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27 Taten seit JuniKölner Halsketten-Diebe sollen nach Spanien weitergezogen sein

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Ein Jugendlicher wird am Ebertplatz von Einsatzkräften der Polizei kontrolliert.

Ein Jugendlicher wird am Ebertplatz von Einsatzkräften der Polizei kontrolliert.

Angeblich hat sie der Kontrolldruck nach Spanien vertrieben. Die Stadt steht unter Druck bei der Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher.

Kölns Kripochef Michael Esser spricht von einem „gesetzlosen Treiben“. Über mehrere Wochen sollen jugendliche Intensivstraftäter – überwiegend aus den Maghreb-Staaten – in Köln mehrere hundert Straftaten begangen und für eine Vielzahl von Polizeieinsätzen gesorgt haben. Besonders die „Halsketten-Raubüberfälle“ sorgten für viel Unruhe am Eigelstein, Ebertplatz und im Agnesviertel. Zeitweise waren am Ebertplatz gefühlt mehr Polizisten, als Gäste vor dem Gastro-Container.

Der Einsatz der Polizei hat sich offenbar gelohnt. Die Jugendlichen haben angeblich die Stadt verlassen — nach Spanien, wie die Polizei nun bekannt gibt. „Sie haben erkannt, dass Köln kein gutes Pflaster für sie ist“, betont Esser weiter. Vorher war die Stadt für sie durchaus ein lohnendes Revier. Die Polizei spricht seit Juni von 256 Straftaten, die sie überwiegend minderjährigen und jugendlichen Straftätern aus den Maghreb-Staaten zurechnet. Dabei handelt es sich im Kern um 30 Intensivstraftäter. Ihr Strafregister reicht über Halsketten hinaus: Ihnen werden auch zahlreiche Ladendiebstähle, Taschendiebstähle und Einbrüche zur Last gelegt.

Die Unterkunft an der Allerheiligenstraße steht in der Kritik.

Die Unterkunft an der Allerheiligenstraße steht in der Kritik.

Aber besonders die Halsketten-Taten – seit Juni 27 an der Zahl –, bewegten die Gemüter. Waren unter den Opfern doch auch wehrlose Senioren. „Ich habe Angst, auf die Straße zu gehen“, sagte eine Betroffene bei Recherchen der Rundschau am Eigelstein. Nun hat sich die Lage aus Sicht der Polizei weitgehend beruhigt, obwohl es in der Stadt weiterhin Halsketten-Taten gebe, allerdings nicht mehr vom „Problem-Klientel“.

Große Herausforderung, passende Immobilien zu finden

Die Täterklientel hielt sich in einer Unterkunft an der Allerheiligenstraße in der Innenstadt und anderen Einrichtungen auf. Dass die unbegleiteten Jugendlichen in direkter Nähe zum Kriminalitätsschwerpunkt Ebertplatz untergebracht wurden, brachte der Stadt von Politik und Anwohnern im Viertel viel Kritik ein. Die Stadt verteidigt nun ihr Vorgehen. „Es ist eine große Herausforderung, passende Immobilien zu finden“, sagte der zuständige Dezernent Robert Voigtsberger. Und: „Die Einrichtung gibt es seit dem Jahr 2022. Es gab nie solche Probleme wie in den vergangenen Wochen“. Die Stadt stehe vor einem Kraftakt. „Die Anzahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Köln ist seit Anfang 2023 bis heute um 50 Prozent auf mehr als 600 gestiegen“, ergänzt Voigtsberger. „Wir haben die gesetzliche Aufgabe, die Aufnahmequote zu erfüllen“, sagte er weiter. Die Stadt müsse Plätze für die Flüchtlinge bereithalten und Räume suchen. Dies geschehe täglich.

Auch die stellvertretende Jugendamtsleiterin Barbara Frank betont, dass es schwierig sei, geeignete Räume zu finden: „Die Immobilienlage ist prekär. Wir sind hoch belastet.“ Sanitäre Einrichtungen und die erforderliche Raumgröße seien nötig. Frank berichtet, dass Mitarbeiter des Jugendamts und Sozialpädagogen sich intensiv und die Flüchtlinge kümmern, die oftmals schon viel Leid erlebt hätten. Anwohner und Geschäftsleute beschwerten sich bei der Polizei, dass sich eine große Anzahl der Flüchtlinge aus der Unterkunft an der Allerheiligenstraße nachts auf dem Platz vor der Eigelsteintorburg aufhielten und Passanten bedrohten. Frank teilt dazu mit, dass die Unterkunft nachts nicht verschlossen wird. Dies sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich.

Kripochef Esser ergänzt, dass die erzielte Beute oder der Erlös aus dem Verkauf von gestohlenen Gegenständen in die Heimatländer, beispielsweise nach Marokko, transferiert würden.

Beute fließt auch in den Drogenkonsum

Das Geld werde aber auch in Spielhallen verzockt oder in Drogenkonsum investiert. Diese Erkenntnisse erlangte die Polizei aus Ermittlungsverfahren in der Vergangenheit. Bei den Intensivstraftätern geht die Polizei davon aus, dass die Tatverdächtigen in Köln nicht gezielt in die Stadt gekommen sind, um Beute zu machen. Die Halsketten-Überfälle seien aber „scheinbar lukrativ“.

In einem Fall wurde ein Senior gleich zwei Mal attackiert. Der Mann, der mit einem Rollator unterwegs war, hatte in einem Ärztehaus am Ebertplatz einen Termin. Dort wurde ihm die Halskette geraubt. „Manche Opfer haben Blutergüsse und Abschürfungen erlitten oder stürzten durch das Abreißen der Halskette. „Der Sachschaden ist für uns erstmal unerheblich. Viel wichtiger ist uns, diese Diebe, die selbst vor älteren Menschen am Rollator nicht haltmachen, schnellstmöglich aus dem Verkehr zu ziehen, um die Bevölkerung vor ihnen zu schützen“, heißt es aus Polizeikreisen zur Motivation der Beamten. Doch auch wenn die Lage nun beruhigt erscheine, man sei weiterhin aktiv. „Wir halten die Situation weiter intensiv im Blick und werden genau so weitermachen wie bisher.“

Größter Teil der unbegleiteten Geflüchteten begehen keine Straftaten

So gab es ein Treffen von Landespolizei und Bundespolizei, mit dem Ziel, gemeinsam gegen die Täter vorzugehen. Esser betont, dass der allergrößte Teil der unbegleiteten Flüchtlinge in Köln keine Straftaten begehe. Die straffälligen Jugendlichen hätten sich den angebotenen Maßnahmen von Jugendamt und Pädagogen allerdings widersetzt. Ein großes Problem für die Polizei sind die oftmals falschen Angaben über das Alter der Tatverdächtigen. Auf Nachfrage der Rundschau, informiert die Polizei darüber, dass allein sieben Tatverdächtige, bei der Altersangabe gelogen haben und sich jünger machten.

Viele Jugendliche, die nach Europa geschleust wurden, haben laut Polizei keine gültigen Identitätsdokumente, weil diese angeblich vor oder während der Flucht verloren gingen oder einbehalten wurden. Der Landespolizei und Bundespolizei sind Fälle bekannt, bei denen die Minderjährigen und Jugendlichen ihre Ausweispapiere bewusst wegwerfen, damit sie erst einmal nicht belangt werden können.