Mit Kreideherzen in den Farben verschiedener Landesflaggen buhlen Straßenmaler rings um den Kölner Dom um Kleingeld von Touristen und Einheimischen. Doch es gibt Konflikte.
Ordnungsamt macht DruckWarum die Stadt Köln Straßenmalerei am Dom verbieten will
Die USA liegen vorn. Auf den „Stars and Stripes“, der Fahne der Vereinigten Staaten, stapeln sich Dollarscheine und Münzen. Unter den mehr als 60 kleinen herzförmigen Flaggen, die in einem großen Halbkreis mit Kreide auf den Boden vor dem Dom gemalt sind, schneidet die amerikanische gerade am besten ab. Da bückt sich eine junge Chinesin über das chinesische Kreideherz und schüttet mit einem Lächeln das westliche Kleingeld aus ihrer Geldbörse. Auch auf dem blau-gelben Herz der Ukraine haben Menschen viele Münzen abgelegt.
Willkommen auf der Domplatte: Die Sonne scheint, das Geschäftsmodell der Flaggenmaler floriert. Touristen wie Einheimische werden durch die bunten Kreideherzen zu einer Spende animiert und legen bereitwillig Kleingeld auf die Fahne ihres Heimatlandes oder einer Nation, der sie sich verbunden fühlen. Unter den Kreideherzen sind unterschiedlichste Staaten vertreten von Albanien über Deutschland und Indien bis Südafrika und Vietnam. Aber auch eine kurdische und eine palästinensische Flagge sind dabei. Eine Israel-Fahne ist heute hingegen bei keinem der Flaggenmaler am Dom zu finden.
Am Dom sitzt der Geldbeutel locker
Insgesamt vier Flaggenmaler haben an diesem Tag ihre Claims am Dom abgesteckt. Einer hat sich den Platz direkt vor dem Hauptbahnhof gesichert. Hier kommen alle vorbei, die vom Bahnhof zum Dom gehen. Das verspricht eine hohe Zahl potenzieller Spender. Der nächste hat seinen Kreidekreis am Ende der Domtreppe vor der Domschatzkammer gezogen. Ein weiterer malt vor der Westfassade der Kathedrale mit den imposanten Türmen. Dort kommen die Touristen aus aller Welt, deren Busse in der Gereonstraße halten, zuerst an und machen das obligatorische Dom-Foto. Ein begehrter Platz – hier sitzt das Portemonnaie locker, die Dollarnoten auf der US-Flagge zeigen es. Doch nur wenige Meter weiter wartet die Konkurrenz: der letzte klassische Straßenmaler, der gerne das Selbstporträt von Albrecht Dürer auf die Domplatte zeichnet. In Richtung Wallrafplatz bemüht sich noch ein vierter Flaggenmaler um Kunden.
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Die Szenerie wirkt beschaulich, doch hinter den Kulissen brodelt es. Es heißt, die Flaggenmaler seien organisiert, es gebe Revierkämpfe untereinander, von Bettel-Mafia ist die Rede. Während der Fußball-WM 2018 hatte der aus Rumänien stammende Straßenkünstler Stefan Petrescu damit begonnen, vor dem Dom Kreideflaggen zeichnen. An guten Tagen kämen bis zu 200 Euro zusammen, erzählte er damals dem „Express“. Der Erfolg rief andere auf den Plan. Im Februar 2019 wurde Petruscu beim Malen bedroht. Er sollte Schutzgeld zahlen. Die Erpresser griffen ihn an, ein Mann trat ihm gegen den Kopf und wurde später zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.
Inzwischen teilen sich mehrere Flaggenmaler das Revier am Dom. Es komme zunehmend zu Problemen, sagt die Stadt. So große Probleme, dass man die Straßenmalerei rings um den Dom komplett verbieten will (wir berichteten). Doch die Politik zögert, hat eine Entscheidung fürs Erste verschoben.
