Mit einem stundenlangen und lautstarken Protest machten sich Angestellte im öffentlichen Dienst ihren Unmut Luft. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst fordern nun 10,5 Prozent mehr Gehalt
„Streik muss wehtun“Tausende demonstrieren auf dem Alter Markt in Köln
Tobias Hilger arbeitet bei den Stadtentwässerungsbetrieben (StEB) und kennt die Stadt von ganz weit unten: „Abwasser ist nicht sexy. Aber wenigstens kommt bei den Kläranlagen Sauberes heraus.“ Für den Arbeitgeberverband gelte das Umgekehrte. „Wir machen saubere Vorschläge und am Ende kommt Dreck raus.“ Das Ergebnis der zweiten Runde der Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sei kein ernsthaftes Angebot, allenfalls ein Vorschlag gewesen.
Die Arbeitgeber hatten in den Verhandlungen am vergangenen Donnerstag in Potsdam für mehr als 2,5 Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen ein Angebot vorgelegt, das eine Lohnerhöhung von drei Prozent Ende 2023 und zwei Prozent Mitte 2024 über eine Laufzeit von 27 Monaten vorsah. Zudem sollte eine Inflationsausgleichsprämie in zwei Raten von 1500 und 1000 Euro gezahlt werden.
„Respektlos“ war am Montag auf unzähligen Banner zu lesen, die die Streikenden ganz unterschiedlicher Arbeitsfelder vom Hausmeister über die Inklusionstherapeutin bis hin zu den Abfallwirtschaftsbetrieben oder den städtischen Bühnen dicht an dicht auf dem Alter Markt hochhielten.
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Ungewohnt viele Sparten in Köln vertreten
Die Gewerkschaft Verdi zählte für den Raum Köln-Bonn-Leverkusen 4500 Teilnehmer. Allein für Köln rechnet Ellen Steinhäuser von der Streikleitung mit 3000 Beschäftigten aus ungewohnt vielen Sparten, die es in zwei Märschen vom Hans-Böckler-Platz und dem Willy-Brandt-Platz zum Altermarkt trieb. Dort gab es ein stundenlanges Konzert aus Trillerpfeifen, scheppernden Megafonen und skandierenden Sprechchören, deren Wucht im Rathaus nicht zu überhören war. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst fordern nun 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.
„Streik muss wehtun. Wir sind hier nicht zum Betteln“, folgerte Tobias Hilger von den StEB, der stellvertretend für das Dilemma ganz vieler Sparten im öffentlichen Dienst sprach. „Einen Juristen bei uns einzustellen ist einfacher, als einen Installateur zu finden.“ Unattraktiv sei die Bezahlung, auch das trage zum Fachkräftemangel bei. Vielfach müssten Quereinsteiger geschult werden. Beim Nachwuchs sehe es mau aus.
Junge Gewerkschaftsmitglieder wurden mit viel Applaus bedacht in ihrer Forderung nach nicht nur 200 Euro mehr Gehalt, sondern auch einer Übernahmegarantie. Den Fachkräftemangel erleben Azubis vielfach, indem sie aus dem Stand heraus eine Fachkraft ersetzen sollen, statt von einer solchen zu lernen und sich beraten zu lassen.
Fridays for Future erklärten sich solidarisch mit den Mitarbeitern des Öffentlichen Nahverkehrs. Zumal das Neun-Euro-Ticket ihnen Überstunden und manchen übergriffigen Fahrgast beschert habe. Eine ökologische Verkehrswende müsse im Sinne des Klimas aber auch für die Beschäftigten fair verlaufen.
Bettenstopp im Klinikum Merheim
Witich Roßmann, Vorsitzender DGB Region Köln-Bonn, wertete den Energiepreisdeckel als einen Erfolg, aber es müsse weitergehen mit hohe Steuern auf Übergewinne der Konzerne, Erbschaften und hohe Vermögen. Verdi-Bezirksgeschäftsführer Daniel Kolle wetterte, dass die Politik in Land und Bund „den öffentlichen Dienst auf Verschleiß gefahren hat. Da brauchen wir jetzt einen vierfachen Wumms.“
Und Astrid Schau von der Klinik Merheim sprach vom Bettenstopp, der für den Streiktag angeordnet worden sei. Doch noch viel zu viele Kollegen, seien eingeschüchtert, würden durch ihre Arbeit den Streik brechen. „Aber sie sollten sich wehren, dass sie so wenig verdienen.“ 250 Mitarbeiter der Kliniken waren beteiligt, aber es sollten nach Ansicht Schaus 2500 sein. Zur Krise im Gesundheitssektor sagte sie: „Welchem Krankenhaus geht es wirtschaftlich denn noch gut?“