Erst die Zoobrücke, nun die Industriestraße: Wie Unfälle Köln Verkehrspolitik bestimmen.
Tempo 50 auf IndustriestraßeWird nun nach jedem Unfall in Köln die Geschwindigkeit gesenkt?
Für die einen ist es Verkehrspolitik durch die Hintertür, für die anderen überbordende Reglementierung: Zuerst hat das Mobilitätsdezernat auf einem Abschnitt der Zoobrücke die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 auf 50 Stundenkilometer herabgesetzt, nun folgt die Industriestraße – dort sogar von 100 km/h auf 50. In beiden Fällen war ein Unfall der Auslöser. Die Folge: Schleichverkehr auf unabsehbare Zeit und ein Sanierungsaufwand, der in keinem Verhältnis zu den Schrammen an den Leitplanken zu stehen scheint. Ist das nun die neue Systematik der Kölner Verkehrsplanung: Unfall, Temposenkung, Großsanierung?
Zoobrücke in Köln: Das Negativbeispiel
Welche Formen das annehmen kann, wird an der Zoobrücke immer deutlicher. Alles nahm seinen Anfang damit, dass ein Lkw über die sogenannten Schrammborde fuhr. Knöchelhohe Betonschwellen, mit denen seit vielen Jahren die Autospur vom Radweg abgetrennt wird. Passiert war nichts. Doch die gerade beschriebene Systematik nahm dennoch Fahrt auf. Seit vergangenem Oktober gilt Tempo 50 auf der Stadtautobahn, einem leistungsstarken Zubringer zur Messe und dem östlichen Autobahnring. Zwar gab es einen Aufschrei in der Politik, das dürfe nur ein möglichst kurzes Zwischenspiel sein. Auch beteuerte das Mobilitätsdezernat, es werde eine Zwischenlösung gesucht, um wieder 80 km/h zulassen zu können. Doch die bösen Zungen, die dem Kölner Mobilitätsdezernenten Ascan Egerer eine Gängelung der Autofahrer und Fixierung auf den Radverkehr nachsagen, durften sich am Ende bestätigt sehen.
Das neue Leitplankensystem in Köln
Egerer ließ ein Gutachten in Auftrag geben, wonach es keine Zwischenlösung geben kann und die einzige Lösung eine fasst schon monströse Erneuerung aller sogenannter „passiven Schutzeinrichtungen“ sowie eine Reduzierung von sechs auf vier Fahrspuren ist. Alle Geländer müssen laut Gutachter erneuert werden. Ebenso die Leitplanken, die in der Mitte der Brücke die beiden Fahrtrichtungen voneinander trennen. Und wo noch die knöchelhohen Schrammborde stehen, soll nun das System „Super-Rail Pro BW“ zum Einsatz kommen (siehe Infokasten). 1.30 Meter hoch, über 30 Zentimeter breit. Ein Meter davon wiegt stattliche 110 Kilo. Eine Leitplanke wie eine Panzersperre. Die neuen Schutzeinrichtungen sind so wuchtig, dass ihre Sockel in Summe je Fahrtrichtung eine Fahrspur „fressen“.
Kölner Brücken: Einen Zeitplan gibt es nicht mehr
Bis es so weit kommt, fließt aber noch viel Wasser unter der Zoobrücke durch. Der Austausch aller „passiver Schutzeinrichtungen“ ist ein s tiefer Eingriff ins Brückenbauwerk, dass er erst im Zuge der Generalsanierung folgen soll – was wiederum bedeutet, Langsamfahrt auf unabsehbare Zeit. Denn es gibt keinen Zeithorizont mehr für die Generalsanierung der Zoobrücke. Noch vor Jahren erstellte das damalige Verkehrsdezernat jährlich aktualisierte Ablaufpläne im DIN A3 Format für die Sanierung der Rheinbrücken . Doch unter Egerer lautet die Antwort auf die Frage, was die Pläne nun vorsehen: „Ein Übersichtsplan über die Sanierung der Rheinbrücken wurde in dieser Form nicht fortgeschrieben“, so ein Stadtsprecher. Das Einzige, was noch feststeht: Nach der laufenden Sanierung der Mülheimer Brücke, sollen als nächstes die Severinsbrücke und die Deutzer Brücke instand gesetzt werden. Erst dann wäre die Zoobrücke an der Reihe. Über die Mülheimer Brücke wird nach jetzigem Kenntnisstand Ende 2026 der Verkehr wieder frei fließen. Danach ist alles offen.
Unfälle als Teil der Verkehrsplanung?
Vergleichbar fatal entwickelt sich die Planung für die Industriestraße. Nachdem ein Auto die Leitplanke touchiert hatte, werde nun ein Ingenieurbüro mit Neuberechnung und Dimensionierung des zukünftigen Fahrzeugrückhaltesystems beauftragt. Ausschreibung und Vergabe würden schnellstmöglich in die Wege geleitet. Wer den Werdegang auf der Zoobrücke verfolgt hat, kann nur mit Schrecken auf das Ende des Verfahrens für die Industriestraße blicken. Geht das nun immer so weiter? Von Verkehrsachse zu Verkehrsachse?
Die Antworten aus dem Dezernat auf die Fragen, ob es Erkenntnisse über weitere veraltete Leitplankensysteme gibt und ob weitere Geschwindigkeitssenkungen zu erwarten sind, lassen das vermuten: „Derzeit sind dem Dezernat für Mobilität keine markanten städtischen Straßen bekannt, bei denen die passiven Schutzeinrichtungen dringend erneuert werden müssen.“ Und: „Oftmals führen Unfallereignisse mit der Ursache ,Abkommen von der Fahrbahn' zu einer Neubewertung der Situation. Aktuell sind keine weiteren Straßen betroffen.“ Schon der nächste Autofahrer, der Kontakt mit einer Leitplanke sucht, kann also alles verändern.