Die Arbeitsbelastung in den Bezirksjugendämtern ist so hoch, dass die Beschäftigten nicht mehr nachkommen. Am Dienstag ist eine Demonstration vor dem Rathaus geplant.
Demo geplantDie Personalnot in den Kölner Jugendämtern ist groß
Die Beschäftigten der Bezirksjugendämter schlagen Alarm: Die Personalnot in der Behörde ist so groß, dass die Mitarbeitenden mit der Arbeit nicht mehr hinterherkommen und wichtige Aufgaben im Kinder- und Jugendschutz unerledigt bleiben. Am Dienstag wollen die Beschäftigten vor der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am Rathaus demonstrieren, um auf die dramatische Lage aufmerksam zu machen. Die Gewerkschaft Verdi spricht von „unerträglichen Arbeitsbedingungen aufgrund des Personalmangels“ und „unhaltbaren Zuständen“.
Seit Monaten könnten die Jugendämter „keine zeitnahen Beratungen und Hilfestellungen für Hilfe suchende Eltern anbieten“, erklärt Verdi-Gewerkschaftssekretärin Ellen Steinhäuser. „Präventive Angebote können nicht umgesetzt werden, Hausbesuche und Beratungsgespräche in Familien finden nicht mehr statt, Familiengerichtsverfahren können nicht angemessen begleitet werden und viele andere Aufgaben nur unzureichend erledigt werden.“ Die Personalnot habe inzwischen „ein unerträgliches Maß erreicht“, betont Steinhäuser. Die Folge: Es werde immer stärker priorisiert, fachliche Standards könnten nicht mehr eingehalten werden. Und das in einem äußerst sensiblen Bereich der Kölner Stadtverwaltung, in dem es um das körperliche und seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen geht. „Oft wird nur die größte Not gelindert. Für Prävention bleibt keine Zeit.“
„Standards werden herabgesetzt“
Auf den Personalmangel reagiere die Stadt seit langem, indem sie Standards herabsetze, heißt es aus der Belegschaft. Es fänden weniger Beratungsgespräche statt, auch die Dokumentation werde zurückgefahren. Die Abwendung von Kindeswohlgefährdung bleibe oberste Priorität, doch der Fokus werde von präventiver hin zu reaktiver Arbeit gelenkt. Dabei könne gute Beratung von Familien Kindeswohlgefährdungen vorbeugen. Bleibe sie aus, drohe die Zahl der Gefährdungsfälle zu steigen. Zudem gebe es bei der Stadt Köln keine Fallobergrenze pro Mitarbeiter. Die anfallende Arbeit werde auf das verfügbare Personal aufgeteilt, so dass jeder Beschäftigte bis zu 70 Familien gleichzeitig betreuen müsse. Fachlich sinnvoll sei dagegen eine Obergrenze von 28 Fällen bei Vollzeitbeschäftigung.
Verschärft wird die Personalnot durch eine hohe Fluktuation, ist aus den Jugendämtern zu erfahren. Die Bewerberlage sei dünn, neue Kolleginnen und Kollegen müssten immer wieder neu eingearbeitet werden. Viele würden das Jugendamt wegen Überlastung schnell wieder verlassen, andere fielen lange erkrankt aus. Das belaste die verbleibenden Beschäftigten zusätzlich. Und: In den nächsten fünf Jahren gehen viele in Rente. Betroffen sind vor allem der Allgemeine Sozialdienst (ASD) und der Gefährdungs-Sofort-Dienst (GSD) als „Dreh- und Angelpunkt der öffentlichen Jugendhilfe“, so Steinhäuser.
Stadt verweist auf Fachkräftemangel
„Wenn die Arbeit hier nicht mehr bewältigt werden kann und stockt, betrifft dies auch Schulen, Kitas, die offene Jugendarbeit, Vormunde, Familiengerichte und vieles mehr.“ Mitarbeiter benötigten mehr Zeit, Familien zu unterstützen, „damit es nicht zu Missbrauch, Gewalt und Vernachlässigung kommt“. Die Stadtverwaltung erklärte auf Anfrage, ihr sei die Situation von ASD und GSD „sehr bewusst und sie hat großes Verständnis für die Sorgen und die Unzufriedenheit der Mitarbeiter*innen“. Es sei gemeinsames Interesse, „schnellstmöglich zu spürbaren Verbesserungen zu gelangen“.
Für die belastende Personalsituation sei „vorrangig der Fachkräftemangel die Ursache. Dabei handelt es sich um ein bundesweites Problem, das nahezu alle Kommunen betrifft.“ Studentische Hilfskräfte sollen entlasten Die Stadt habe verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Mitarbeiter, vor allem in den besonders betroffenen Bezirksjugendämtern, zu entlasten. So setze man studentische Hilfskräfte ein, um die pädagogischen Fachkräfte etwa bei den Dokumentationspflichten zu entlasten. „Gleichzeitig werden so den eingesetzten Studierenden die Berufsfelder im ASD und GSD nähergebracht, was eine nahtlose Übernahme nach Abschluss des Studiums unterstützt.
Durch die Ausweitung des Traineeprogrammes werden darüber hinaus weitere Berufsanfänger*innen fundiert eingearbeitet“, so die Stadt. Das neue Tarifrecht sehe erstmalig vor, auch Berufsgruppen wie Kindheitspädagogen, Erziehungswissenschaftler und Heilpädagogen im ASD/GSD einstellen zu können. Dies erweitere den Kreis der Bewerber und biete eine Möglichkeit, dem Fachkräftemangel zu begegnen.