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Barrierefrei durch 2000 Jahre StadtgeschichteJüdisches Museum nimmt Formen an – Archäologen und Bauleute arbeiten Hand in Hand

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann mit Bauhelm steht vor einer Mauer.

Ausgrabungsleiter Michael Wiehen erläutert archäologische Funde im künftigen MiQua-Rundgang.

Mit dem MiQua entsteht ein weltweit einmaliger Kulturort. Hier wird man dereinst Zeugnisse aus 2000 Jahren Kölner Stadtgeschichte genau an dem Ort erleben können, wo sie jahrhundertelang im Boden geschlummert haben.

Normalerweise ziehen Bauarbeiter einen Rohbau relativ schnell hoch, ehe es an den aufwendigen Innenausbau geht. Bei der Baustelle des „LVR-Jüdischen Museums im Quartier“, kurz MiQua, ist das ganz anders. Hier ist der Rohbau ein äußerst komplizierter Prozess. Ein Kunstwerk sozusagen, dessen Zweck darin besteht, die archäologischen Schätze, die sich tief im Untergrund vor dem Rathaus befinden, zu erschließen und dauerhaft in einem Museum zugänglich zu machen. Und dabei so wenig wie möglich von der Originalsubstanz zu zerstören.

Wie berichtet, entsteht mit dem MiQua ein weltweit einmaliger Kulturort. Hier wird man dereinst Zeugnisse aus 2000 Jahren Kölner Stadtgeschichte genau an dem Ort erleben können, wo sie jahrhundertelang im Boden geschlummert haben. „In situ“ sagen Archäologen dazu, also in originaler Lage.

Das Stahlgerüst des Museumsgebäudes ist schon recht weit gediehen und soll in diesem Jahr fertig werden.

Das Stahlgerüst des Museumsgebäudes ist schon recht weit gediehen und soll in diesem Jahr fertig werden.

Das trifft auf die Mauerreste des römischen Statthalterpalasts (Praetorium), die mittelalterliche Synagoge und das jüdische Kultbad Mikwe ebenso zu, wie auf die vielen Fundstücke, die im Erdreich und in den Latrinen entdeckt wurden. Darunter sind zum Beispiel Schiefertafeln mit hebräischen Inschriften, Tonkrüge, Schmuck aus Gagat (ein tiefschwarzes fossiles Holz), Haarnadeln und Würfel. Die schönsten Funde sollen künftig im MiQua ausgestellt werden inmitten der historischen Mauern und Gewölbe, die von der durchgehenden Besiedlung der Kölner Altstadt über zwei Jahrtausende künden. „Wir konnten dieses Museum nur an diesem Ort bauen“, betont Grabungsleiter Michael Wiehen am Montag bei einem Rundgang vor Journalisten.

Besonderes Museum entsteht

Ende Juni will die Stadt als Bauherrin über die zu erwartenden Kostensteigerungen und den weiteren Zeitplan des Projekts informieren. Wie die Rundschau bereits berichtete, drohen die zuletzt auf 127 Millionen Euro taxierten Baukosten auf bis zu 200 Millionen Euro zu steigen. Das wäre eine Erhöhung um 57 Prozent. Allerdings ist in dieser Kalkulation dem Vernehmen nach ein größerer Risikopuffer enthalten. Nach den vielen Verzögerungen auf der Baustelle will die Stadt Köln nun einen Generalunternehmer (GU) finden, der das MiQua fertig baut und zwar möglichst zum Festpreis (wir berichteten). Das hat den Vorteil, dass die Stadt die Gewerke nicht mehr einzeln ausschreiben muss und der GU die Risiken trägt. Der Nachteil ist, dass der GU dafür in der Regel in der Regel einen saftigen Aufpreis verlangt.

Wenige Tage bevor Stadtrat und Öffentlichkeit über die weitere Perspektive des kostspieligen Projekts informiert werden, hat die Stadt gestern erneut verdeutlicht, was für ein besonderes Museum hier entsteht. Da ist zum einen der imposante Stahlbau des von Wandel Lorch Architekten entworfenen Gebäudes, der noch in diesem Jahr vollendet werden soll. Nach der Kündigung des ersten Stahlbauers wegen schwerer Mängel geht es jetzt auf der Baustelle rasch voran. Das neue Unternehmen setze derzeit rund 40 Monteure ein, berichtet Bauleiter Matthias Zoppelt. Die Konstruktion wird sich später kathedralgleich über Teile der Ausgrabungsstätte erheben und Blicke vom Keller bis zum Rathausturm ermöglichen. Die Öffnungen der Stahlrauten-Elemente im Erdgeschoss werden mit transluzentem Glas geschlossen. Die anderen Bereiche der Rauten werden mit Spolien verkleidet, also Fragmenten historischer Natursteinwerkstücke.

Auch Reste einer römischen Fußbodenheizung sind künftig zu sehen.

Auch Reste einer römischen Fußbodenheizung sind künftig zu sehen.

Auf einem rund 600 Meter langen unterirdischen Rundgang größtenteils barrierefrei angelegt und damit auch für Rollstuhlfahrer zugänglich – werden Besucher künftig die Ausgrabungen am Rathaus mit ganz anderen Augen sehen können. Denn die Archäologen haben viele neue Bereiche erschlossen. Darunter einen bisher unerforschten Teil des Praetoriums, der sich in hervorragendem Erhaltungszustand befindet. Auch ein Stück des originalen römischen Fußbodens im Statthalterpalast aus dem vierten Jahrhundert n. Chr. wurde entdeckt – das einzige überhaupt.

„Wir versuchen so viel zu erhalten wie möglich“, betont Wiehen. Das ist für die Bauleute ein schwieriges Unterfangen. Immer wieder mussten Wege, Rampen und Treppen umgeplant werden, weil ein Stück neu ausgegrabene Originalsubstanz im Weg stand, berichtet Zoppelt. Sogar einen Aufzugsschacht habe man versetzen müssen. Und für antike Mauerreste müssten immer wieder in sehr aufwendigen Verfahren neue Fundamente gefertigt werden, um sie für die Nachwelt zu sichern. „Wir haben uns das Ergebnis hart erarbeitet“, sagt Zoppelt über die bisherigen Arbeiten. „Man sieht ja, dass sich der Aufwand lohnt“, betont Wiehen. Ein Datum für die Fertigstellung wollen beide nicht nennen.

Dem Vernehmen nach könnte das interne Zieldatum 2027 gehalten werden. Aber nur, wenn es bei den Ausgrabungen keine größeren Überraschungen mehr gibt.


Das MiQua

6000 Quadratmeter Ausstellungsfläche entstehen im „LVR-Jüdischen Museum im Quartier“, kurz MiQua. Die Stadt Köln baut es, der Landschaftsverband Rheinland (LVR) wird es künftig betreiben. Das Fundament des von Wandel Lorch Architekten entworfenen Gebäudes ruht auf 393 Bohrpfählen. Zum Schutz der archäologischen Funde vor dem schweren Baugerät wurden 14.000 Tonnen Sand und Schotter in die Grabung eingebracht und später wieder abgesaugt. Für den 600 Meter langen unterirdischen Rundgang wurden elf Durchbrüche hergestellt.

Allein in die Bodenplatte, die als Decke der unterirdischen Ausstellung dient, flossen 2800 Kubikmeter Beton. Die Stahlkonstruktion des Gebäudes wiegt rund 1000 Tonnen. Ihren Abschluss bildet ein Dach mit 15 Pyramiden. (fu)