„Sie haben ihren Rollator beim Zumba vertauscht“ ist die Fortsetzung von Bullatscheks Debütroman. Profitgier bedroht im neuen Band ihren geliebten Arbeitsplatz.
Neuer Comedy-RomanPflegerin Sybille Bullatschek ist mit Abenteuern aus dem Seniorenheim zurück
Wer bereits den ersten Band, „Sie haben Ihr Gebiss auf der Hüpfburg verloren“ gelesen hat, blieb mit der brennenden Frage zurück, was denn, bitteschön, in der geheimnisvollen Tasche von Herrn Bellis war. Die spektakuläre Antwort gibt es gleich zu Beginn des neuen „Sybille Bullatschek“-Romans, ist aber im Moment gar nicht das größte Problem der Pflegerin.
Und schon ist man mittendrin im Bullatschek-Universum heißt: im „Haus Sonnenuntergang“, dem Altenheim in der fiktiven schwäbischen Kleinstadt Pfleidelsheim. Dort trifft man auf Sybille, ihre Lieblingskolleginnen Evelyn und Ute, sowie den unausstehlichen Chef Rüdiger Otterle, der es als Betriebswirt eher mit Zahlen als mit Menschen hat. Und natürlich auf die liebevoll „Senioren“, „Senioras“ (über 80 Jahre) und „Senioritas“ (unter 80) genannten Bewohner. Wie Herr Bellis, der gerne mal ausbüxt und auch schon mal von der Polizei zurückgebracht wurde mit besagter Tasche. Oder der von Personal und Mitbewohnern gleichermaßen gefürchtete, stets schlecht gelaunte ehemalige Hobby-Schütze Herr Seifert.
Hinter der schwäbelnden „Pflägerin“ Sybille Bullatschek steckt die Autorin und Comedienne Ramona Schukraft. Bevor sie die Bühnenfigur erfand, trat sie unter eigenem Namen als Stand-up-Comedienne auf und textete für Kollegen sowie für Radio- und Fernsehformate. Auf der Bühne steht sie als Sybille bereits seit rund 15 Jahren, der erste Roman erschien Anfang 2023.
Innerhalb der gängigen Genres sind die Bücher am ehesten als Comedy-Romane einzuordnen. Neulinge im „Bullatschek-Universum“ könnten sich da im ersten Moment irritiert fragen, ob man denn über Themen wie den Pflegenotstand Witze machen darf. Doch genau das ist Schukrafts Stärke: Lachen ist ausdrücklich erwünscht, aber man lacht mit den handelnden Personen und nicht über sie. Und so gelingt es ihr, auch Missstände so zu verpacken, dass sie nachdrücklicher im Gedächtnis bleiben als jeder wissenschaftliche Fachartikel.
In „Sie haben Ihren Rollator beim Zumba vertauscht“ wollen Sybille und ihre Kolleginnen verhindern, dass ihr geliebtes „Haus Sonnenuntergang“ von einem Großunternehmen geschluckt und zu einer teuren Luxusresidenz umgebaut wird. Die Methoden, die sie dabei anwenden, sind unkonventionell, oft zum Brüllen komisch - und am Ende löst sich das Problem ohnehin auf eine Weise, mit der niemand gerechnet hätte.
Autorin mit „Pflege-Oscar“ ausgezeichnet
Dennoch lässt die Autorin keinen Zweifel daran, dass das Thema Wirtschaftlichkeit gegen Menschlichkeit im Pflegesektor stets präsent und eigentlich überhaupt nicht lustig ist. Außerdem gibt es zwischen all den komischen Situationen beim Lesen immer wieder Momente, die zum Innehalten zwingen. Etwa, wenn Sybille, entgegen der Dienstanweisung, nach Schichtende nicht nach Hause fährt, sondern sich ins Zimmer einer sterbenden alten Dame schleicht, deren Angehörige sich nicht in der Lage sahen, in diesem Moment bei ihr zu sein.
Bester Beweis für die respektvolle und trotz aller Komik authentische Darstellung ist aber die Akzeptanz, die Schukraft, beziehungsweise Bullatschek, in der Pflegebranche erfährt. So tritt sie neben Kleinkunstbühnen auch oft in Heimen oder auf Fachveranstaltungen auf. Außerdem erhielt sie bereits zweimal den „Pflege-Oscar“ einer privaten Initiative, die sich für mehr Anerkennung in sozialen Berufen einsetzt. Auch die Bücher laufen gut: Gerade erst unterschrieb sie den Vertrag für drei weitere Bullatschek-Bände.
Sybille Bullatschek: Sie haben Ihren Rollator beim Zumba vertauscht, Roman, erschienen bei Harper Collins, Taschenbuch, 320 Seiten, 12 Euro.