner sofort sehen, ob ein Tier per Fotodokumentation als Nachzucht registriert ist. Wurde es gewildert, drohen hohe Strafen. Die schrecken ab.

Doch die Kontrolle an der Grenze ist nur ein Teil des Artenschutz-Krimis. Der andere ist ebenso spannend: Wie bekommt man eine bedrohte Art in die CITES-Anhänge, also unter internationalen Schutz? „Die Anforderungen sind sehr sehr hoch“, erklärt van Schingen-Khan (s. Kasten). „Denn die Handelsbeschränkung bedeuten mitunter finanzielle Verluste für Mitgliedsländer.“ Deshalb brauche es viele, die sich für den Artenschutz begeistern, so Ziegler. „Die gibt es. Unser Netzwerk wächst immer weiter. In der Biologie-Fakultät hier und in anderen Unis sowie durch Naturschützer in Vietnam, mit denen wir seit langem kooperieren.“

Das Ergebnis ist eindrucksvoll. „Alle Anträge, für Tierarten, die Deutschland bei den letzten drei CITES-Konferenzen federführend verantwortet hat, basierten auf Forschungsarbeit des Kölner Zoos “, sagt Mona van Schingen-Khan. Für etwa 60 hochbedrohte Arten hat das deutsch-vietnamesische Team um Thomas Ziegler in Kooperation mit dem Bundesamt für Naturschutz die Aufnahme auf die CITES-Anhänge erreicht.

Die Vielfalt der Arten ist entscheidend für das Überleben von Menschen auf unserem Planeten.
Theo Pagel, Zoochef

Wieviel Spürsinn und Ausdauer eine Unterschutzstellung erfordert, weiß van Schingen-Khan aus erster Hand. Als Studierende erforscht sie die Krokodilschwanzechse, ein stammesgeschichtlich uraltes Reptil, dessen Entwicklungslinie bis in die Zeit des Tyrannosaurus rex reicht. Über Monate durchstreift sie nachts mit einer Kopflampe den vietnamesischen Dschungel, durchwatet dunkle Gewässer, sitzt bei Regenschauern tagelang alleine fest. Sie dokumentiert jedes in der Natur gefundene Exemplar, trifft sich in Hinterhöfen als Kaufinteressentin mit Händlern, um herauszubekommen, wo sie die Tiere sammeln. Bis sie nachweisen kann, dass es von der von Ziegler erstmals für Vietnam entdeckten Echse nur noch rund 100 Tiere gibt und dass die Art grenzüberschreitend gehandelt wird. „Mit ihrer Arbeit hat sie das komplette Handwerkszeug geliefert, um die Krokodilschwanzechse in einen CITES-Anhang zu bekommen“, freut sich Ziegler rückblickend. „Und sie fand heraus, dass die vietnamesischen Echsen anders sind als die, die zuvor aus China bekannt waren, was die vietnamesische Population als eigene Unterart nochmals seltener und schützenswerter macht“.

An ihrem Arbeitsplatz im Bundesamt bekommt die engagierte Artenschützerin lebende Tiere allerdings selten zu sehen. Waran, Netzpython, Krokodil – 95 Prozent aller Reptilieneinfuhren sind Häute, die etwa zu Kleidung verarbeitet werden. Neue Untersuchungsmethoden einführen und standardisieren, mit Experten zusammenarbeiten, in sozialen Netzwerken nach Verstößen fahnden, auf Artenschutzkonferenzen präsent sein – das macht einen großen Teil der Arbeit von van Schingen-Khan und ihren Kolleginnen und Kollegen weltweit aus. Und die hat Erfolge.

„Dass es immer noch Nashörner gibt, ist CITES zu verdanken. Einige Populationen konnten sich etwas stabilisieren“, sagt Zoochef Pagel. Das gilt auch für den Amurtiger oder die Krokodilschwanzechse. Zu tun bleibt genug, denn viele gefährdete Arten sind noch nicht gelistet. „Artenschutz, das heißt machen, was geht. Dafür muss man brennen“, sagt Ziegler. Das tun auch van Schingen-Khan, Zoochef Theo Pagel und immer mehr Studierende in Vietnam und Köln. Etliche von ihnen leiten heute eine Station oder können in Artenschutz-Behörden Entscheidendes bewirken. Wie Mona van Schingen-Khan.


Das Abkommen

In Washington unterzeichneten am 3. März 1973 zunächst fünf Staaten die „Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora“ (CITES).

Die damalige BRD trat am 20. Juni 1976 bei, in Kraft trat das Washingtoner Artenschutzabkommen am 1. Juli 1975. In drei abgestuften Anhängen wird der Handel mit gelisteten Tier- und Pflanzenarten je nach Gefährdungsstatus unterschiedlich stark beschränkt oder ganz verboten.

184 Mitgliedsländer haben sich bis heute zur Einhaltung der Handelsbeschränkungen verpflichtet. Sie treffen sich alle drei Jahre; nur durch ein Votum von zwei Drittel der Vertragsstaaten wird eine vorgeschlagene Art in die Schutzanhänge I oder II aufgenommen; eine Listung in Anhang III kann von jedem Ursprungsland ohne Zustimmung der anderen Vertragsstaaten vorgenommen werden.

Die Anträge müssen detailliert und wissenschaftlich basiert begründet werden. Nachgewiesen werden muss die Bedrohung durch internationalen Handel, die geringe Populationsgröße und weitere Beeinträchtigungen wie etwa Lebensraumschwund oder Auswirkungen des Klimawandels auf die Art.

CITES-Verstöße können mit hohen Geldstrafen oder auch mit Freiheitsentzug geahndet werden. (bos)