„Ich habe unter einer Brücke gepennt“„Krazy“ kam nach Köln um Musikerin zu werden
Köln – Menschen eilen am geschlossenen Museum Ludwig vorbei. Für Musikerin „Krazy“ war dieser Ort jahrelang ein zweites Wohnzimmer. Mit Blick auf den Hauptbahnhof hat sie dort früher Straßenmusik gemacht und damit viele Menschen zum Stehenbleiben bewegt. Hier traf sich Finn Neubert mit der 49-Jährigen zum Gespräch.
Ihr bürgerlicher Name ist Uta Titz. Wie kam es zu Ihrem Künstlernamen Krazy?
Krazy: Das ist eigentlich ein Punkername. Die ergeben sich aus einer Story oder bürgern sich ein. Oder man gibt sich den selber. Bei mir war das eben Krazy.
Warum haben Sie mit Musik angefangen?
In meinem Elternhaus wurde viel klassische Musik gemacht. Als typische 13-Jährige habe ich mich davon abgesetzt, indem ich einen anderen Radiosender als meine Eltern gehört habe. Dabei habe ich Bob Dylan entdeckt. Dylans Musik hat mich darauf gebracht, selber Gitarre spielen zu wollen, eigene Songs zu schreiben und autodidaktisch daran zu gehen.
Sich selber erfinden, ein wildes Leben, Rock’n’Roll, weite Welt. Aber das war ein langer Weg und viel Träumerei. Für mich war das erstmal so: Ich zieh irgendwie nach Köln und werde Musikerin, habe aber keine Wohnung und nichts. Ich habe also erstmal unter einer Brücke gepennt.
War es also eine freiwillige Entscheidung auf der Straße zu leben?
Ja, im Endeffekt schon. Ich war 21 und hatte diese Idee von Lehr- und Wanderjahren. Auch die Punk-Idee „aus der Gesellschaft raus“. Das war das erste, was ich mir auf der Straße abgeschminkt habe. Es gibt kein „Raus aus der Gesellschaft“. Ich bin immer ein Teil von ihr.
Die Frage war, welche Rolle ich in der Gesellschaft haben will. Ich wollte Musikerin sein. Das kann ich genauso wenig ernsthaft unter der Brücke ausüben wie einen anderen Beruf. Dafür ist man zu unmittelbar mit Überleben beschäftigt.
Warum gerade in Köln?
Rausch und The Piano Has Been Drinking waren meine Helden-Bands. Wie PHBD über Köln singt, hatte ich die Stadt praktisch vor Augen. Ich bin nach Köln gepilgert, um mir die Stadt aus den Songs anzugucken und die Leute kennenzulernen. Ich habe sie tatsächlich viele Jahre später kennengerlernt.
Als ich Danny Dziuk getroffen habe, einen großartigen Deutschsongschreiber, haben wir uns super verstanden. Er hatte eine sehr ähnliche Auffassung davon, wie man an Songs ran geht, was ein Song ist und wie ernst man das Ganze nimmt. So hat es sich ergeben, dass er mein Album produziert hat.
Ihr Album heißt „Seifenblasenmaschine“ und ein Song auf dem Album trägt den gleichen Namen. Gibt es einen Zusammenhang?
Für mich ist das Wort Seifenblasenmaschine eine gute Metapher für das Showbusiness. Deshalb fand ich das passend für einen Albumtitel. Der Song handelt von meinem schönsten Ferienerlebnis: Meine beste Freundin stellt Besteckschmuck her und verkauft den auf Märkten und hat mich im Sommer 2018 mitgenommen. Das war für mich eine komplett irre, fremde Welt. Das hat total Spaß gemacht und mich zu dem Song gebracht.
Erstes Album
Krazys Album „Seifenblasenmaschine“ gibt es für 12,95 Euro .
www.timezone-records.shop
Ist das öfter so, dass Ihre Texte auf solchen Erinnerungen beruhen?
Es gibt so Geschichten. Meistens ist es aber ein initialer Reim oder eine Zeile, wo ich denke, da ist irgendwas drin. Dann überlege ich, was will mir diese Zeile sagen? Was stecken da für Reime drin? Was für eine Story? Am interessantesten finde ich, wenn ich selber gar nicht so genau weiß „was will das Ding von mir?“ Das ist für mich super spannend, das dann rauszukriegen.
Was macht Ihre Musik aus?
Die Texte. Ich mache mir eine Menge Arbeit damit und brauche echt lange, bevor der Song durch meine Kontrolle kommt. Am Song „So weit“ habe ich ein Jahr geschrieben. In der Tradition, in der ich mich verstehe, hat musikalisch keiner etwas groß neu erfunden. Meine Songs haben klassische Formen. Blues, Country, Bezüge zu Jazz, Folklore und so. Das sind alte Formen, die man dann neu befüllt.
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Was steht bei Ihnen in nächster Zeit an?
Eigentlich hätte ich im November angefangen meine Platte zu bewerben, Konzerte zu geben usw. Aber das steht natürlich auf der Kippe wie bei den meisten in meiner Branche. Ich habe aber Glück gehabt, weil ich die Plattenveröffentlichung 2020 hatte. Deswegen hat mich das nicht so hart zurückgeworfen. Dass man halt im Zweifelsfall Lohnarbeit macht, ist auch nichts Neues für mich. Ich habe aber wirklich wieder Bock auf Bühne und Publikum.
Gibt es etwas, was Sie sich für Ihre Karriere wünschen?
Natürlich könnte man sich immer mehr Publikum, Bühnen, Geld, Sicherheiten, Anerkennung und so wünschen. Aber es ist immer nur mehr von etwas, das ich schon kenne. Das muss ich mir immer vor Augen halten. Ich würde mir wünschen, dass ich regelmäßiger vor Leuten spielen und mit einer größeren Selbstverständlichkeit meinen Beruf ausüben kann. Das fände ich schön.