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Gefährlicher Trend auf Kölns PartymeilenWenn Lachgas und Cannabis zusammenkommen

Lesezeit 4 Minuten

Lachgas ist weiterhin auf dem Vormarsch

Lachgas ist schon länger ein Thema in der Partyszene. Mit der Legalisierung von Cannabis hat sich die Lage aber verändert: Die Partydrogen werden kombiniert und verstärken ihre Wirkung.

Es gab vor allem einen Umstand, den Lachgas zu der Partydroge auf Kölns Feiermeilen machte: Es ist nicht illegal. Das Gas, das eigentlich zum Aufschäumen von Sahne produziert wird, kann frei gekauft und offen konsumiert werden. Der schnelle Kick aus der Kartusche. Ist diese „Erfolgsgeschichte“ nach der Cannabis-Legalisierung nun Geschichte? Wofür noch zum Lachgas greifen, wenn der Joint nicht mehr versteckt werden muss? Nein, es ist schlimmer. Experten beobachten auch in Köln: Der eine Kick läuft dem anderen nicht den Rang ab. Vielmehr kommt es nun zum Mischkonsum.

Kölns Partymeilen: Deutliche Spuren

Ein Gang über die Ringe in den Abendstunden: Der Geruch von Cannabis liegt in der Luft. Seit April, dem Startschuss der Legalisierung, ist diese Dunstwolke noch dicker geworden als sie eh schon war. Doch dort, wo der markante Geruch der Joints in diese Nase steigt, liegen weiterhin Luftballonreste und leere Gaskartuschen herum – die Überreste des Lachgaskonsums. Es ist offensichtlich, die beiden Substanzen werden nicht selten zusammen konsumiert. Laut Jugendsuchtberatung der Drogenhilfe Köln: Eine riskante Gradwanderung, die schwerwiegenden Folgen haben kann.

Lachgas in Köln: Parkhaus voller Kartuschen

Besorgniserregend dabei ist, dass der Lachgaskonsum anscheinend noch nicht einmal abgenommen hat. In einem Parkhaus an den Ringen nach einem Feierwochenende: Die Treppe ist übersäht mit gebrauchten Luftballons und deren Verpackungen. Am Fuße der Treppe liegen unzählige Kartuschen wild übereinander. Die Organisationen K.R.A.K.E, die Müll am Rheinufer einsammelt, hat große Kartuschen und Luftballonreste in letzter Zeit ebenfalls immer häufiger aufgesammelt. Das sei besonders für Kinder eine Gefahr, die sich ihnen unwissend nähern.

Auf der Alfred-Schüttee-Allee: Spuren vom Wochenende.

Die Polizei Köln führt keine Statistiken, da Lachgas bislang noch nicht als Betäubungsmittel eingestuft ist. Doch die Beamten haben eine Zunahme von Taten in Zusammenhang mit Lachgas festgehalten. Die Polizei Köln teilt auf Anfrage der Rundschau mit, dass es 2022 deshalb 20 Einsätze gegeben habe. Vergangenes Jahr waren es schon 110. Und in diesem Jahr haben sie bis Ende Juli 120 festgestellt. Beispiele dafür: Ein lachgasinhalierender Jugendlicher erhielt nach Belästigung eine Anzeige wegen falscher Namensangabe. In weiteren Fällen beleidigten Personen andere oder leisteten Widerstand im Rahmen von Kontrollen, nachdem sie Lachgas konsumiert hatten.

In Kölns Kiosks: Immer größere Lachgaskartuschen

Ein auffälliges Anzeichen für einen zunehmenden Lachgasmarkt: Die Flaschen werden immer größer. Angefangen hat es mit kleinen silbernen Kartuschen, ebenso, wie man sie vom Sahneaufschäumen kennt. Doch die kleinen Kapseln sind unpraktisch, weil man sie nur mit speziellem Werkzeug öffnen kann. Mittlerweile kann man Lachgas ganz einfach im Internet in zwei Kilogramm Flaschen bestellen. Die schwarzen Luftballons werden direkt mitgeliefert. Dazu können noch Düsen mit verschiedenen Geschmacksrichtungen gekauft werden, die sich explizit an Jugendliche richten: Erdbeere, Kokos oder Mango.

Alarmzeichen, die auch bei der auch bei der Jugendsuchtberatung Köln erkannt werden, wie der Leiter und Sozialpädagoge Felix Strobach berichtet. „In letzter Zeit kommen immer häufiger junge Menschen eigentlich wegen anderer Drogen zu uns, die gleichzeitig aber Lachgas konsumieren. Dabei ist der Mischkonsum noch riskanter als der Einzelkonsum“, berichtet er. Die Konsumentinnen und Konsumenten möchten den Rausch intensivieren. Doch die verschiedenen Substanzen führten in Kombination zu Wechselwirkungen. Unerwünschte Nebeneffekte träten auf. Sowohl Cannabis als auch Lachgas senken den Blutdruck. Das erhöht das Risiko für Bewusstlosigkeit. Außerdem kann Mischkonsum schneller zu Überdosierungen und Nervenschäden führen.

Eine toxische Kombi: Wenn Lachgas und Cannabis konsumiert werden.

Soziale Medien spielen für Jugendliche eine wichtige Rolle. „Darüber wird der Konsum angefacht und angepriesen“, sagt Strobach. Ähnliches gelte für Peer-Groups, also die sozialen Gruppen, in denen sich Jugendliche bewegen. „Die Haltung der Gruppe zum Konsum hat Einfluss auf den eigenen“, führt der Sozialpädagoge weiter aus. Aufforderungen zum gemeinsamen Konsum und Gruppenzwang kämen häufig vor. Lachgas hat sogenannte psychotrope Eigenschaften. Der Konsum kann zu Sinneserweiterungen führen und die Wahrnehmung intensivieren. Gleichzeitig ist es ein sehr kurzer Rausch, der nur wenige Sekunden bis Minuten anhält. Laut Strobach ein Grund, warum Lachgas in großen Mengen konsumiert werde. „Der Rausch kann auch zu Störungen führen“, berichtet der Sozialpädagoge. Viele Verletzungen passierten aufgrund von kurzfristigen Orientierungs- und Gleichgewichtsstörungen. Manche würden stürzen und sich Wunden oder Brüche zuziehen. Und der Konsum kann auch Langzeitfolgen haben. Neurologische Ausfälle, Vitamin B12 Mangel oder Muskelschwäche sind nur einige der schwerwiegenden Folgen. Einzelfälle habe Strobach auch schon in der Beratungsstelle gehabt, meist aufgrund von Mischkonsum.

Kölner Ärzte warnen vor Wirkverstärkung

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hat die Partydroge auf dem Schirm. Sie warnen auch vor einer Wirkverstärkung von Lachgas, wenn es in Kombination mit Alkohol oder anderen Drogen konsumiert wird. Und Alkohol ist auf den Partymeilen in Köln die Grundlage für einen ausgelassenen Abend.

Die Politik plant Regulierungen für den Verkauf von Lachgas. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach setzt sich für strengere Regeln im Verkauf ein, möchte aber kein Komplettverbot. Stattdessen solle auf Prävention und Aufklärung gesetzt werden. Die Jugendsuchtberatung begrüßt diese Bestrebungen. „Die Verkäufer müssen reguliert und bestraft werden, nicht die Konsumenten“, bekräftigt Strobach. Gleichzeitig bieten sie bei ihrer Fachstelle für Suchtprävention seit kurzem ein Schulungsprogramm zu dem Thema an.