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Existenzangst in KölnDarum stehen einige Händler am Kölner Eigelstein vor dem Aus

Lesezeit 4 Minuten
Der Eigelstein ist wenig besucht.

Nur wenige Menschen flanieren über den Eigelstein.

Viele Händler auf dem Eigelstein fürchten um ihre Existenz. Rund ein Jahr nachdem dort eine Fahrradstraße eingerichtet wurde, ziehen sie eine bittere Bilanz.

Mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer, weniger für Autos: So soll die Verkehrswende in den Veedeln vorangetrieben werden. Mal mithilfe von Verkehrsversuchen. Mal direkt mit einem Beschluss. Doch was die Lebens- und Aufenthaltsqualität verbessern und dem Klimaschutz dienen soll, sorgt in vielen Fällen für Streit unter den Anwohnern und Frust beim Handel. Nach rund einem Jahr „Fahrradstraße“ auf dem Eigelstein ziehen dort nicht wenige Geschäftsleute eine bittere Bilanz. Sie sehen ihre Existenz bedroht.

„Viele Stammkunden kommen nicht mehr“

„Ich lebe seit über 22 Jahren auf dem Eigelstein“, sagt Magdalena Tzika stolz. Die Inhaberin eines Kosmetikstudios hat schon viele Hoch- und Tiefphasen des quirligen Viertels mitgemacht. Doch so tief wie jetzt sei es noch nie gesunken. „Hier ist nur noch tote Hose“, sagt sie. „Viele Stammkunden kommen nicht mehr“, zieht sie nach rund einem Jahr Fahrradstraße bittere Bilanz. Die Geschäftsfrau kann es beziffern: „Nicht nur ich verzeichne Umsatzeinbußen von 50 bis 60 Prozent.“ Magdalena Tzika bezieht das klar auf die neue Verkehrsführung. „Ich habe nicht nur Kunden aus dem Viertel, die mit dem Fahrrad oder zu Fuß kommen können.“ Wer früher mit dem Auto kam, bliebe nun weg. „Es gibt ja im näheren Umfeld auch kein Parkhaus.“ Umstände, die das Leben auf dem Eigelstein umgewälzt hätten.

Manche Geschäfte machen schon um 17 Uhr Schluss

„Früher hatten wir bis 22 Uhr Publikumsverkehr. Heute machen einige Geschäfte schon um 17 Uhr zu, weil danach keiner mehr kommt“, sagt Tzika. Manch ein Geschäft sei deshalb schon bankrott. Die Blumenverkäuferin von gegenüber stimmt ihr zu: „Die Kunden bleiben einfach weg.“ Weil sie ihre Blumen seit über 30 Jahren in guter Qualität preiswert anbiete, habe sie auch Stammkunden beispielsweise aus Nippes oder Rodenkirchen gehabt. Da die aber nicht mehr vorfahren könnten, sei selbst am Valentinstag oder zu Weihnachten Ebbe in der Kasse. „Sehen Sie doch selbst, nichts zu tun“, sagt sie, während sie zum Zeitvertreib Stengel zurechtschneidet.

Starktrinkerszene hat sich festgesetzt

Die Zustände kann die Besitzerin eines Brillengeschäftes bestätigen, ohne selbst darunter zu leiden. „Ich habe Kundenparkplätze.“ Ansonsten sähe es auch für ihr Traditionsgeschäfts schlecht aus. Worunter sie aber genau so leide wie ihre Kolleginnen sei die Verwahrlosung des Viertels. Bänke statt Parkplätze hätten den Eigelstein für Obdachlose attraktiver gemacht. Eine Starktrinkerszene hat sich auf der Straße festgesetzt. Täglich käme es zu Auseinandersetzungen zwischen Radfahrern und Fußgängern. Dazu der Leerstand. „Wer will hier noch flanieren?“, so ihre rhetorische Frage.

„Mehrheit will Fahrradstraße“

Burkhard Wennemar will es mehr denn je. Er ist der 1. Vorsitzende des Bürgervereins Kölner Eigelstein, auf dessen Initiative die neue Verkehrsführung zurückgeht. Er hält den Kritikern entgegen: „Die Mehrheit auf dem Eigelstein will die Fahrradstraße.“ Dass der Wegfall des Autoverkehrs für Umsatzeinbußen ursächlich sei, hält er für ein „Scheinargument“. „Der Handel leidet an den Folgen von Corona und Inflation sowie unter der Online-Konkurrenz.“ Dass auf der Straße weniger Menschen unterwegs sein sollen, bezweifelt er. „Das verteilt sich jetzt bei mehr Platz einfach anders.“ Obdachlosigkeit und Straßenprostitution auf dem Eigelstein sei ein gesamtgesellschaftliches Problem. Die Konflikte zwischen Radlern sieht auch er als einen Punkt, an dem nachgebessert werden müsse. „Wir setzen uns für eine Fußgängerzone anstelle der Fahrradstraße ein“, sagt Wennemar.

Jeden Tag Streit

Die einen klagen, die anderen jubeln – für Günter Leitner (CDU), stellvertretender Bezirksbürgermeister, ergibt sich daraus kein objektives Bild. Er fordert von der Verwaltung eine sachliche Auswertung der Verkehrsführung und ihrer Begleiterscheinungen. „Die Geschäfte sind weniger besucht“, so seine Beobachtung. Und jeden Tag herrsche Streit zwischen Radfahrern und Fußgängern. „Der Straße fehlt die Aufenthaltsqualität, die urbane Struktur“, kritisiert er. Und weil dort alles so „unklar und unsicher“ geworden sei, „haben immer weniger Menschen Lust, hier einzukaufen“. Leitner will nicht uneingeschränkt die Autos zurück, aber er fordert eine ansprechende Neugestaltung des Verkehrsraums ein. Und er nimmt auch die Geschäftsinhaber in die Pflicht. „Auch die Struktur der Läden muss sich verändern.“