Kirmes „Happy Colonia“ in DeutzDie Achterbahn „Wilde Maus“ ist Kult
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Köln – Sie sieht beinahe schon unscheinbar und etwas unspektakulär aus, vergleicht man sie mit ihren mit zahlreichen Loopings und Schrauben versehenen großen Brüdern. Und dennoch erfreut sich die Achterbahn des Typs „Wilde Maus“ seit Jahrzehnten ungebrochen einer großen Beliebtheit bei jungen und alten Fahrgästen. Das kann man derzeit wieder auf der Deutzer Werft beobachten kann, wo noch bis Sonntag, 22. August, der temporäre Freizeitpark „Happy Colonia“ stattfindet.
Rudolf Barth weiß genau, was den Reiz seines 25 Meter hohen Fahrgeschäfts mit einer Schienenlänge von 380 Metern ausmacht. „Es sind die engen geraden Kurven“, sagt der 61-jährige gleichnamige Sohn des im vergangenen Jahr verstorbenen legendären Bonner Schaustellers. Gemeint sind die flachen Kurven ohne Neigung, die dafür sorgen, dass man den Eindruck bekommt, über die Strecke hinaus katapultiert zu werden.
Dieses Gefühl wird dadurch verstärkt, dass die Wagen, die sogenannten Chaisen, breiter als die Schienen sind, so dass man diese als Mitfahrer in der Kurvenfahrt nicht mehr sieht. Da wird auch die vergleichsweise geringe, Höchstgeschwindigkeit (siehe Infokasten) von circa 45 Stundenkilometern zu einer rasanten Fahrt, die Nervenkitzel pur verspricht.„Es erinnert an eine Maus, die im Zickzackkurs vor einer Katze flieht“, veranschaulicht Barth.
Die ersten „Wilde Maus“-Achterbahnen, damals noch aus Holz gebaut, kamen in den späten 1930ern in den USA auf. Der Hersteller „Mack Rides“ spielte damals schon vorne mit. Das deutsche Unternehmen war es schließlich auch, das von Holz- auf Stahlgerüste wechselte. Diese Entwicklung der modernen „Wilden Mäuse“ verschaffte dem Fahrgeschäft in den 1990ern ein erfolgreiches Comeback, nachdem sie in den beiden Jahrzehnten zuvor beinahe komplett von der Bildfläche verschwunden waren.
Barth hatte seine „Wilde Maus“ 1999 von seinem Vater und seinem jüngsten Bruder Otto erworben. Beide hatten fünf Jahre zuvor zwei identische Achterbahnen dieses Typus gekauft. Die andere Maus blieb im Besitz des Bruders und steht heute im „Freizeitpark Taunus-Wunderland“, der seit 1998 von seinem Bruder und dessen Familie betrieben wird.
Rudolf Barth: „Nur zu Hause sitzen, das ist nichts für mich“
Die Barths sind eine Schausteller-Dynastie. Nicht nur der Vater, sondern alle drei Söhne sind in dem Gewerbe tätig. Angefangen hat alles mit dem Opa (ebenfalls Rudolf Barth), der 1939 einen Autoscooter erwarb. In den 1970ern kam dann der unerwartete Wechsel zu den Achterbahnen, zunächst vom Typus „Jet Star II“. Später kaufte Schausteller Rudolf Barth, der Mittlere, immer mehr Loopings. Der Höhepunkt Ende der 1980er: der fünffache Überschlag, das legendäre „Olympia Looping“, bis heute die größten transportable Achterbahn der Welt. Sie brachte ihm den Spitznamen „Herr der Ringe aus Bonn“ ein.
Bis heute hat das umtriebige Leben für Barth nichts von seinem Reiz eingebüßt. Es sei „schön, immer auf Achse zu sein und Neues kennenzulernen“. Daran habe Corona nichts geändert, auch wenn die Pandemie für die Branche sehr hart sei. Selbst wenn es wirtschaftlich nicht lohnte, habe er jede Möglichkeit genutzt, zu arbeiten. „Nur zu Hause sitzen, das ist nichts für mich – ich bin auch mit meinen 61 Jahren einfach noch kein Rentner, da fühle ich mich zu jung für“, so Barth.
Auch nach mehr als 20 Jahren als „Wilder Maus“-Betreiber kommt es vor, dass Barth selbst in einer Chaese sitzend um die Kurven flitzt. „Die Fahrt ist für Jung wie Alt gleichermaßen geeignet und spannend“, sagt er. Die Achterbahn sei heutzutage – so wie das Riesenrad oder der Autoscooter – ein Klassiker unter den Fahrgeschäften. Und das, ohne Geschwindigkeits- oder Überschlagrekorde aufstellen zu müssen. „Ich kann jedes Jahr mit ihr an der gleichen Stelle stehen. Die Leute freuen sich immer. Vielleicht, weil eine Fahrt mit einer Achterbahn wie das Leben ist: ein Auf und Ab.“
„Happy Colonia“, Deutzer Werft, von Mittwoch, 18. August, bis Sonntag, 22. August, von 13 bis 21.30 Uhr
Die schnellsten Achterbahnen der Welt
Die „Wilde Maus“ gehört mit circa 45 km/h zwar nicht gerade zu den schnellsten Achterbahnen. Dafür hat sie aber ganz andere Qualitäten. Wer allerdings Geschwindigkeit für den Nervenkitzel braucht, wird auf den Achterbahnen in den zahlreichen Freizeitparks der Welt definitiv fündig werden. Auch wenn dafür gegebenenfalls eine weite Anreise in Kauf genommen werden muss.
Die schnellste Achterbahn der Welt steht in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate. Die „Formula Rossa“ (u.) im dortigen Freizeitpark Ferrari World beschleunigt von 0 auf rasante 240 Km/h in gerade einmal fünf Sekunden. Deutlich langsamer, dafür aber Spitzenreiter in Europa ist die „Red Force“. Die Achterbahn in der PortAventura World in Spanien schafft es auf 180 Km/h.
Deutschlandweit teilen sich zwei Achterbahnen den ersten Platz: Die „Silver Star“ im Europa-Park und „Der Schwur des Kärnan“ im Hansa-Park kommen jeweils auf 127 Km/h. Dahinter folgt mit 120,1 Km/h die „Expedition GeForce“ im Holiday Park.
Im Phantasialand in Brühl, also quasi direkt vor der Haustür, steht übrigens die viertschnellste Achterbahn Deutschlands: Die „Taron“ (oben) schafft es immer noch auf flotte 117 Stundenkilometer.