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Milliarden Euro für BauprojekteWie Köln explodierende Baukosten eindämmen will

Lesezeit 4 Minuten
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Die Sanierung der Kölner Bühnen wird teurer und dauert länger

  1. Bislang fehlt der Kämmerei in Köln trotz Millionensummen ein Überblick, um alle Bauten sowie ihre Kosten, die Unterhaltung sowie die Risiken zu bewerten.
  2. Das soll bald eine neue zentrale Bauinvestitionskontrolle leisten.
  3. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

Köln – Bevor der damalige Baudezernent Franz-Josef Höing als Oberbaumeister 2017 nach Hamburg gewechselt ist, hat er über die missratene Sanierung der Bühnen gesagt: „Wenn die Opernsanierung glatt gelaufen wäre, gäbe es bestimmt eine größere Bereitschaft für Großprojekte wie die Historische Mitte. Das hat Auswirkungen, klar.“

Es sind aber nicht nur psychologische Auswirkungen, sondern auch solche, die viel Geld kosten: aktuell 572 Millionen Euro plus Zinskosten von 287 Millionen, ergo rund 839 Millionen Euro. Es wird 40 Jahre dauern, die Zinsen abzuzahlen – eine immense Belastung für den Haushalt und damit für künftige Generationen.

Und die Bühnensanierung ist nur eines der Großbauprojekte – doch bislang fehlt der Kämmerei trotz dieser Summen ein Überblick, um alle Bauten sowie ihre Kosten, die Unterhaltung sowie die Risiken zu bewerten. Das soll bald eine neue zentrale Bauinvestitionskontrolle leisten. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

Worum geht es bei dem zentralen Controlling?

Kämmerin Dörte Diemert will einen Überblick haben, welche Großprojekte es gibt, was sie kosten und welche Risiken bestehen, um gegensteuern zu können – unter anderem, indem einige Projekte früher oder andere später realisiert werden. Diese fortlaufende Analyse soll an einer Stelle gebündelt werden.

So viel teurer werden Großprojekte

512 Millionen Euro teurer als geplant sind 20 städtischen Großprojekte mit Kostensteigerungen. Die Summe bezieht sich auf die Projekte, für die der Stadtrat einen Baubeschluss gefasst hat. Es handelt sich dabei um die dritte von neun Phasen eines Baus. Erst ab dann gilt eine Planung und die Kostenprognose als verlässlich – auch wenn Gerichte danach noch Steigerungen akzeptieren.

Ursprünglich lag das Budget der 20 Projekte bei 1,43 Milliarden Euro. Inklusive der 512 Millionen Euro Steigerung beträgt die Summe nun 1,95 Milliarden Euro, ein Plus von 35,6 Prozent. An der Spitze liegt die Bühnensanierung mit insgesamt bis zu 317 Millionen Euro Zusatzkosten. (mhe)

Betroffen sind Projekte, die mehr als zehn Millionen Euro kosten, und solche, die sich auf den Haushalt auswirken, etwa über eine Miete. Eingeschlossen sind städtische Eigenbetriebe wie die Gebäudewirtschaft oder die Bühnen. Probeweise testet die Kämmerei das System schon, am 1. Juli soll die Analyse vorliegen, was es bringt.

Welche Summen macht das insgesamt aus?

Allein die Bühnensanierung mit 839 Millionen Euro zeigt: Die Stadt gibt viel Geld aus. Hinzu kommen weitere Großprojekte, etwa im Verkehrsbau, im Schul- und Museumsbau. Wie viel das ausmacht, ist aktuell unklar. Die Stadt teilte mit: „Bestätigt werden kann aber, dass wir im Milliarden-Euro-Bereich liegen.“

Warum gibt es das bislang noch nicht?

Gibt es, aber vereinfacht gesagt zu kurz gedacht und zu wenig übersichtlich. Bislang werkeln die verschiedenen Dezernate für sich, sie haben unterschiedliche Ansätze, wie sie die Kosten betrachten, zudem sind nicht alle Projekte erfasst. Und: Die Stadt hat zwar eine mittelfristige Finanzbetrachtung, wie es das NRW-Kommunalgesetz vorschreibt, um den Haushalt für die nächsten Jahre planen zu können.

Die Vorausschau betrachtet aber nur drei Jahre – und ist damit zu kurz. Einzelne Projekte wie etwa der Neubau des Jüdischen Museums („MiQua“) oder die Bühnensanierung werden schon jetzt dem Stadtrat und auch der Öffentlichkeit über Berichte präsentiert. Darin sind über ein Ampelsystem Kosten und Risiken bewertet.

Was sagt Kämmerin Dörte Diemert dazu?

„Um die Projekte und die finanziellen Ressourcen besser steuern zu können, benötigen wir einen zentralen Gesamtüberblick über unsere Großprojekte. Ein gutes und möglichst umfassendes Finanzcontrolling ist daher zwingend erforderlich und deswegen führen wir es jetzt ein.“

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Wie machen es andere Städte?

Unterschiedlich. Düsseldorf hat seit 1991 eine Stabsstelle in der Kämmerei, Münster hat kein zentrales Bauinvestitionscontrolling. Dort steuert das Amt für Immobilienmanagement die Kosten. In Bonn gibt es Berichte für alle Bauprojekte über zwei Millionen Euro. Ein Sprecher des Städte- und Gemeindebundes NRW sagte: „Grob vereinfacht kann man sagen, je größer die Gemeinde, desto eher gibt es auch eine Art eigenständiges Controlling in der Verwaltung.“

Wie schätzt ein Finanzexperte das ein?

René Geißler, bei der Bertelsmann-Stiftung für kommunale Finanzen zuständig, sagte auf Anfrage der Rundschau: „Der Schritt erscheint sinnvoll und folgerichtig. Projektmanagement bei Großinvestitionen ist anspruchsvoll. Tendenziell sind die Kommunen hier den Bauunternehmen unterlegen.“ Er glaubt, dass viele Großstädte so organisiert sind. „In dem Sinne überrascht es mich eher, dass eine Stadt wie Köln diesen Schritt erst jetzt geht.“