Kölner Kurator im PortraitWann darf Tiger Sergan zu seinem Weibchen?
Köln – Sergan lauert. Zum Sprung geduckt starrt der Tiger durch das Dickicht, zuckt ein paar lästige Fliegen weg. Doch dann entspannt sich seine Haltung. Plötzlich will Sergan nur noch spielen. Ein Wechselspiel, das Kurator Alexander Sliwa fasziniert beobachtet. Auf der anderen Seite des Bambusstreifens, hinter zwei trennenden Gittern, läuft Akina hin und her. Das vierjährige Tigerweibchen ist im November aus dem Zoo Leipzig nach Köln gekommen. Noch dürfen die beiden nicht zusammen, denn in den ersten Monaten war Akina sehr ängstlich und Sergan oft aggressiv.
Jetzt gehen sie entspannter miteinander um – durch die Gitter. „Das Lauern gerade war wohl die Vorstufe zum Spiel. Genaue Verhaltensbeobachtung ist extrem wichtig, denn wir müssen die beiden zum richtigen Zeitpunkt zusammen lassen“, erklärt Sliwa. „Dann, wenn Akina ganz sicher paarungsbereit ist.“ Der Kurator ist im Zoo zuständig für alle Katzen, Bären, die Menschenaffen und die Tiere Südamerikas.
30 Tierpflegerinnen und Tierpfleger in seinem Revier
Dabei arbeitet er sehr eng mit den 30 Tierpflegerinnen und -pfleger in seinem Revier zusammen. Gespräche gibt’s mehrmals die Woche. Oder auch täglich. Wie bei den Amurtigern. Denn wenn die Tiere zu früh zusammenkommen, kann das schiefgehen. „Schlimmstenfalls würde sich Serkan in dem Weibchen verbeißen und es töten. Aber zum Glück sind die Vorzeichen recht positiv“ , so Sliwa. Schließlich tollt der mächtige Amurtiger gerade tapsig am Gitter entlang, liefert sich ein verspieltes Rennen mit Akina. Eine Pflegerin hatte vorgeschlagen, eines der Gitter zu öffnen, damit die Tiere Nasenkontakt aufnehmen können. „Das machen wir seit ein paar Tagen. So können die Tiere sich schrittweise immer mehr annähern“, sagt Sliwa.
Doch nicht nur bei den Tigern, im gesamten Revier von Alexander Sliwa hat sich in den vergangenen 14 Jahren viel getan. So lange ist der 56-Jährige Kurator in Köln, vorher war er in Wuppertal. „Acht Jahre, als Kurator für alles“, erinnert er sich Sein erstes Projekt war 2008 das Tapirgehege. „Danach habe ich fast jedes Jahr den Bau eine Anlage eng begleitet.“ Großprojekte wie die im Juli 2020 eröffnete Tigeranlage und das komplett erneuerte denkmalgeschützte Südamerikahaus stechen dabei heraus.
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Anders als früher sollen dort zahlreiche Arten gemeinsam gehalten werden. Damit sich Löwenäffchen, Weißkopfsakis und Silberäffchen schon mal aneinander gewöhnen konnten, waren sie zunächst hinter den Kulissen in benachbarten Gehegen untergebracht. Vor einigen Tagen durften die neun kleinen Äffchen als erste in das komplett neu gestalteten Hause umziehen. „Sie haben alles sehr schnell und selbstbewusst in Besitz genommen“, so der Kurator. „Es macht große Freude zu sehen, wie wohl sie sich fühlen.“
„Wir müssen sehen, welche Plätze die Äffchen akzeptieren“
Allerdings ist die Arbeit von Sliwa und seinem Team damit nicht beendet. „Wir müssen sehen, welche Plätze die Äffchen akzeptieren. Und ob sie sich auch da gerne aufhalten, wo die Besucher sie sehen können.“ Falls nicht, wird nachjustiert. Etwa, indem Futter an bestimmten Orten angeboten wird. Oder aber mehr schützende Sträucher gepflanzt werden, damit die Tiere schnell in Deckung gehenkönnen. Und dadurch mutiger werden. Erst nach und nach kommen dann Vögel und weitere Tiere dazu, ausschließlich Arten, die sich auch in der Natur einen Lebensraum teilen. „Wir beobachten sie genau, um zu merken, wenn sie nicht zurechtkommen oder es Konflikte gibt.“ Das kann auch passieren, wenn neue Tiere aus anderen Zoos in ein Gehege einziehen. So war für einen Tapir der Ausstieg aus dem Wasserbecken zu rutschig – er wurde umgebaut.Nicht immer ist die Arbeit eines Kurators so spannend. Einen großen Teil seiner Aufgaben erledigt er vom Schreibtisch aus.
Und die sind nicht minder wichtig. So ist er Vorsitzender der Katzenspezialisten der Europäischen Zoogemeinschaft EASA. Fragen zu seinem Spezialgebiet erreichen ihn aus aller Welt. Und mit den Kölner Nachzuchten der persischen Leoparden werden Auswilderungsprojekte im Kaukasus unterstützt. „Aber das ging erst nach erheblicher politischer Vorarbeit“, sagt er.Ein Herzensprojekt des Vaters von drei erwachsenen Kindern ist der Schutz der Schwarzfußkatze. Über die sehr kleine, wie eine Leopard gefärbte und in ihrem Bestand gefährdete Katzenart hat er seine Diplomarbeit geschrieben. Und da war’s um ihn geschehen Seit den 80er Jahren betreibt er Forschung, um die Lebensräume der seltenen Art zu erhalten. Der Zoo unterstützt das Projekt Sliwas mit 5000 Euro jährlich.
Er hat zahlreiche Katzen mit Sendern versehen, um mehr über ihr Verhalten und ihre Lebensräume herauszufinden. „Es klappt leider nur sehr selten, sie in Zoos zu halten. Dort leben weltweit nur 48 Tiere“, bedauert Sliwa. „Der Erhalt ihrer Lebensräume ist ihre einzige Chance.“ Damit das gelingt, ist er auch in seinem Urlaub in Afrika. Ab Mitte Juni. Den verbringt er nachts in der Nama-Karoo-Halbwüste. Die Sender der Katzen müssen dringend getauscht werden.