Impfzentrum KölnDas sind die Menschen hinter dem Piks
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Köln – Vom Sicherheitspersonal bis zum Arzt, der die Spritze setzt: Im Impfzentrum in der Kölnmesse kümmern sich an die 200 Mitarbeiter um die Patienten. Sabrina Steiger stellt fünf vor.
Mustafa Karadag, Immobilienmakler, Registrierung
„Hörens, isch will nur dat vom Türken“. Im breitesten Kölsch äußert der alte Herr mit eindeutig deutschem Namen seinen Wunsch. Mustafa Karadag, der hinter dem Schalter steht, stutzt erst, aber dann muss er schmunzeln: Der Mann meint Biontech, den von Ugur Sahin, einem Sohn türkischer Einwanderer, entwickelten Impfstoff. „Das fand ich witzig“, erinnert sich Karadag, dessen Eltern einst auch aus der Türkei eingewandert sind.
Mittlerweile sind die Eltern beide über 80, die Mutter ist pflegebedürftig und bettlägerig. Karadag, der eine kaufmännische Ausbildung hat, als Immobilienmakler arbeitete und jetzt auf dem Weg in die Selbstständigkeit ist, muss bei seinem Job im Impfzentrum oft an sie denken. Er weiß, wie schwierig es für viele alten Menschen ist, die erforderlichen Unterlagen ausgefüllt mitzubringen. „Sie haben zum Beispiel kein Internet oder keinen Drucker.“ Am Anfang hätten 70 bis 80 Prozent der Leute ohne die Formulare vor ihm gestanden. „Aber deshalb schicke ich keinen wieder nach Hause.“ Er druckt, was fehlt, und trägt zusammen mit dem Impfwilligen die Angaben ein. „Ich habe da Routine, das geht ruckzuck.“ Als selbstverständlichen Service will er seinen Einsatz allerdings nicht verstanden wissen – wenn möglich, sollen die Leute das schon zu Hause machen.
Zurück schickt er nur diejenigen, die keinen Termin vorweisen können: „Ohne Termin kommt keiner an mir vorbei!“ Und der muss vorher ausgemacht werden, online oder telefonisch. Doch es passieren Pannen. Zwei Systeme, eines von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und eines von der Stadt Köln, stehen für unterschiedliche Personengruppen zur Verfügung. Für die Telefon-Hotlines sind Callcenter beauftragt, deren Mitarbeiter schon mal Namen falsch verstehen oder Termine falsch übermitteln. „Aber wir geben uns hier an der Registrierung Mühe.“ Er sucht einen Namen in beiden Systemen und mit allen möglichen Schreibweisen. Meist wird er fündig. Wenn nicht, schickt er die betreffende Person zum „Trouble Desk“, dem Schalter für Problemfälle.
An seinem Job im Impfzentrum gefällt dem 38-Jährigen, dass er nach seiner Schicht von 7 bis 14 Uhr weiter an seiner Selbstständigkeit arbeiten kann. Aber auch etwas anderes ist ihm wichtig, und da muss er wieder an seine Eltern denken, die durch die Bekämpfung der Pandemie geschützt werden: „Ich weiß, wofür ich das hier mache.“
Tatjana Morozov, Medizinische Fachangestellte (MFA), Trouble Desk
Impfpässe, Personalausweise, Impfbescheinigungen – alles haben die Geimpften schon in der Kabine vergessen. Neulich blieben sogar ein iPad und das Portemonnaie liegen. Die Sachen kommen zu Tatjana Morozov und ihren Kollegen am Trouble Desk, bis ihre Besitzer sie wieder abholen.
Aber nicht nur Vergesslichkeit sorgt für Trouble, also Ärger. „Wir sind für die Probleme zuständig“, sagt die ausgebildete Medizinische Fachangestellte, die ihre Familienpause beendet hat, um in der Corona-Krise beim Gesundheitsamt anzufangen. Wenn die Kollegen an der Registrierung nicht mehr weiter wissen, schicken sie die Leute zum Trouble Desk: mit Terminbestätigungen, zu denen sich im Computer keine Anmeldung finden lässt, oder Arbeitgeberbescheinigungen für die Priorisierung, die nicht aussagekräftig sind. „Ein Brief, dass derjenige im Krankenhaus arbeitet, reicht nicht“, erklärt Tatjana Morozov.
„Es muss schon genau daraus hervorgehen, in welchem Bereich das ist.“ Wenn ihr jemand dumm kommt, ruft sie ihre Vorgesetzten. Werden die Kunden laut oder handgreiflich, muss auch schon mal der Sicherheitsdienst eingreifen. „Es eskaliert super selten“, sagt die 46-Jährige, aber sie beobachtet, dass der Druck steigt: „Alle wollen jetzt unbedingt geimpft werden.“
Doch meist sind die Leute freundlich. So wie heute Morgen das Ehepaar, beide über 80. Der Mann kam zum Impfen, die Frau hatte ihren Termin in zwei Tagen. Sie baten, dann nicht noch einmal anreisen zu müssen. „Da hat die Leitung erlaubt, die Frau heute mit zu impfen.“
„Genau 0,3 Milliliter und ohne Bläschen“, vor dieser Herausforderung steht Aydin Aygül, wenn er im Apothekenbereich den Impfstoff auf Spritzen zieht. Für sechs Stück braucht er fünf bis zehn Minuten. Wenn er ganz exakt arbeitet, bekommt er sogar eine siebte Dosis aus dem Vakzin, dem kleinen Gläschen mit dem Impfstoff: „Das braucht schon etwas Übung.“ 3,5 Stunden höchster Konzentration, steril gekleidet in Kittel, Handschuhe, Haarnetz und Maske, das ist eine Schicht; Aygül macht heute zwei. Es gibt Biontech und Moderna.
