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BUND KölnUmweltschützer wittern einen Skandal beim Abriss des Justizzentrums

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Professor Thomas Scheidler, Jörg Frank und BUND-Köln-Vorstand Helmut Röscheisen vor dem Justizzentrum in Köln.

Professor Thomas Scheidler, Jörg Frank und BUND-Köln-Vorstand Helmut Röscheisen vor dem Justizzentrum in Köln.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland hat bei seinem Kampf gegen den Abriss des Justizzentrums in Köln einen Teilerfolg errungen. So sei das 23-stöckige Hochhaus entgegen der bisherigen Annahmen doch sanierungsfähig.

Druck aus der Öffentlichkeit kann viel bewegen, aber kann er auch einen Abriss eines Hochhauses verhindern? Geht es nach Dr. Helmut Röscheisen, lautet die Antwort: ja. Der Vorstand der Kreisgruppe Köln des BUND kämpft weiterhin gegen den geplanten Abriss des Justizzentrums an der Luxemburger Straße. Einen ersten Erfolg hat er nun vorzuweisen: Denn eine Stellungnahme des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB) erklärt, dass der 23-stöckige Justizbau von 1981 sanierungsfähig sein soll.

Bisher war immer nur die Rede von Abriss und Neubau, auch bei dem Architektenwettbewerb gab es keine andere Option. Im Oktober vergangenen Jahres hatte der BLB den Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs vorgestellt, mit einer Überraschung: Statt eines Hochhauses sollten die Gerichtssäle, Verhandlungsräume und Gebäude für die Staatsanwaltschaft auf mehrere, fünf bis sechs Stockwerke hohe Neubauten verteilt werden. Die zweite Stufe, der hochbauliche Wettbewerb, soll laut BLB im Herbst dieses Jahres starten.

Gegenüberstellung von Sanierung und Neubau

Röscheisen und seine Mitstreiter Thomas Scheidler, Architekt und ehemaliger Professor der TH Aachen, und Jörg Frank, langjähriger Grünen-Kommunalpolitiker mit Expertise im Bereich Liegenschaften und Stadtentwicklung, fordern jedoch einen ganz anderen Weg. „Eine Kurskorrektur ist erforderlich“, erklärt Röscheisen.

Das Trio fordert eine genaue Gegenüberstellung zwischen Neubau und Kernsanierung des Bestandsgebäudes, was Kosten, aber auch was den Energieeinsatz angeht. Anhand dieses Vergleichs hofft der Kölner BUND, dass die Bevölkerung die Sache wahrnimmt und der öffentliche Druck wächst. „Dann werden wir sehen, was passiert“, so der Vorstand.

Architekt Scheidler schätzt die Kosten von Neubau und Sanierung ungefähr gleich hoch ein, zumindest was den Faktor Geld angeht. Denn beim Thema Nachhaltigkeit könnte eine Sanierung rund 50 Prozent der grauen Energie gegenüber eines Neubaus einsparen. Das ist die Energie, die bei der Herstellung und dem Transport von Baumaterialien nötig ist.

Obwohl die uneingeschränkte Sanierungsfähigkeit des Hochhauses gutachterlich bestätigt war, wurde seitens des Auslobers die Neubauvariante für den anschließenden Wettbewerb zwingend vorgeschrieben. Das entsprechende Gutachten blieb unter Verschluss.
Kritik von Thomas Scheidler, Architekt

Vor rund einem halben Jahr war Röscheisen schon einmal vor die Medien getreten, um zu verkünden, dass er über den Klageweg Einsicht in ein Protokoll eines Workshops zur Neuplanung des Justizzentrums verlangt. Das Umweltinformationsgesetz macht das möglich. Diese Einsicht hat er noch nicht erlangt, doch der BLB scheint mit der Preisgabe der Stellungnahme – die auf andere, nicht vorliegende Gutachten verweist – auf die Umweltschützer zugehen zu wollen. Helmut Röscheisen vermutet, dass der Landesbetrieb Angst davor habe, das Verfahren neu aufrollen zu müssen.

„Obwohl die uneingeschränkte Sanierungsfähigkeit des Hochhauses gutachterlich bestätigt war, wurde seitens des Auslobers die Neubauvariante für den anschließenden Wettbewerb zwingend vorgeschrieben. Das entsprechende Gutachten blieb unter Verschluss“, kritisiert Architekt Scheidler. Deswegen habe nur eines von elf Planungsteams den Erhalt des Hochhauses vorgeschlagen. Jörg Frank wirft dem BLB vor: „Den Teilnehmenden des Wettbewerbs und dem Stadtentwicklungsausschuss wurde die Möglichkeit der kompletten Sanierung des Bestandsgebäudes vorenthalten.“

Das Trio befürchtet, dass der Bauherr, also das Justizministerium NRW, aber auch der Rat der Stadt Köln und Teilnehmer des Wettbewerbs die Gutachten, die die grundsätzliche Sanierbarkeit des Gebäudes bescheinigen, niemals gesehen haben könnten. Denn Benjamin Limbach, Minister der Justiz des Landes, ist erst seit dem 29. Juni 2022 im Amt. Scheidler nennt das einen Skandal und eine „schiere Absurdität“.

Laut Frank könnten Landesregierung und auch die Kommunalpolitik noch eingreifen. Laut Röscheisen wäre es – wenn es denn so käme – das erste große öffentliche Bauwerk des Landes, dass aufgrund von bürgerlichem Engagement nicht abgerissen werden würde. Es ist das größte Justizgebäude des Landes NRW.