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Kontroverse um KlotzWas es mit dem Stahlkubus auf dem Rheinboulevard auf sich hat

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Stahlkubus mit Schießscharten-Optik.

Stahlkubus mit Schießscharten-Optik: So sieht die neue Einhausung am Rheinboulevard aus.

Die umstrittene Edelstahl-Konstruktion soll römische Relikte vor Vandalismus und Witterungseinflüssen schützen.

Passanten auf dem Rheinboulevard in Deutz bietet sich seit Dienstag ein ungewohnter Anblick. Im Schatten des ehemaligen Lufthansa-Hochhauses, heute Zentrale des Chemiekonzerns Lanxess, steht ein nagelneuer Kubus aus Edelstahl. Mit seinen schlitzförmigen Öffnungen, die an Schießscharten erinnern, hat der knapp fünf mal sieben Meter große und 2,80 Meter hohe Bau die Anmutung eines kleinen Bunkers. Und das ist er in gewisser Weise auch.

Hier, an der südwestlichen Ecke des Historischen Parks Deutz mit seinen archäologischen Zeugnissen aus zwei Jahrtausenden Stadtgeschichte, soll die Stahlkonstruktion künftig römische Relikte vor Vandalismus und Witterungseinflüssen schützen. „Die moderne Einhausung dient dem Schutz, der Erhaltung und Präsentation der baulichen Überreste des römischen Westtores von Kastell Divitia“, erklärte die Stadtverwaltung auf Anfrage.

Kubus steht in einer UNESCO-Welterbestätte

Das Kastell Divitia, aus dem der Name Deutz abgeleitet ist, hatten die Römer zwischen 308 und 315 n. Chr. als Brückenkopf ins Rechtsrheinische, jenseits der römischen Reichsgrenze gebaut. „Zwischen der spätantiken Toranlage des Kastells und der linksrheinischen Colonia Agrippina verlief eine feste Brücke, die den Rhein überspannte. Kastell Divitia gehört zu jenen Standorten am Rhein, die jüngst in der Gesamtheit als UNESCO-Welterbestätte Niedergermanischer Limes ausgezeichnet worden sind“, teilte die Stadt mit. Die stählerne Einhausung sei als dauerhafte Einrichtung zum Schutz der Fundstätte vorgesehen. Sie steht zwischen Mauerresten eines mittelalterlichen Wehrturms und der Kirche Alt St. Urban.

Gefertigt hat die acht Tonnen schwere Konstruktion die Firma „Müller & Sohn“ aus Kall. Die Metallspezialisten haben dafür zahlreiche Edelstahlbleche millimetergenau per Laser geschnitten und mit 5500 Schrauben verschraubt. Um eine dauerhaft matte Oberfläche zu erhalten, die in der Sonne nicht spiegelt, wurden die Bleche glasperlengestrahlt. Per Tieflader kam die Einhausung Dienstagfrüh aus der Eifel und wurde per Kran über der Ausgrabung aufgestellt. Nun läuft die Endmontage. Der Edelstahlkubus, der durch eine Revisionstür begehbar ist, erhält ein Dach, im Innern sind Scheinwerfer zur Ausleuchtung der Funde vorgesehen.

Die Kosten für den Bau beziffert die Stadt Köln mit 460.000 Euro inklusive Anlieferung. Entworfen hat ihn das Berliner Büro „Planorama Landschaftsarchitektur“, das für den gesamten Rheinboulevard verantwortlich zeichnet. Realisiert wird er im Rahmen des vierten Bauabschnitts. Die entsprechenden Beschlüsse wurden im Jahr 2020 in der Bezirksvertretung (BV) Innenstadt und in den Ausschüssen für Kunst und Kultur, Umwelt und Grün sowie Finanzen gefasst.

Der Stahlkubus ist ab sofort Teil des Historischen Parks Deutz – jenes geschichtsträchtigen Areals zwischen der Kirche Alt St. Heribert und dem Rheinufer, in dem neben römischen und mittelalterlichen Relikten auch Reste eines Bahndamms und einer Eisenbahndrehscheibe aus der Preußenzeit zu finden sind.

Die Überreste des Römerkastells vor der Aufstellung der Einhausung.

Archäologen am Werk: die Überreste des Römerkastells vor der Aufstellung der Einhausung.

Seit 14 Jahren engagiert sich der Förderverein Historischer Park Deutz (FHPD) für das Gelände. Die Mitglieder befreien in ehrenamtlicher Tätigkeit die Fläche von Müll, sie haben auf eigene Kosten provisorische Informationstafeln installiert, veranstalten das Deutzer Kastellfest und vieles mehr.

Wir hätten uns eine leichte und transparente Konstruktion aus Edelstahl und Glas gewünscht
Thomas Tremblau, Ehrenvorsitzender des Fördervereins Historischer Park Deutz

Der FHPD-Ehrenvorsitzende Thomas Tremblau sagte der Rundschau, der Verein begrüße grundsätzlich die Einhausung zum Schutz der archäologischen Schätze in Deutz vor Vandalismus und Witterungseinflüssen. „Unsere Idee für einen Schutzbau war allerdings eine andere, nicht so ein Stahlklotz.“

Man hätte sich eine Konstruktion gewünscht, so Tremblau, „wie sie in Aachen zwischen Luisenbrunnen und Dom zu finden ist: eine leichte und transparente Konstruktion aus Edelstahl und Glas über archäologischen Funden. So wäre in Deutz der Blick auf die Eisenbahndrehscheibe und die alte Abteikirche Alt St. Heribert weniger gestört worden.“

Bereits 2018 habe der Förderverein der Stadt eigene Gestaltungsvorschläge für einen Schutzbau präsentiert. „Wie bei so manchen Vorschlägen des FHPD für den Historischen Park Deutz der letzten Jahre wurden diese zwar gehört und entgegengenommen, aber nicht weiter diskutiert“, betont Tremblau. Den von der Stadt Köln beauftragten Entwurf halte man für den Standort Rheinboulevard für ungeeignet. Der Kubus störe die Sichtachsen zu anderen Monumenten, es bestehe die Gefahr, dass er als Klettergerüst und Aussichtsplattform zweckentfremdet werde. Außerdem drohe er als Abfallcontainer genutzt zu werden.

Der Verein bemängelt auch, dass das im September 2018 von der BV Innenstadt beschlossene Informationssystem im Historischen Park noch immer nicht installiert ist. Die Stadt erklärte dazu auf Anfrage der Rundschau, die Anbringung werde im Herbst 2024 erfolgen.