Malkreise mit bis zu neun Metern Durchmesser
Das Kölner Ordnungsamt erklärte auf Anfrage, noch vor wenigen Jahren hätten die touristischen Plätze vor allem Straßenmaler geprägt, die „mit ihrer individuellen Kunst“ nicht nur Einheimische und Touristen erfreut, sondern „durch deren Spenden auch ihren Lebensunterhalt ganz oder teilweise finanzierten. Vor allem nach Corona wandelte sich dies“, so das Ordnungsamt. Auf großen Plätzen wie der Domplatte seien die Künstler inzwischen mehr und mehr von organisierten Pflastermalern verdrängt worden. Heute seien bis zu sieben Flaggenmaler gleichzeitig auf der Domplatte aktiv. „Ihre Malkreise nehmen Durchmesser von bis zu neun Metern ein.“
Regelmäßig klagten Passanten „über rüdes Verhalten, Aggressivität und sogar Bedrohungen, wenn sie die Kreise betreten oder keine Spenden geben“. Teilweise würden „wasserunlösliche Farben verwendet, die selbst einer Nassreinigung durch die AWB standhalten“. Auch komme es regelmäßig vor, dass sich die Flaggenmaler „den Reinigungskräften in den Weg stellen oder auch sie bedrohen“, um eine Reinigung zu verhindern.
AWB bestätigen Konflikte
Eine Sprecherin der Abfallwirtschaftsbetriebe bestätigt dies, sie sagt: „Die Flächen werden in den Zeitfenstern gereinigt, in denen die Maler abwesend sind, um eine Eskalation zu verhindern. Unsere Mitarbeitenden sind angewiesen, den Malern aus dem Weg zu gehen, da es in der Vergangenheit zu Konflikten gekommen ist.“
Laut Ordnungsamt haben die Beschwerden von Bürgern, Touristen und Domschweizern wegen Behinderung und Belästigung „ein Ausmaß erreicht, das tägliche Einsätze von Polizei und Ordnungsdienst zur Folge hat. Teilweise werden auch die Ordnungskräfte verbal und physisch angegangen. Anzeigen wegen Bedrohung, Beleidigung und Nötigung sind die Folgen.“ Deshalb schlage man vor, Straßenmalerei im Domumfeld ganz zu untersagen.
Beim Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt rennt das Amt damit keine offenen Türen ein. Vor allem die Grünen sehen ein Verbot kritisch. Grünen-Fraktionsvize Manfred Richter sagte der Rundschau, seine Fraktion habe „noch grundsätzlichen Gesprächsbedarf zu den Änderungsvorschlägen zur Stadtordnung. Wir möchten das Thema zunächst im Bündnis und bei einem Fachgespräch mit der Verwaltung diskutieren. Einen Beschluss sehen wir eher nach den Sommerferien.“
Die Stadtordnung
Die Kölner Stadtordnung (KSO) macht Vorgaben für die Nutzung des öffentlichen Raums, wie etwa das Verstärkerverbot für Straßenmusiker. Zum Schutz des Stadtbilds möchte das Ordnungsamt nun rings um den Dom sämtliche Straßenmalerei untersagen. Das Verbot soll folgende Flächen betreffen: den gesamten Bahnhofsvorplatz, im Osten den Bereich „Am Domhof“ bis Höhe Rheingarten, an der Südseite die Bischofsgartenstraße, ferner den Kurt-Hackenberg-Platz, im Westen den Bereich vor den Domtürmen („Unter Fettenhennen“) sowie die Nordseite mit der Trankgasse.
Änderungen in der KSO plant die Stadt auch bei der Straßenmusik. Sie soll wie am Dom künftig auch auf dem Alter Markt und Heumarkt nur noch an bestimmten markierten Stellen erlaubt sein. Verboten werden sollen in der Öffentlichkeit der Konsum von Lachgas (Distickstoffmonoxid) und auf Spiel- und Bolzplätzen der Cannabis-Konsum und das Fahren mit E-Rollern. Das Zeltverbot in Grünanlagen soll um das Verbot „sich häuslich niederzulassen“ ergänzt werden. (fu)