Der angelieferte mRNA-Impfstoff muss mit Kochsalzlösung aufbereitet werden, bevor er in die Spritzen kommt. Das geschieht in der Apotheke des Impfzentrums unter den „Laminar Air Flows“, großen Maschinen für steriles Arbeiten. Deshalb sind die Mitarbeiter überzeugt von der besonderen Qualität des Produktes, das sie herstellen. Auch Aydin Aygül. Er setzt seinen ganzen Stolz in die korrekt aufgezogenen Spritzen und notiert penibel die Uhrzeit, wenn er zum ersten Mal die Kanüle in ein Vakzin sticht. Hat er die sechs bis sieben Spritzen pro Vakzin aufgezogen, bringen Helfer von der Bundeswehr sie in einer Plastikbox zu den Impfkabinen. „Innerhalb von zwei Stunden sind die verimpft.“
Hauptberuflich arbeitet der Pharmazeutisch-Technische Angestellte in der Anno-Apotheke in Ostheim. Wenn die ihn mittwochs nachmittags und samstags nicht braucht, macht er Dienst im Impfzentrum. „Ich will an der Geschichte teilnehmen“, sagt der 39-Jährige. „Wenn ich alt bin, will ich meinen Enkelkindern erzählen können, was ich gegen die Pandemie getan habe.“
Jonathan Köllges, Medizinischer Fachangestellter (MFA), Impfkabine und Organisation
Manchmal brauchen die Menschen, um die sich Jonathan Köllges in der Impfkabine kümmert, eine besondere Betreuung. „Auch Menschen mit einer Nadelphobie wollen sich gegen Corona impfen lassen – und wir wollen ihnen gerne helfen“, sagt der 22-Jährige. Zum Glück hat er da so seine Tricks auf Lager: „Ablenkung ist wichtig.“ Er bittet die Patienten zum Beispiel, den anderen Arm, nicht den Impfarm, anzuspannen und mit der Hand eine Faust zu machen. Dann lässt er sich vom letzten Urlaub erzählen. In der Zeit hat der Arzt schon unbemerkt die Spritze gesetzt.
Nach seiner Ausbildung zum Medizinischen Fachangestellten (MFA) hat Jonathan Köllges bei einer Firma gearbeitet, die Impfstoffstudien erstellt. Die Erfahrung kommt ihm hier zugute. Und das nicht nur in der Kabine selbst, wenn er die Unterlagen der Impflinge prüft, Impfausweis und Anamnese für den Arzt bereit legt und schon mal die Einstichstelle am Arm desinfiziert. Mittlerweile organisiert er den Einsatz der MFA und ist neben der ärztlichen Leitung Ansprechpartner, wenn das medizinische Personal eine Frage hat. „Wo kommt der Chargenaufkleber hin?“, zum Beispiel. Köllges kann helfen. Irgendwann will er das auch als Arzt tun: Ende des Monats hat er sein Auswahlgespräch für einen Studienplatz in Medizin.
Dr. Jürgen Zastrow, Leitender Impfarzt
Rein in die Kabine, Spritze setzen, raus aus der Kabine – ganz so einfach ist die Aufgabe des Impfarztes nicht, wie Jürgen Zastrow erklärt. „Erst einmal prüfe ich die Unterlagen“, sagt er, „das dauert länger als die Impfung selbst.“ Hat der Patient Vorerkrankungen, liegen Allergien vor? Das wird in den Anamnesebögen abgefragt, die die Patienten ausgefüllt mitbringen müssen. Auch die Medizinischen Fachangestellten haben die Bögen schon durchgesehen, aber „verantwortlich ist letztendlich der Arzt“, und der darf nichts übersehen, was gegen die Impfung sprechen könnte.
„Haben Sie noch Fragen?“, sagt er dann, während die Patienten den Arm frei machen (links, wenn sie Rechtshänder sind, rechts bei Linkshändern). 95 Prozent der Menschen, die vor ihm auf dem Stuhl sitzen, haben keine. Nach der Spritze gibt er ihnen einige Verhaltensregeln mit auf den Weg: Sie sollen sich noch 15 Minuten in den Wartebereich setzen, bevor sie aufbrechen. Und wenn sie in den nächsten Tagen außergewöhnliche Beschwerden bekommen, gleich zum Arzt gehen. Grippeähnliche Symptome, die so genannte Zwei-Tages-Grippe, seien normal. „Die kann es bei jedem Impfstoff, egal wogegen, geben.“ Und alles andere, starke Kopfschmerzen oder dicke Beine etwa, „kann behandelt werden“.
Jürgen Zastrow, HNO-Arzt mit Praxis in Riehl, hat als Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Köln das Impfzentrum mit aufgebaut und ist Leitender Impfarzt. Die organisatorische Leitung haben Daniel Heu und Sebastian Brandt von der Berufsfeuerwehr. Die KV stellt das medizinische Personal, die Apothekenkammer das der Apotheke. Die Kölnmesse übernimmt Einlasskontrolle und Sicherheitsdienst, Personal vom Gesundheitsamt kümmert sich um viel Organisatorisches. Soldaten und zivile Angestellte der Bundeswehr helfen ebenso wie Sanitäter und Rettungsdienste.