Kölner SeverinstraßeGeschäftsleute beklagen Leerstände und rasende Rad-Lieferdienste
Kölner Südstadt – Womöglich kommt die Severinstraße besser durch die Pandemie, als Skeptiker noch vor kurzem vermutet haben. Als „positiv“ bewertet Karl-Heinz Walter die Entwicklung der Einkaufsmeile in der Südstadt, wenn er auf die vergangenen Jahre zurück blickt. Walter ist Vorsitzender der Interessengemeinschaft Severinsviertel und vertritt die Geschäftsleute aus dem Vringsveedel.
„Sicher“, räumt er ein, „wir haben ein paar Läden verloren, vor allem im Non-Food-Bereich. Schwer hatten es die Textil-Läden. Und sie werden es weiter schwer haben.“ Aber manches habe sich von selbst reguliert. Vor allem zwischen An St. Katharinen und dem Kartäuserhof seien einige interessante Läden dazu gekommen. Als Beispiele nannte Walter die mittlerweile dort ansässigen Fahrrad-Geschäfte. Als „ganz schwierig“ bewertet er Lebensmittel-Lieferdienste, die sich im nördlichen Teil der Straße angesiedelt haben. „Die werben ja damit, dass die Kunden ihre Ware so schnell wie möglich erhalten.
Dementsprechend jagen die Boten mit ihren E-Bikes über die Severinstraße mit den entsprechenden Folgen für die Fußgänger.“ Deshalb wirbt Walter im Zweifel für eine Fußgängerzone auf der Vringsstroß. „Da, wo es Sinn macht.“ Einer Fahrradstraße kann er nichts abgewinnen. „Die wäre ja doch nur eine Rennstrecke.“
Zugeklebte Schaufenster an der Severinstraße in Köln
Im übrigen seien die zugeklebten Schaufenster der Lieferdienste eine optische Zumutung. Im Großen und Ganzen ist Walter mit dem Branchenmix auf der Severinstraße zufrieden. Obwohl: Ein gut sortierter Schreibwarenladen fehlt ihm schon. Ober ein „Geschäft mit schönen Dingen“. Die Severinstraße habe sich zu einer Einkaufsmeile für die Waren des täglichen Bedarfs entwickelt.
Beispiele seien die Metzgereien. Darin unterscheide sie sich etwa vom Eigelstein. „Deshalb ist es Quatsch zu sagen, man wolle die Severinstraße umgestalten wie den Eigelstein.“ Wer am Eigelstein wohne, decke seinen täglichen Bedarf im Zweifel auf der Neusser Straße. Diese Ausweichmöglichkeit gebe es auf der Vringsstroß nicht. „Die Bonner Straße ist mit ihren zahlreichen hochwertigen Restaurants und Cafés eine Fressmeile geworden. Die Merowingerstraße ist eine Einkaufsstraße für hochwertige Textilien und Wohnaccessoires.“
Branchenmix auf Kölner Severinstraße soll besser werden
Und den Fisch kaufe man auf der Severinstraße. Ulrich Schlüter ist Vorsitzender der Immobilien-Standortgemeinschaft Severinstraße (ISG) und vertritt die Interessen der Haus- und Wohnungseigentümer. Die haben sich die Verbesserung des Branchenmixes zur Aufgabe gemacht. Da die bisherige Satzung der ISG vor dem Verwaltungsgericht Schiffbruch erlitten hat, nimmt man nun einen neuen Anlauf: Ohne Satzung und auf freiwilliger Vereins-Basis.
Der Stadtentwicklungsausschuss hat 11.000 Euro bewilligt für den Start der neuen ISG. „Wir wollen einen Ansprechpartner beauftragen, der kurze Wege zwischen allen Beteiligten wie Eigentümern, Geschäftsleuten und Verwaltung garantiert. Der soll sich auch um einen ausgewogenen Branchenmix kümmern“, sagt Schlüter. Der ISG-Vorsitzende kritisiert die langen Bearbeitungszeiten in der Verwaltung. „Manchmal dauert es ein Dreivierteljahr, bis die Genehmigung zur Eröffnung eines neuen Geschäftes erteilt wird.“
Künstler in Ladenlokalen
Dazu hat Ex-SPD-Ratsherr Karl-Heinz Walter eine unmissverständliche Meinung: „Dass die Bauverwaltung personell unterbesetzt ist und die Genehmigungen ewig dauern, stimmt. Aber schauen Sie sich doch mal die Geschäfte an, die leer stehen.“ Das seien zum Teil sehr herunter gekommene Ladenlokale. „Oder die sind so groß, dass sie niemand wirtschaftlich betreiben kann“, so Walter weiter.
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„Und dann sind da noch die ehemaligen Reisebüros, in denen außer einem Tisch und ein paar Regalen kein Platz für was anderes ist.“ Und was den Branchenmix angeht: „Das ist doch eigentlich die Hauptaufgabe einer Immobilien-Standortgemeinschaft. Sie soll die Eigentümer in diesen Fragen beraten. Und auch viel stärker ins Augenmerk nehmen, was mit Läden passiert, die mal leer stehen. Ob man die etwa einem Künstler als Ausstellungsort vorübergehend zur Verfügung stellt.“ Ulrich Schlüter will sich darum kümmern.
Hintergrund: Klage der ISG-Satzung
Laut Satzung der Immobilien-Standortgemeinschaft (ISG) sollten Hauseigentümer je nach Größe des Eigentums Abgaben entrichten, mit denen Ideen umgesetzt werden sollten, um die Severinstraße attraktiver zu machen. Im Unterschied zur Interessen-Gemeinschaft, der Vertretung der Geschäftsleute, bei der die Mitgliedschaft freiwillig ist, zwingt eine ISG die Eigentümer zur Entrichtung der Abgabe. Wenn 78 Prozent zugestimmt haben, müssen auch die, die nicht wollen, mitmachen.
Gegen die Satzung und die Erhebung der Abgabe hatte ein Eigentümer erfolgreich vor dem Kölner Verwaltungsgericht geklagt. Argumentiert hatte er damit, dass er keine Vorteile aus der Umsetzung ziehe. Den unterschiedlichen Interessen der Hauseigentümer sei bei der Ausgestaltung der Satzung nicht ausreichend Rechnung getragen worden, urteilte das Verwaltungsgericht.