Kölner Pfarrer Markus Herzberg„Für Yoga brauche ich keine Kirche“
Köln – Modern, schick, lichtdurchflutet, mit Leselounge und Kaffeevollautomaten. Die Räume lassen eher an eine hippe Agentur denken, als an ein Gemeindebüro. „Es sollte auf den ersten Blick mal nicht so aussehen wie Kirche vor 20 Jahren“, sagt Pfarrer Markus Herzberg von der evangelischen AntoniterCityKirche.
Im Innenhof des benachbarten und neu gebauten AntoniterQuartiers ziehen gerade Cafés ein. Nicht mehr lange, dann werden sie zum Eintreten einladen. Eintreten statt Austreten: Ein ungewohntes Gefühl für die Kirche, die seit Jahren einen nicht versiegen wollenden Strom an Mitgliedern verliert - egal ob evangelisch oder katholisch.
Auch, wenn die Flaneure, die mal Pause machen wollen vom Shoppen auf der Schildergasse, natürlich keinen Einfluss auf den Trend haben. Dem Trend unterliegt auch die Gemeinde der Antoniterkirche. Und dennoch ist es dort anders. Anders als in vielen anderen Gemeinden.
Besucherzahlen bei Gottesdiensten konstant hoch
Einmal im Monat tagt das Presbyterium der Antoniter-Gemeinde. „Zu jeder Sitzung gibt es eine Liste mit Namen“, sagt Herzberg. Die Austritte. Mal ist sie länger, mal ist sie kürzer. So geht es seit Jahren. Was soll also da bitte anders sein in der Antoniterkirche? „Wir merken in unseren Gottesdiensten die Austritte nicht“, sagt der evangelische Geistliche. Die Zahl der Besucher liege konstant hoch bei 100 im Schnitt.
Nicht, das Herzberg dadurch die Austritte gleichgültig wären. Jeder einzelne schmerzt. Aber an den Zahlen für Gottesdienstbesuche und Austritte liest er eine Entwicklung ab. „Ich habe hier Gottesdienstbesucher aus Braunsfeld, aus Schildgen“, berichtet der Pfarrer. Sie würden den Weg zur Antoniter-Kirche antreten, weil sie hier etwas fänden, das sie anspricht, nicht zuletzt das lutherische Profil. „Die Kirche der Zukunft steht nicht mehr in der Mitte der eigenen Heimat, sie ist die geistige Heimat, zu der man sich auf den Weg macht“, ist sich der Geistliche sicher.
Frohe Botschaft als Alleinstellungsmerkmal
Also ein Angebots-Kirche? Im Prinzip ja, wobei Herzberg das Angebot scharf umrissen wissen will. „Für Yoga brauche ich keine Kirche. Klar, das muss es auch geben, aber unser Alleinstellungsmerkmal ist die Frohe Botschaft. Das ist unser Kern, um den wir uns kümmern müssen.“ Und der Gottesdienst sei so etwas wie das Silbertablett, auf dem dieser Kern serviert wird.
Aber die Gottesdienste sind vielerorts kaum besucht und die Yogakurse voll. Vielleicht, weil Yogakurse hip wirken und Gottesdienste altbacken? Das will Herzberg gar nicht rundweg abstreiten und geht da mit seiner Kirche durchaus ins Gericht: „Wie sprechen wir eigentlich? Die Bibel ist ein Bilderbuch und wir müssen diese Bilder in unsere Zeit übersetzten.“
Erinnerungen ans Studium
Das falle manchmal ausgerechnet Theologen schwer. Herzberg erinnert sich an sein Studium. Er solle mal verständlich erklären, was Sünde eigentlich bedeute, lautete die Aufgabe. „Da habe ich als junger Theologe etwas daher gestammelt von Erbsünde und so weiter.“ Bis der Professor dazwischenfuhr: „Mann, Sünde ist, wenn du meinst dir scheint permanent die Sonne aus dem Arsch.“ Lutherisch-deftig. „Aber das verstehen die Menschen und dann kommen sie auch. Und nicht, wenn vom Blatt abgelesen wird.“
Aber muss die evangelischen Kirche nicht noch härter mit sich ins Gericht gehen? Von der katholischen Kirche wenden sich Mitglieder vermehrt mit der Kritik an Zölibat, dem Frauenbild und dem kirchlichen Demokratieverständnis ab. Doch besonders im Bistum Köln wird von der Leitung gerne das Argument ins Feld geführt: Ginge es wirklich darum, müssten den Evangelischen ja die Türen eingerannt werden.
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„Das ist nicht vergleichbar, und die, die dieses Argument benutzen, wissen das meist auch“, sagt Herzberg. Die Bindung der evangelischen Christen zu ihrer Kirche sei traditionell lockerer. „Wir haben einen anderen Freiheitsbegriff und glauben nicht, Jesus ist nur in der Kirche zu finden.“ Dazu komme, es gebe mancherorts eine Mangel an Spiritualität in der evangelischen Kirche, die nicht immer im richtigen Verhältnis zum gesellschaftspolitischen Engagement gelebt werde.
Das stoße gerade katholische Christen ab. „Kirche darf nicht politischer sein, als sie fromm ist“, zitiert Herzberg. Er gibt zu bedenken: „Die Menschen schreien nach Spiritualität.“ Auch nach christlicher, wie in Asien oder Amerika zu sehen sei. Um das aufzufangen, müsse nicht alles auf den Kopf gestellt werden. „Wir brauchen nicht alles aufgeben was traditionell ist, wir müssen die Bibel nicht umschreiben. Kirche darf Patina haben.“