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Kölner Ulknudel mit TiefgangVor 30 Jahren starb Trude Herr – ein Rückblick

Lesezeit 4 Minuten

Trude Herr am Spülbecken im Film „Tango d’amore“ 

Köln – „Sie war eine Frau mit Rückgrat. Eine, die gesagt hat, was sie denkt. Mein Idol“, schwärmt Hilde Schmitz vom Trude-Herr-Fanclub. Auch 30 Jahre nach ihrem Tod ist das kölsche Ausnahmetalent unvergessen. Eigentlich hatte der Fanclub eine Gedenkveranstaltung am Trude-Herr-Denkmal in der Südstadt geplant. Doch die Pandemie hat einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Immerhin: Es gibt passend zum 30. Todestag eine beeindruckende Hommage an Trude Herr. Der Emons Verlag beleuchtet ihr rastloses und außergewöhnliches Leben in einem umfangreichen Bildband. Die Herausgeberinnen Heike Beutel und Anna B. Hagin lassen darin 20 Weggefährtinnen und -gefährten über die Lebenskünstlerin erzählen. Bereits 1997 ist eine erste Version des Buchs erschienen. Sie war schon lange vergriffen. Die Neuauflage überzeugt durch ein frisches Design und viele zusätzliche Fotos. „Wichtig finde ich, dass das Buch betont, dass es Trude Herr nicht entspricht, auf eine Volksschauspielerin reduziert zu werden. Sie war sehr vielschichtig und sie war ein Star“, sagt Mitherausgeberin Heike Beutel.

Im Theater mit Mit Willy Millowitsch

Jeder hat seine eigenen Blick auf Trude Herr

Persönlich und subjektiv sind die Erinnerungen an Trude Herr. Jeder der Interviewten – darunter Giggi Herr, Willy Millowitsch und Hans-Jürgen Wischnewski – hat seine eigene Sichtweise. Mehr als 150 Fotos tragen dazu bei, dass sich mosaikartig ein Gesamtbild zusammensetzt. Ein Gesamtbild mit Leerstellen. Es bleibt das Gefühl, dass Trude Herr weitaus mehr war als das, was sie die Öffentlichkeit sehen liess. Beeindruckend mutig, talentiert, kompromisslos und engagiert war „et Trudchen“. Aber auch andere Seiten klingen an.

Tragische, traurige. „Natürlich hat sie gemerkt, dass sie nie die große Liebe fand und war deshalb unzufrieden und konnte manchmal sehr gehässig werden“, erinnerte sich ihre Schwester Agathe Hartfeld. Sie berichtet aber auch von der Willensstärke und dem Mut ihrer kleinen Schwester, die am 4. Mai 1927 in Kalk zur Welt kommt. Gertrud wächst in bescheidenen Verhältnissen auf. Der Vater, ein Lokomotivführer, wird als Kommunist von den Nazis verhaftet. Die Mutter muss die vierköpfige Familie alleine durchbringen.

Trude Herr als Traum in Schaum in einer WDR-Produktion

Schauspielunterricht gegen den Willen des Vaters

Gegen den Willen des Vaters setzt Trude im Nachkriegsdeutschland ihren Vorsatz, Schauspielerin zu werden, um. Unterricht nimmt sie keinen. Sie macht einfach. Mit 19 spielt sie in einem Wandertheater in Aachen, ein Jahr später spricht sie bei Willy Millowitsch vor. „Die kunnt spille, un deshalb han ich se jenumme“, soll er gesagt haben. 1949 gründet sie zusammen mit ihrem langjährigen Freund und Kollegen Gustav Schellhardt ihr erstes eigenes Theater. Als das Pleite macht, arbeitet sie eine Weile als Bardame in der Schwulenkneipe „Barberina“.

Die „Cleopatra von Niehl“

Mitte der 1950er Jahre fasst Trude Herr als eine der ersten Frauen Fuß im Karneval. Ihr komödiantisches und schauspielerisches Talent, ihr Gespür für Menschliches, ihre genaue Beobachtungsgabe – all das macht sie einmalig. Überragend: ihre Figur „Cleopatra von Niehl“. Das 1,56 große Energiebündel spielt im Kaiserhof, tritt auf der Berliner Waldbühne auf. Dort entdeckt sie Atze Brauner für den Film.

Trude Herr auf der Bühne

Als vollschlanke Ulknudel unterhält Trude Herr in mehr als 30 Filmen – vor allem der späten 1950er und 1960er Jahre. Sie singt und tanzt. Selbstbewusst, übertrieben – unwiderstehlich lustig. Unvergessen neben vielen anderen: der Schlager „Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann“ aus dem Jahr 1960. Doch Trude Herr ruht sich nie auf einem Erfolg aus. Sie stellt hohe Ansprüche – an sich und andere. Im Millowitsch-Theater spielt sie zwischen 1970 und 1976 mit ihrem eigenen Ensemble. Sie inszeniert, schreibt eigene Stücke. „Scheidung auf kölsch“ beispielsweise.

Trude Herr machte immer eine gute Figur, auch im Theater mit Mit Willy Millowitsch oder auf der eigenen Bühne im Vringsveedel.

Mitte 1977 der nächste große Schritt: Trude Herr eröffnet das „Theater im Vringsveedel“ in der Severinstraße. Dort wo heute das Odeon-Kino ist. Die erste Uraufführung - „Die kölsche Geisha“ - begeistert das Publikum. Das Theater ist sehr erfolgreich. Fast zehn Jahre lang – bis 1986 – arbeitet Trude Herr als Intendantin, Regisseurin und Hauptdarstellerin. „Sie war eine Perfektionistin“, erinnert sich WDR-Redakteur Kurt Brünler. Ihre Gesundheit leidet. 1987 beschließt sie, auf die Fidschi-Inseln zu übersiedeln. Vorher jedoch gibt es noch etwas Besonderes.

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Trude Herr veröffentlicht das Album „Ich sage, was ich meine“. Unter den Songs ist eines ihrer schönsten Vermächtnisse. Das Lied „Niemals geht man so ganz“. Ein Stück, das Geschichte schreibt, als sie es in einer „So-isses“-Sendung zusammen mit Tommy Engel und Wolfgang Niedecken singt. Musikproduzent Thomas Brück erinnert sich im Trude-Herr-Buch an den Auftritt: „Plötzlich war da eine unglaubliche Stimmung. Die Leute standen da, heulten fassungslos. Der ganze Saal schrie nach einer Zugabe.“

„Niemals geht man so ganz“ – vielleicht eines der schönsten deutschsprachigen Abschiedslieder. Trude Herr verstarb in der Nacht vom 15. auf den 16. März 1991 in einem Ferienhaus in Südfrankreich. Todesursache: Herzversagen. Sie wurde nur 63 Jahre alt.

Trude Herr. Ein Leben., Hrsg. Heike Beutel, Anna B. Hagin, Emons Verlag 2021, 226 Seiten, 25 Euro