Besondere Stadtführung in KölnWenn es Nacht wird auf Melaten – Auge in Auge mit dem Sensenmann

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Der Sensenmann auf Melaten.

Der Sensenmann auf Melaten.

Mit über 55.000 Gräbern ist Melaten der größte Kölner Friedhof. Viele Prominente habe hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Nachts gibt es noch viel mehr zu entdecken.

Um 22 Uhr, wenn der Melaten-Friedhof seit fünf Stunden geschlossen ist und die Nacht bereits heran bricht, geht es los. Wenige Meter vom Eingang an der Piusstraße entfernt,  führt der Weg auf die berühmte Ost-West-Achse des Friedhofs, auf die „Millionenallee“. Unter den hohen Bäumen verstummt der Großstadt-Lärm mit jedem Schritt ein bisschen mehr. Noch einige Meter weiter und das letzte Rauschen ist komplett verschwunden. Nun herrscht Stille. Totenstille. Doch irgendwo dahinten, in der Ruhe der Nacht, kommen neue Geräusche zum Vorschein. Ein Knacken von links. Ein Rascheln von rechts. Zwischen all dem Tod erwacht der Friedhof zum Leben. Doch es sind nicht die prominenten Bewohner, die hier als Geister ihr Unwesen treiben, sondern die tierischen Mitbewohner.

„Nachts auf Melaten“, heißt die Führung, die Kunsthistorikerin Asja Bölke und Naturexpertin Susanne Roer kürzlich ins Leben gerufen haben und damit ein ganz neues Licht auf den bekanntesten Kölner Friedhof werfen wollen. Die beiden vermitteln zum einen Wissen über die Kölner Stadtgeschichte, die sich in vielen Anekdoten und auch direkt an den Gräbern widerspiegeln. Ein Schwerpunkt der Tour ist aber die Tierwelt auf Melaten. 

Melaten in Köln: Große Grünflächen, viele Tiere

Die braune Langohr-Fledermaus, kleine Augen, große Ohren, die Tourführerin und Fledermausspezialistin Susanne Roer den Besuchern aus nächster Nähe zeigt, ist eine von drei auf dem Melaten-Friedhof heimisch gewordenen Fledermausarten. Einquartiert haben sie sich auf der historischen Ruhestätte in Gruften und Mausoleen. Besonders wohl fühlen sie sich in Spalten und schwer zugänglichen Ecken. Zu finden sind sie aber auch kopfüber an Bäumen. „Der Friedhof ist für Fledermäuse und andere Tiere vor allem durch die Größe der Grünflächen und den dort lebenden Insekten und Kleintieren so attraktiv“, sagt Roer. Neben den fliegenden Säugetieren gibt es auch Füchse, Hasen oder Eulen. Und dann sind da noch die Glühwürmchen, die an allen Ecken Licht auf den dunklen Friedhof bringen.

Susanne Roer zeigt den Teilnehmenden eine Fledermaus.

Susanne Roer zeigt den Teilnehmenden eine Fledermaus.

Der Sensenmann wacht über den Gräbern und Gruften

Die Statuen verraten dabei auch viel über die religiösen Bezüge der Menschen und deren Vorstellungen vom Tod. „Neben christlichen Engeln finden sich auch antike Ausführungen von Engeln, die die Menschen ins Jenseits begleiten sollen“, sagt Bölke. Die Art und Weise, wie die Menschen über den Tod denken, hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert. Die Bestattungskultur und der Totenkult von damals ist nicht mehr die Bestattungskultur von heute.

Da wäre das Grab eines Gruftie-Laden-Besitzers, das mit Plastikgegenständen und Ballons geschmückt ist und völlig deplatziert wirkt, wenn man an die prunkvollen Familiengruften Kölner Großbürger denkt. „Doch auch dieses Grab ist Teil von Melaten und steht stellvertretend dafür, dass der Friedhof ein Friedhof für alle Kölner ist“, sagt Bölke. Der Trend der letzten Jahre spricht aber nicht nur gegen die Mausoleen und Gruften, sondern auch gegen die einfachen Gräber wie das des Ladenbesitzers. Die Friedhofs-Führerin erklärt:„ Der Trend geht weg von großen Familiengräbern mit aufwendigen Statuen und Engeln und hin zu Urnen und eher schmucklosen Gräbern.“

Viel zu entdecken: Die Kunsthistorikerin Asja Bölke und die Fledermausspezialistin Susanne Roer erläutern Gräber und Tieren in der Stadt.

Viel zu entdecken: Die Kunsthistorikerin Asja Bölke und die Fledermausspezialistin Susanne Roer erläutern Gräber und Tieren in der Stadt.

Und auch abseits der Gräber verändert sich der Friedhof. Auch, was seine Rolle als natürlicher Lebensraum für Tiere angeht. Auch für die kleinen Fledermäuse könnte es in der Zukunft eng werden, weiß Susanne Roer: „Ich werde ständig angerufen, weil ausgehungerte und verwirrte Fledermäuse gefunden werden. Durch die klimatischen Veränderungen und dem Wegfall vieler Insekten und Kleintiere ist die Nahrungskette einfach immer mehr ausgedünnt.“

Krasse Gegensätze: Das Gruftie-Grab.

Krasse Gegensätze: Das Gruftie-Grab.

Je näher sich die Schritte den Eingangstoren an der Piusstraße nähern, desto mehr rücken die Geschichten rund um Kölns berühmten Friedhof wieder in den Hintergrund. Und doch wird so mancher Tour-Teilnehmer die Ruhestätte beim nächsten Besuch mit anderen Augen betrachten. Der Lärm der Straßen tritt wieder hervor und die Tour ist zu Ende. Willkommen zurück in der Großstadt.

Das nächste Mal geht es für Asja Bölke und Susanne Roer am 19. Juli. über den Friedhof. Die Tour ist bereits ausverkauft. Neue Termine sind noch nicht geplant.