Der Entertainer sieht sich derzeit scharfer Kritik ausgesetzt. Am Samstag wurde er eher pfleglich behandelt.
Thomas Gottschalk in Köln„Wenn ich Frauen betatscht habe, war das eine Verlegenheitsgeste“
Ist einer, der so sehr spaltet, einfach aus der Zeit gefallen oder mit seiner Streitkultur höchst zeitgemäß? „Was nun, alter weißer Mann?“ hätte nach den Kritiken der letzten Woche die Überschrift über dem Gastspiel von Thomas Gottschalk auf der lit.Cologne in der Flora sein können. Es kam dann doch etwas anders. Aber natürlich ging es um das Buch des Moderators „Ungefiltert – Bekenntnisse von einem, der den Mund nicht halten kann“.
Wobei: Gelesen wurde nicht so viel, dafür umso ausgiebiger über Gottschalks Thesen diskutiert. „Ich habe mit der hohen Literatur wenig zu tun, obwohl ich drei Bücher geschrieben habe“, räumte der Entertainer zu Beginn der Lesung mit dosierter Charme-Offensive ein. Es sind Sätze wie diese, bei denen sich das Gefühl unzähliger mehr oder weniger unterhaltsamer „Wetten, dass ...?“-Abende einstellt. Leopardenfell-Sakko, Zahn-Weiß im Studio-Licht und eine Hand gerne mal am Knie der Co-Moderatorin.
Möglicherweise ist es die Angst vor der Bedeutungslosigkeit, die den gebürtigen Bamberger zum aktuellen Buch mit kontroversem Inhalt veranlasst hat. „Man darf nichts mehr sagen“, lautet die Kernthese, die Gottschalk seit geraumer Zeit vor sich herträgt. So ganz klar ist oft nicht, wer anklagend gemeint ist. Jörg Thadeusz durfte die Moderation des Abends übernehmen und versuchte es herauszufinden. Er tat es sehr wohlwollend.
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Der 74-jährige Gottschalk gab sich in der Flora ganz in großväterlicher Plauderlaune. Und knuddelte damit seine schärfsten Kritikerinnen (sorry fürs Gendern) gleich mal weg. Ob denn jemand aus dem Umfeld von Carolin Kebekus anwesend sei, fragte er in die Runde. Die Kölner Comedienne hatte sich in ihrer letzten Show über den Entertainer lustig gemacht und die kölsche Hymne „Tommi“ umgetextet zu „Tommy, lass uns ins Heim gehen“. „Ich werfe niemanden raus“, kommentierte Gottschalk milde, als es keine Reaktion vom Publikum gab.
Aber, und dann wurde er doch etwas ernster: Er wolle sich nicht weiter von der Presse und Medienlandschaft vorführen lassen. Gemeint war die jüngste Begegnung mit Micky Beisenherz im „Kölner Treff“. Der war nicht ganz sanft mit ihm umgegangen. Moderator Beisenherz konfrontierte den Entertainer mit Fragen, die von vielen Zuschauern als zu hart empfunden wurden. Gottschalk ist freilich Profi genug, um das mit Blick auf die Auflagezahlen einsortieren zu können: „Meinen Verlag wird es freuen.“
Gottschalk zu weiblichen Gästen: „Ich habe sie angefasst, weil ich sie begreifen wollte“
Auch ein Spiegel-Interview hatte durchaus abrechnenden Charakter, was für viele offenbar signalisierte: Ab jetzt Feuer frei auf nicht mehr ganz frischen Goldschopf. Die Vorwürfe ließ Gottschalk am Samstag abperlen wie einen Regentropfen auf einem Satinanzug. „Heutzutage wird alles veröffentlicht, was die Aufmerksamkeit bei jungen Leuten erregt“, sagte er mit Blick auf schnelle Zeilen im Netz. „Ich denke, was ich will, ich sage was ich will.“ Er fühle sich in ein völlig falsches Licht gestellt. „Wenn ich Frauen betatscht habe, war das eine Verlegenheitsgeste“, erklärte er und setzte mit einem Lachen „Ich habe sie angefasst, weil ich sie begreifen wollte“, hinzu. Jörg Thadeusz kam schnell auf das laut ihm „gehässige Interview“ des Spiegels zu sprechen, worauf Gottschalk mit gelassenem Humor einging. „Die haben sich viel Mühe gegeben, mich alt aussehen zu lassen.“
Da saßen also zwei nicht mehr ganz junge Männer auf der Bühne und demonstrierten ein kameradschaftliches Verhältnis. Oder täuschte dieser Eindruck? Gottschalk sprach über die Veränderung in der Gesellschaft, wie er versuche, die „Regeln“ der neuen Zeit zu begreifen. Als mehrere Besucher vorzeitig die Veranstaltung verließen, ließ Gottschalk keinen von Ihnen ohne ironischen Kommentar aus dem Saal: „Ihr braucht die Türe nicht so leise zu schließen, ihr könnt sie auch zuknallen.“
Thomas Gottschalk plaudert in Köln – mit einigen Seitenhieben
Und dann durfte sich der TV-Star wieder locker durch die Weltgeschichte plaudern. Über seinen Besuch im Weißen Haus, seine Witze über Stalingrad und Seitenhiebe gegen TV-Kollegen. Wer Gottschalk bucht, bekommt immer das volle Paket. Einmal distanzierte er sich sehr klar, als es um eine angebliche Nähe zur AfD ging: „Bei solchen Meinungen möchte ich nicht mitgehen.“
Gottschalk ließ wenig Zeit ohne ironische, unterschwellige Kommentare vergehen und erklärte das Kapitel Fernsehen für sich für beendet. „Der Samstagabend ist bei den jungen Leuten abgewählt worden. Die haben das Internet entdeckt.“ Und weiter: „Das Fernsehen braucht mich nicht mehr.“
Dabei könne, das war eine der unterschwelligen Thesen, das Fernsehen einen wie ihn schon gebrauchen. Seine Abschiedssendung aus dem vergangenen Jahr habe stolze 12 Millionen Zuschauer gehabt. Überhaupt sei es doch sehr traurig, dass die lagerfeuerhafte des Samstagsabends nicht mehr da sei. Ein gesellschaftliches Zusammentreffen vor dem TV-Gerät, das könne auch noch heute funktionieren. „Im Fernsehen würde ich einmal im Jahr noch funktionieren, glaube ich“, sagte Gottschalk - und erntete Applaus. „Aber die Idee muss nicht ich haben, oder ihr, sondern der Intendant oder Programmdirektor vom ZDF.“
Wieder Jubel. Gottschalk verließ die Bühne mit weit ausgebreiteten Armen.