Laut Haushaltsplanentwurf kommen 83 Millionen Euro weniger vom Land. Streichungen sind auch in Köln zu erwarten. Wir geben einen Überblick.
HaushaltsplanentwurfSoziale Träger in Köln fürchten massive Kürzungen
Sowohl Bund als auch Land haben gravierende Einschnitte im Sozialen angekündigt, allein im Haushaltsplanentwurf NRW sind 83 Millionen Euro weniger für die Arbeitsfelder Sozialer Träger ausgewiesen. Der Kölner Sozialdezernent Harald Rau tituliert die anstehenden Kürzungen der kommunalen Mittel für 2025 bereits seit Monaten mit „Es wird furchtbar.“
Von den Landeskürzungen am massivsten betroffen ist die Soziale Unterstützungsstruktur mit 26 Millionen Euro sowie Beratung und andere Integrationshilfen für Geflüchtete (minus 22,3 Millionen Euro). Bislang sind die Bundes- und Landeshaushalte nicht beschlossen. Auch das Defizit der Stadt Köln steigt, der Haushalt mit zu erwartenden Kürzungen wird erstmals am 14. November im Rat diskutiert. Die Rundschau zeigt auf, welchen Folgen die Kürzungen haben könnten.
Familien, Senioren, Kinder und Jugendliche
Jeweils zwei Drittel der Landesmittel für die Kooperation von Familienzentren mit Familienbildungswerken sowie für die Ermäßigung von Teilnahmegebühren sollen gestrichen werden. Doch diese Kooperation entlaste die 23 Kitas der Arbeiterwohlfahrt Köln sehr, sagt Laura Kruszczak, Fachbereichsleitung Kitas. „Schon jetzt ist das Angebot an Familienberatungen sehr begrenzt und der Bedarf sehr hoch.“ Familienbildungsstätten sind Träger der Jugendhilfe. Sie beraten das Personal der Kitas und machen Angebote in benachteiligten Vierteln.
Als widersinnig kritisiert Kruszczak auch die Kürzungen des Bundes bei den Freiwilligendiensten: „Wir haben großen Personalmangel. Noch dazu ist der Dienst für junge Menschen eine große Chance, den Beruf kennen zu lernen und sich dafür zu entscheiden.“ Freiwillige werden auch in der Demenz- und Alltagsbegleitung von Senioren, etwa in der Tagespflege, eingesetzt.
Prävention und soziale Unterstützungsstruktur
Ganz gestrichen werden soll die „Vermittlung in gemeinnützige Arbeit“. Hier ist der Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) Ansprechpartner für Menschen, die ihre Geldstrafe für Bagatelldelikt nicht zahlen können und eine Ersatzhaftstrafe verbüßen müssen. Auf Antrag können sie statdessen soziale Arbeit leisten, die teils wohnungslosen oder psychisch kranken Betroffenen benötigen dabei Unterstützung. Doch die rechnet sich. „Ein Tag in Haft kostet etwa 160 Euro. Seit 2019 haben wir 11 744 Haft-Tage vermieden und der Justizkasse 2,1 Millionen Euro Ausgaben erspart. Bei einem Förderbetrag für unsere Arbeit von 235 000 Euro“, sagt Jens Rösgens stellvertretender SKM-Vorstandssprecher. Die Folgekosten längerer Ersatzhaftstrafen für die Kommune kämen noch dazu, etwa durch den Verlust der Arbeit oder Wohnung.
Auch die Beratung und psychosoziale Betreuung des SKM in der Justizvollzugsanstalt soll um 46 000 Euro gekürzt werden; hier wird versucht, mit den Betroffenen erste Schritte zur Verbesserung ihrer krisenhaften Lebensituation zu initiieren und eine Anbindung an Hilfeinrichtungen herzustellen. Bei Angeboten in der Gesundheits- und Suchthilfe sollen 71 000 Euro wegfallen. „Prävention zeitigt keine sofortige Wirkung. Aber wenn sie fehlt, hat das massive Folgen. Die werden auch im Stadtbild nicht zu übersehen sein“, warnt Rösgens. Um 62 Prozent gekürzt werden sollen auch die Mittel der die Fachberatung Schuldnerberatung; sie unterstützt soziale Dienste, die vulnerablen Gruppen Hilfsangebote machen.
