Verweis auf GartenordnungKölner kassiert Abmahnung – Kleingarten ist zu „öko“
Köln – Im Schrebergarten von Marcus Baban (44) in Flittard wachsen Kartoffeln, Tomaten, Salat, Äpfel, Aronia-Beeren und vieles mehr. Die Pflanzen stehen nicht akkurat in Reih und Glied, sondern bunt gemischt durcheinander, dazwischen leuchten Nachtkerzen, Sonnenaugen und zahllose andere Blumen.
Für Gabriele Falk vom Vorstand des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Köln ist seine Parzelle ein kleines grünes Paradies, in dem seltene Pflanzen gedeihen und Wildbienen nisten. Doch der Vorstand des Kleingartenvereins „An den Büchen“ sieht das offenbar anders.
Abmahnung schon nach vier Monaten
„Man hat mir schon nach vier Monaten eine Abmahnung geschickt. Im November 2020 kam dann vom Kreisverband die Kündigung samt Androhung der Räumungsklage“, berichtet der 44-jährige Musiker. Im Juni 2019 hatte der Gartenneuling die Parzelle übernommen. „Ich wollte die Fläche von Anfang an möglichst naturnah und ressourcenschonend bewirtschaften, habe experimentiert und mich am Ziel eines essbaren Waldgartens orientiert“, erzählt Baban.
Der Vorstand und andere Pächter hätten darauf mit Unverständnis reagiert und erklärt, „so ein Garten geht gar nicht“. Es sei „zu unordentlich“, die vorgeschriebene gärtnerische Nutzung sei nicht zu erkennen. (siehe Infobox)
Kleingärten in Köln und die Regeln
Fünf Quadratkilometer des Kölner Stadtgebiets sind Kleingärten, das entspricht einem Anteil von 1,2 Prozent. In Köln gibt es rund 13 000 Kleingärten in 192 Anlagen, die von 115 Vereinen und mehr als 50 000 Pächtern betreut werden. Die meisten dieser Flächen gehören der Stadt.
Mindestens ein Drittel der Fläche des Kleingartens muss gärtnerisch genutzt werden, also für den Anbau von Obst, Gemüse und anderen Früchten. Davon müssen mindestens zehn Prozent für einjährige Kulturen wie Salat oder Kartoffeln verwendet werden. So schreibt es die Kölner Gartenordnung vor, die auf den Vorgaben des Bundeskleingartengesetzes basiert.
Demnach ist das Anpflanzen von Bäumen und Sträuchern, „die nach ihrer natürlichen Entwicklung eine Höhe von mehr als vier Metern und drei Meter Breite erreichen“, nicht zulässig. Dazu zählen etwa Walnussbäume. Die Wege in den Kleingärten sind tagsüber für Besucher und Spaziergänger offen zu halten. (fu)
Baban spricht von „Schikane“, auf Gesprächsangebote habe der Vorstand nicht mehr reagiert. Er gab nicht klein bei, nun wird das Amtsgericht Köln am 2. September entscheiden, ob die Kündigung rechtens war und er den Garten räumen muss.
Exemplarisch für viele weitere Konflikte
Für Gabriele Falk vom BUND und Robert Schallehn, umweltpolitischer Sprecher der grünen Ratsfraktion, ist der Fall Baban exemplarisch für viele andere Konflikte in Kölner Kleingartenvereinen, wo traditionsbewusste Schrebergärtner mit gepflegtem Rasen und wildkräuterfreien Beeten auf eine wachsende Zahl von ökologisch orientierten Gartenfreunden treffen, die es etwas weniger aufgeräumt mögen und lieber etwas für die Artenvielfalt tun möchten.
Im Juni 2020 hatte der Umweltausschuss des Stadtrats beschlossen, dass die Kölner Gartenordnung – die die Grundlage aller Pachtverträge für Kleingärten ist – überarbeitet und stärker an ökologischen Kriterien orientiert werden soll. Im Januar 2021 verhängte der Ausschuss zudem ein Moratorium, wonach Bäume und Hecken, die nach den geltenden Kleingarten-Regeln zu groß gewachsen sind, vorerst nicht gefällt oder beschnitten werden müssen. Trotz dieser „gelben Karte“, so Schallehn, habe er weiter viele Beschwerden von Kleingärtnern erhalten, dass Vereinsvorstände dieses Moratorium ignoriert hätten.
Arbeitskreis für verschiedene Interessen
Nun soll ein Arbeitskreis die verschiedenen Interessen unter einen Hut bringen. Am 24. August treffen sich Vertreter des Kreisverbandes und der Unteren Naturschutzbehörde sowie Mitglieder der Ratsfraktionen mit Dr. Joachim Bauer vom städtischen Grünflächenamt zum ersten Gespräch. Ursprünglich wollte man bereits zum 1. Januar 2022 eine neue Gartenordnung in Kraft setzen, doch das dürfte knapp werden. „Wichtiger als der Termin ist, dass wir einen guten, konsensfähigen Entwurf erarbeiten, den der Stadtrat beschließen kann“, betont Bauer.
Für Robert Schallehn ist das Ziel klar. Die Wuchshöhe wertvoller Altbäume und Hecken solle weniger stark reglementiert werden, die ökologische Bewirtschaftung der Gärten mehr Gewicht erhalten. „Die ist zwar eigentlich schon in den jetzigen Regeln verankert, doch das wird in der Praxis oft so nicht gelebt.“
Offenheit für mehr Naturnähe
Michael Franssen, Geschäftsführer des Kreisverbands Kölner Gartenfreunde, zeigt sich offen für mehr Naturnähe in Kleingärten. Vielfalt sei schon heute „zugelassen und gewünscht“, die ökologische Nutzung bereits fester Bestandteil des Regelwerks. Das lasse sich ausbauen. Klarere Regeln wünscht er sich auch in Bezug auf Planschbecken, Feuerschalen oder Pavillons. Dass Pächter bislang nur Solarpaneele bis zu einer Größe von zwei Quadratmetern installieren dürfen, gehöre zu den Vorschriften, die es im Sinne der Ökologie anzupassen gelte .
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Was die gärtnerische Nutzung betrifft, hat Franssen eine klare Formel: „Es muss erkennbar sein, dass der Garten bewirtschaftet wird. Man kann ihn nicht einfach so vor sich hinwachsen lassen. Und als Pächter sollte man Rücksicht auf seine Gartennachbarn nehmen.“