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Gäste aus aller WeltWie Touristen das Kölner Baustellenchaos erleben

Lesezeit 5 Minuten
Baustellenschilder am Dom

Umleitungen im Zentrum: Schilder vor dem Dom

Im Sommer sind viele Besucher in der Stadt. Aber was sie sehen, ist nicht nur schön. Gerade im Zentrum herrscht Baustellenchaos. Ein Busfahrer findet deutliche Worte.

Sommer, Sonne und Rattern von Bohrern: Der Dom wird bekanntlich niemals fertig sein, aber auch in diesem Sommer wirkt die gesamte Kölner Innenstadt wie eine Großbaustelle. Ein Horror für die städtische Tourismusbranche: Viele Führungswege in der Innenstadt sind blockiert oder inzwischen den Radfahrern vorbehalten.

Das alles hindert Besucher jedoch nicht daran, nach Köln zu kommen. Natürlich ins Zentrum, natürlich zum Dom. Doch gerade hier reihen sich die Baustellen aneinander wie die Perlen einer Kette: Dom-Hotel: Baustelle, Römisch-Germanisches-Museum: Baustelle, Laurenz-Carré: Baustelle. Dombauhütte: Baustelle, Durchgang zum Rhein gesperrt.

„Wir haben gehört, dass Köln eine richtig schöne Stadt ist“
Dessy Franly, Besucher

Dessy Franly (20) und Lantip Titis Pranandito (21) kommen aus Indonesien, sie leben aktuell als Studenten in Ilmenau. Sie waren in Siegen unterwegs, aber auf einen Abstecher in die Rheinmetropole wollten sie nicht verzichten. „Wir haben gehört, dass Köln eine richtig schöne Stadt ist“, erklärt Franly. Und Pranandito ergänzt: „Und dass es ikonische Architektur hat.“ Tatsächlich waren sie begeistert und haben sich durch das Durcheinander im Zentrum den Tag nicht vermiesen lassen. Mit der Seilbahn sind sie auf die andere Rheinseite gefahren. Aber im Zentrum gefällt ihnen der Dom am meisten.

Dessy Franly (20) rechts und Lantip Titis Pranandito (21)

Dessy Franly (20) (r.) und Lantip Titis Pranandito (21) studieren in Ilmenau, sie kommen aus Indonesien.

Auch wenn den Kölner Gästen das Chaos im Verkehr und im Bau kaum auffällt, erlebt Busfahrer Jörg Weigel das anders. Er steuert Besucher bei den Hop-on-Hop-Off-Touren. Auf die Frage, wie er die Verkehrsbaustellen auf seiner Route mit dem Doppeldecker empfindet, findet er klare Worte: „Ätzend. Überall wird aufgerissen. Unheimlich viel zurzeit.“ Es sei nie etwas an der Bausubstanz gemacht worden, und nun gehe alles auf einmal kaputt.

Busfahrer CityTours Jörg Weigel (63)

Busfahrer CityTours Jörg Weigel (63)

Apollinariia Makarenkova (20) und Katya Gonzhak (17) stammen aus der Ukraine. Nach Kriegsanfang kamen sie nach Deutschland und wohnen nun in verschiedenen Bundesländern. „Ich bin das erste Mal in Köln. Apollinariia hat mir von der großen Kölner Kunstszene erzählt, was ich liebe. Ich möchte hierher ziehen und vielleicht auf die Universität gehen“, erzählt Gonzhak. Beide sehen fasziniert am Dom hoch. Köln sei fundamental anders als Hannover, wo die 17-Jährige jetzt wohnt. „Einfach viel spannender.“

Bei denen, die von Stadtrundfahrten leben, sorgt der rege Baubetrieb zurzeit für bedrückter Stimmung. Brigitte Hürten arbeitet seit elf Jahren bei Wolters Bimmelbahnen: Sie fährt genau die gelb-grünen Bimmelbahnen, von denen auch Kölner Kinder immer wieder fasziniert sind. Doch die Realität sieht gerade nicht so rosig aus. „Grauenhaft. Weil die Gürzenichstraße seit zwei Monaten gesperrt ist, müssen wir auf der Schoko-Strecke eine große Umleitung über die Große Sandkaul fahren. Dort stehen ständig LKWs im Weg“, sagt Hürten. Es sei zum ersten Mal so extrem, erklärt sie. Die Besucher scheint auch das nicht zu stören. Ein vorbei rollender Sonderzug der Bimmelbahn ist ausgebucht und voller gut gelaunter Teenager.


„Römische Zeit gerade unterbelichtet“

Viele Stadtführer sehen die Situation im Zentrum rund um den Dom kritisch. Günter Leitner ist Stadtführer und sagt, es braucht neue Kreativität, um Köln schön und positiv den Gästen zu präsentieren.

Wie empfinden Sie die Baustellensituation in Köln?

Dass man kreativ immer wieder durch diese Baustellen etwas Besonderes über Köln erzählen kann. Ich muss neue Routen nehmen und bin aufgefordert, mit diesen Stadträumen ganz kreativ umzugehen. Wenn ich nicht mehr von der Ostseite, vom Süden, um den Dom herum komme, dann gehe ich eben von Norden aus. Das macht unseren Job gerade so kreativ und interessant. Ich empfinde es als eine Möglichkeit, sich immer wieder dieser Stadt neu zu stellen. Das ist eine Herausforderung.

Wie zeigen Sie das Schöne, das Geschichtliche der Stadt vor dem Hässlichen, den Baustellen?

Eine Baustelle ist eine Notwendigkeit. Was soll ich denn machen, wenn die Südseite nicht zu begehen ist? Da muss ich auf die Nordseite und kann dann, das was wir früher nie inhaltlich angesprochen haben zum Gegenstand machen. Etwa die Übergriffe auf die Frauen nahe der Trankgasse an Silvester. Bei Stadtführungen zeigen wir eigentlich selten Maria Himmelfahrt oder St. Andreas, aber auf einmal kommen Albertus Magnus und Maria Himmelfahrt auf der Domplatte in den Blick. Natürlich ich es unschön, dass das Dionysos-Mosaik nicht zu sehen ist. Das finde ich einfach lästig, weil wir früher von außen das Mosaik im Römisch-Germanischen Museum zeigen konnten. Das geht jetzt nicht mehr, weil es mit einer Plane zugestellt ist. Auch der fehlende Durchgang auf der Südseite des Domes, der schon ewig dauert, ist wirklich unangenehm.

Was geht an Geschichte verloren, wenn sie den Gästen der Stadt die Südseite des Domes nicht zeigen können?

Es fehlt das ganze Thema der Dombauhütte, die man nicht mehr richtig zeigen kann, also Bautätigkeit vom Mittelalter bis zur heutigen Zeit.

Das Römisch-Germanische am Roncalliplatz ist zu. Wie sehr fehlt es?

Damit hätte man anders umgehen können. Das Belgische Haus, wohin es ausgelagert wurde, ist nämlich zu weit weg. Man hätte in der Nähe des Römisch-Germanisches Museums etwas mieten sollen. Natürlich ist die römische Zeit dann unterbelichtet. Auch das geschlossene Praetorium empfinde ich schon als sehr schmerzlich.

Was würden Sie sich für Veränderungen in der näheren Zukunft wünschen?

Die Baustellen führen auch dazu, dass wir demnächst ganz neue Blicke auf die Stadt werfen können. Zum Beispiel, die „Via Culturalis“, an der wir bald entlanggehen können. Es geht aber alles bei diesen Arbeiten unheimlich langsam.