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Ungewöhnliche FriedensaktionKölner rollt einen 40-Kilo-Stein zu Fuß nach Österreich

Lesezeit 4 Minuten
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Künstler und Friedensaktivist Rolf Ketan Tepel.

Köln – Gründe genug hatten die Götter, Sisyphos zu strafen. Denn der hatte den Schalk im Nacken und die hohen Herren des Öfteren bloß gestellt. Nun war er also dazu verdammt, den Stein jeden Tag bergauf zu rollen und am Abend zuzusehen, wie er wieder hinab rollte. Auch Rolf Ketan Tepel und seine Mitstreiter André und Imanuel haben ihre liebe Not mit einem Stein. Rund 40 Kilo wiegt das kreisrunde Ding, das bis nach Österreich gerollt werden will. Zu Fuß.

Von Bergisch Gladbach in die Kölner Südstadt

Jetzt muss er erstmal über die Südbrücke geschafft werden. „Wir bringen einen Stein ins Rollen“, erklärt Tepel am Fuß der Brücke in Poll. Von Bergisch Gladbach haben sie den Stein, ein Stück Bohrkern, bis in die Südstadt gerollt. Als es wie aus Eimern schüttete, haben sie das gute Stück bei Pfarrer Franz Meurer in Vingst eine Woche zwischengelagert. Den Weg von dort bis zur Südbrücke legen die drei Männer in rekordverdächtigen eineinhalb Stunden zurück. „Der rollt fast von selbst“, sagt Imanuel.

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Lassen die Südbrücke rumpeln: André, Ketan, Imanuel, und: der Stein.

Die Konstruktion ist denkbar simpel und wahrscheinlich deshalb funktional. Tepel hat den Stein durchbohrt, eine Stahlachse eingezogen, Mutter und Kontermutter auf beiden Enden verschraubt, Karabinerhaken dazwischen und zwei Zügel zum Ziehen: Rollt.

Zu Fuß von Köln nach Berlin: Ein Friedenszeichen

Genügend Erfahrung hat Tepel. „Ich habe 1993 einen Stein von Köln nach Berlin gerollt und wollte dabei auf dem Weg einen Friedensprozess anstoßen. Nach dem Mauerfall hat Deutschland die Chance ausgelassen, im Frieden mit sich und der Welt zu leben. Das hat sich bis heute nicht geändert. Deshalb machen wir uns wieder auf den Weg.“

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Rolf Ketan Tepel und Imanuel schleppen den 40-Kilo-Stein die Südbrücke hinunter. 

Erstes Ziel für den sogenannten Süd-Stein ist der Bauspielplatz – ausgerechnet – im Friedenspark. Seine endgültige Heimat soll dieser Stein im österreichischen Linz finden. Dort kennt Tepel einen Künstler, auf dessen Grundstück noch ein Platz frei ist. Anfang Januar wird er auf dem Bauspielplatz zu einem Gespräch einladen, zu dem jeder

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eingeladen ist, der mitarbeiten möchte. Oder sich gar berufen fühlt, den Stein ein Stück weiter zu rollen. „Ich hoffe, dass viele mitmachen. Beim Gehen und Sprechen lernt man sich viel besser kennen, als wenn man irgendwo rumsitzt“, sagt der Friedens-Aktivist.

Eine Bewegung wie die Love Parade

Zwei weitere Steine sollen von Bergisch Gladbach ins Rollen kommen. Tepel selbst will den West-Stein bis ins deutsch-belgische Grenzgebiet ziehen. Und der Nord-Stein kommt in Dangast am Jadebusen zum Stehen. Irgendwann. André zieht mit und denkt gleich mal in XXL: „Das wird eine Bewegung wie bei der Love Parade. Wir fangen klein an und werden immer größer.“

In ähnlichen Dimensionen kreisen auch die Gedanken von Rolf Ketan Tepel. In Bergisch Gladbach hat seine „Welt-Fried-Akademie“ im ablaufenden Jahr ein Zuhause gefunden. Dabei handelt es sich um zwölf im Kreis angeordnete Steine mit einem weiteren Stein in der Mitte. Tepel versteht diese „soziale Skulptur“ als Kommunikationsforum, auf dem über ein friedliches Miteinander nachgedacht werden soll. Er hat einen Antrag gestellt, das Forum weitere drei Jahre dort betreiben zu dürfen. „Wie damals der Circus Roncalli, der drei Jahre auf dem Stollwerck-Gelände sein durfte, bis dass er stabil genug war, auf Tournee zu gehen.“

Todesopfer an der Berliner Mauer

Ziel der Tournee der „Welt- Fried-Akademie“ ist das „Parlament der Bäume“ in Berlin, einem Gedenkort für die Todesopfer an der Berliner Mauer. Der Weg dahin soll „irgendwie auch ein Zirkuszug“ mit möglichst großer Beteiligung werden, so Tepel.

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Vor der Aktion war der Stein ein unspektakulärer Bohrkern.

Tepel lässt sich auch von Rückschlägen nicht entmutigen. Vor sieben Jahren wurde er aus seinem „Paradies“ vertrieben, einer Wohnwagen-Kolonie am Eifelwall im Schatten des Justiz-Zentrums. Jetzt ist er wieder in Köln. Wenn auch nur vorübergehend. Aber umtriebig wie eh und je. Sisyphos ist für ihn ein Symbol für Aufbruch und Wandel. „Der Mensch erhebt und bewegt sich.“

Tepel bricht das große griechische Drama herunter auf den ganz und gar irdischen Alltag: „Ich habe großen Respekt vor den Menschen, die jeden Morgen aufstehen und sich auf der Arbeit den häufig gleichen Herausforderungen stellen. Und jeden Abend den Spül machen.“

Der berühmte Essay von Albert Camus über Sisyphos endet mit den Sätzen: „Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ So glücklich wie Rolf Ketan Tepel.