Integrationshilfen und Beratung für Geflüchtete
„Mit den Beratungen der geflüchteten Menschen beginnt ihr Weg in die Gesellschaft. Deshalb ist es verheerend, wenn zwei von drei Beratungen für sie wegfallen“, sagt Annette de Fallois von der Diakonie Köln. Doch dafür sieht das Land für 2025 statt 35 Millionen jetzt nur 13 Millionen Euro vor — ein Minus von fast zwei Dritteln. Auch für Tim Westerholt, Leiter des Bereichs Integration bei der Caritas, ist das „katastrophal und widersinnig“.
Vollständig wegfallen soll die Beratung alleinreisender minderjährige Geflüchteter bei der Caritas; sie ist zu 100 Prozent landesfinanziert. „Gerade jugendliche Geflüchtete kennzeichnet ein großer Hilfebedarf, aber ebenso großes Potenzial. Mit unserer Beratung finden sie schnelle Wege in Ausbildung, Studium und Beruf“, so Westerholt. Keine Mittel gibt es auch für die Beratung in der Erstaufnahmeeinrichtung Schönhauser Straße. Hier erfahren neu angekommene Flüchtlinge, welcher Weg für das ihnen zustehende Asylverfahren vorgesehen ist. An junge Menschen mit und ohne Fluchtgeschichte richtet sich das Projekt Brückenbauer, in dem Workshops mit Jugendlichen durchgeführt und Lehrkräften Schulungen angeboten werden, zum Beispiel zum Umgang mit traumatisierten Jugendlichen. Etwa an der Tages- und Abendschule (TAS), einer von 30 teilnehmenden Kölner Schulen. Hier machen Geflüchtete in den Kursen 40 Prozent aus. „Die Unterstützung durch das Projekt des Kölner Flüchtlingsrats ist für uns sehr wertvoll“, so Schulleiterin Stefanie Göllner.
Auch an der Heinrich-Böll-Gesamtschule Chorweiler sei sie vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Lage nicht mehr wegzudenken, so Stufenleiter Benjamin Aragosa. Der Flüchtlingsrat befürchtet auch hier massive Kürzungen, ebenso wie die „Lobby für Mädchen“, ein Träger der Jugendhilfe, dessen Mitarbeiterinnen Mädchen und junge Frauen in Geflüchtetenunterkünften beraten; hier stünden Kürzungen von 50 bis 70 Prozent in Rede, so Geschäftsführerin Ulrike Goldbach.
Soziale Träger verlieren schon jetzt Mitarbeitende
Erst Mitte November — sechs Wochen vor Jahresende – werden die geplanten Kürzungen im Kölner Rat kommuniziert. Die Verträge für die vom Land finanzierten Arbeitsplätze beim Flüchtlingsrat laufen Ende 2024 aus. Der Kölner Flüchtlingsrat ist seit Jahrzehnten Kooperationspartner der Stadt, er führt Rechts- und Sozialberatungen durch, unterstützt fachlich das freiwillige Engagement für Geflüchtete im „Forum für Willkommenskultur“, führt seit Jahren das Brückenbauer-Projekt durch und ist Träger des Zentrums Fliehkraft, das in vielfältiger Weise Integrationsprozesse fördert.
„Zwei Drittel unserer 52 Mitarbeitenden müssen sich zum Jahresende arbeitslos melden — das sind 34 Menschen. Einige haben sich schon jetzt für andere Arbeitsplätze entschieden, weil sie überhaupt nicht wissen, wie es weitergeht“, sagt Sprecher Claus Ulrich Prölß. Die sozialen Träger würden vollkommen alleingelassen, was die Planung ihrer künftigen Beratungs- und Integrationsangebote und die Beschäftigung ihrer Mitarbeitenden angehe, kritisiert Prölß. „Was über Jahre aufgebaut wurde, wird kaputt gemacht. Das ist ein Kahlschlag der Flüchtlingssozialarbeit.“