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Kölner Verein„Be Your Future“ unterstützt aus der Ukraine geflüchtete Afrikaner

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Emmanuel Edu

Köln – 18 Stunden lang mussten Emmanuel Edu und sein Freund in einem überfüllten Zug von Charkiw bis Lwiw stehen. Unter Bombenhagel hatten sie erschöpft die Bahnstation erreicht. Abwechselnd schliefen sie auf ihrer Reisetasche. Als sie Lwiw erreichten, wurden die beiden Nigerianer zusammen mit den anderen Afrikanern im Zug aufgefordert auszusteigen. Es hieß, der Zug würde nicht weiterfahren. Aber kein Ukrainer stieg aus und so rannten sie zurück in den Zug und versteckten sich vor den Soldaten.

Der Zug fuhr weiter. Bis an die slowakische Grenze. Fast 20 Stunden stand Emmanuel in Eiseskälte am Grenzübergang an. Ukrainer wurden bevorzugt behandelt, erinnert er sich. In der Slowakei traf er schließlich auf Gina Hitsch. Ein Glücksfall. Sie holte ihn nach Köln.

Hitschs Kölner Verein „Be Your Future „ kümmert sich während des Kriegs in der Ukraine um afrikanische Menschen, die aus der Ukraine fliehen. Rund 16 000 Afrikaner kamen in den letzten Jahren in die Ukraine. Meistens, um zu studieren. Nun haben auch sie durch den Krieg alles verloren. „Be Your Future“ hilft ihnen bei der Flucht nach Deutschland und unterstützt sie bei der Ankunft. „Ich bin mit Organisationen in Kontakt, die an die Grenze fahren und Menschen holen. Wir organisieren auch für manche Menschen Zugfahrten, oder Busse“, sagt Hitsch. In Köln hilft der Verein dann dabei, die Menschen zu registrieren, unterstützt sie bei Behördengängen und kümmert sich um eine Unterkunft.

5000 Dollar für Busfahrt

Auch Chinwe wurde von „Be Your Future“ geholfen. Sie hatte fünf Jahre in der ukrainischen 60 000-Einwohner-Stadt Rubizhni Medizin studiert. Ihr Ziel ist es, eine Heilung für die Autoimmunerkrankung zu finden, die sie und ihre Familie plagt. Als der Krieg ausbrach, floh sie mit ihren Freundinnen und ihrem Bruder zunächst nach Kiew. „Eine Freundin von mir befand sich in einem Gebäude, in das ein Jet gestürzt ist. Als das passiert ist war uns klar, dass wir die Ukraine verlassen mussten“.

Sie versuchten einen Bus an die polnische Grenze zu nehmen, aber der Busfahrer verlangte umgerechnet 5000 Dollar für die Fahrt. Also versuchten sie es per Zug. Ein Kraftakt. Dort mussten sie rassistische Beleidigungen über sich ergehen lassen. Sie würden den Platz für ukrainische Kinder und Frauen wegnehmen, hieß es.

An der polnischen Grenze betraten Soldaten den Zug und forderten alle afrikanischen Männer auf, den Zug zu verlassen. Chinwes Bruder ging mit ihnen, sie ging hinterher. Verzweifelt versuchte sie die Soldaten zu überzeugen ihren Bruder gehen zu lassen.

Über Polen nach Deutschland

Doch als Antwort bekam sie nur, dass man Platz im Zug für Frauen und Kinder bräuchte. „Ich habe dann gesagt: „Wenn ich es schaffe, alle Kinder und Frauen im Zug unterzubringen, lassen sie die Männer dann gehen?“. Das Militär willigten ein. Chinwe schaffte es, doch nach drei Stunden brachten die Soldaten neue Frauen und Kinder. „Ich wusste, dass ich diesen Kampf nicht gewinnen konnte“. Also rannten ihr Bruder und die anderen in den Zug und kauerten sich unter Jacken als Gepäck getarnt zusammen. Sie erreichten Polen und, mit Hilfe von Gina Hitsch, schließlich Deutschland.

Wie es nun hier in Deutschland weitergehen soll, das wissen sie nicht. Die deutsche Regierung gewährt Afrikanern aus der Ukraine momentan nur bis zum 22. Mai den Aufenthalt. „Ich habe große Angst, wie es weitergeht. Wir haben überhaupt keine Perspektive. Ich bitte die Bundesregierung, mich mein Studium hier fortsetzen zu lassen, denn in der Ukraine wird es wahrscheinlich nie mehr so werden wie zuvor“, sagt Umu Fofanah, die aus Sierra Leone in die Ukraine kam. „Wir hatten ein Leben in der Ukraine, genau wie die Ukrainer auch“.

Ob Emmanuel, Chinwe, oder Umu: Sie alle eint die Angst vor der Zukunft und das Gefühl nicht wahrgenommen zu werden. Für sie war das Studium in der Ukraine eine Chance auf ein besseres Leben. Nun bleibt unklar, ob diese Chance weiter besteht.