AboAbonnieren

Kirmes in Köln„So geht man nicht mit 130 Schausteller-Familien um“

Lesezeit 6 Minuten
Die beiden stehen auf dem Zugang zu einem Fahrgschäft.

Maßlos enttäuscht vom Vorgehen der Stadt: die beiden Vorstände der GKS, Willi Krameyer und Otto Weber (v.l.)

Der Kölner Rat kritisierte die Vergabe der Kirmes 2024 an einen neuen Ausrichter vehement. Und auch die Schausteller wollen sich wehren.

Diesmal ist alles anders. Statt Vorfreude aufs Herbstvolksfest in der Heimatstadt Köln schwingen tiefe Verunsicherung, Ratlosigkeit und auch Wut mit, als Willi Krameyer, Vorstand der Gemeinschaft Kölner Schausteller (GKS), die neuen Attraktionen der Kirmes auf der Deutzer Werft vorstellt. Sie beginntam Samstag und dauert bis 5. November. Vor kurzem hatte die Stadt der GKS mitgeteilt, dass sie die Kirmes im Frühjahr und Herbst 2024 nicht mehr ausrichten wird - zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren.

Krameyer kündigte an, die GKS werde wohl vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen die Entscheidung klagen, „wenn sich nichts mehr ändert“. Dafür hat sie bis 7. November Zeit. Das Ordnungsamt hatte für 2024 erstmals drei Bewerbungen für die Kirmes vorliegen und sich für einen anderen Ausrichter entschieden. Dem Vernehmen nach handelt es sich um eine Privatperson aus Leverkusen (wir berichteten).

Kirmes in bewährter Form mit den bisherigen Akteuren fortführen.
Aus dem Dringlichkeitsantrag der SPD im Stadtrat

Am Donnerstagabend befasste sich der Stadtrat mit den Hintergründen der Entscheidung. Stadtdirektorin Andrea Blome sah sich mit scharfer Kritik und bohrenden Fragen konfrontiert. In einem Dringlichkeitsantrag forderte die SPD, die Kirmes „in bewährter Form mit den bisherigen Akteuren“ fortzuführen. SPD-Ratsherr Mike Homann betonte, die GKS habe seit 1996 500.000 Euro aus eigenen Mitteln in die Herrichtung der Deutzer Werft für die Kirmes investiert. Die GKS repräsentiere 130 Kölner Schaustellerfamilien, die in Köln Gewerbe- und Einkommensteuer zahlen. „So geht man nicht mit 130 Familien um, mit denen wir seit 50 Jahren zusammenarbeiten“, kritisierte Homann.

Er trat Blomes Darstellung entgegen, die Antragsunterlagen der GKS seien nicht vollständig gewesen. Die Stadt habe eine Versicherung gegen Umweltschäden über drei Millionen Euro verlangt. Die GKS habe eine Police über fünf Millionen Euro für Sach- und Personenschäden vorgelegt. Darin seien Umweltschäden eingeschlossen, wenn auch nicht explizit aufgeführt. In so einem Fall, so Homann, erwarte er „nach 50 Jahren Zusammenarbeit“, dass die Verwaltung in der Lage sei, zum Telefonhörer zu greifen, um das zu klären.

Das meinte auch Jörg Detjen (Linke). Die Verwaltung habe hier jedes Fingerspitzengefühl vermissen lassen. Zudem habe Blome den Verwaltungsausschuss des Stadtrats nicht über den Vorgang informiert. „Das können wir uns als Rat nicht gefallen lassen.“ Manfred Richter (Grüne) sagte, der ganze Vorgang sei „hoch seltsam“ und müsse aufgeklärt werden. Volker Görzel (FDP) meinte, die Entscheidung der Stadt sei „das Gegenteil von fair, das Gegenteil von transparent und das Gegenteil von nachvollziehbar“.

Ich weiß es nicht, warum man das nicht gemacht hat. Man hat auch meine Person nicht einbezogen. (...) Ich hätte vielleicht auch ganz gerne vorher Bescheid gewusst, wie der Ablauf in dem Verfahren war.
Andrea Blome, Stadtdirektorin

Stadtdirektorin Blome äußerte sich nicht zu der Versicherung. Sie sagte nur, die GKS sei nicht zum Zug gekommen, weil sie nicht alle Anforderungen erfüllt habe. Wenn es mehrere Bewerber gebe, müsse die Stadt ein Auswahlverfahren durchführen - mit Kriterien, die von allen Bewerbern erfüllbar sein müssten. Ob jemand vorher Investitionen erbracht habe, spiele dabei keine Rolle.

Auf die Frage, warum das Ordnungsamt die Politik nicht über das geänderte Verfahren informiert habe, zeigte sich Blome einigermaßen ratlos über die Vorgänge in der ihr unterstellten Behörde. Sie sagte: „Was soll ich jetzt antworten. Ich weiß es nicht, warum man das nicht gemacht hat. Man hat auch meine Person nicht einbezogen. Man hat das Verfahren so durchgeführt. Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht. Ich hätte vielleicht auch ganz gerne vorher Bescheid gewusst, wie der Ablauf in dem Verfahren war. Tut mir leid.“

Stadt bestätigte gute Zusammenarbeit mit der Schaustellergenossenschaft

„Wir sind geschockt, dass die Stadt uns eine Abfuhr erteilt hat, obwohl wir seit 1996 eine halbe Million Euro in die Sanierung des Platzes investiert haben“, sagte GKS-Aufsichtsratsvorsitzende Tanja Hoffmann der Rundschau. Bei vielen Runden Tischen habe man mit gemeinsam Stadt und Anwohnern Schutzkonzepte gegen Parksuchverkehr, Raser auf der Siegburger Straße und Verschmutzung entwickelt, umgesetzt und finanziert. Das bestätigte auch Blome: Die Zusammenarbeit sei sehr gut gewesen.

Die Bürgervereinigung Deutz bekundete ihre Solidarität mit den Schaustellern. „Hier wurde durch die Fachverwaltung der Stadt Köln wieder mal eine Entscheidung getroffen, ohne die Akteure aus dem Veedel und der lokalen Politik zu beteiligen. Unsere Solidarität ist bei allen Mitgliedern der GKS“, so der erste Vorsitzende George Klein. Vorstandsmitglied Katharina Dellhofen ergänzt: „Die GKS hat es bei den letzten Volksfestterminen geschafft, im Deutzer Veedel ein hohes Maß an Zufriedenheit und Akzeptanz zu gewinnen. Über eine solch positive Entwicklung und großes Engagement der GKS einfach hinwegzugehen, ist ignorant.“

Wieder Familientag und Feuerwerk

Bis 7. November können die Kölner Schausteller Klage einreichen, und unterdessen läuft die Herbstkirmes an, „mit hoffentlich vielen Besuchern, auch wenn das Wetter gerade nicht mitspielt“, so GKS-Vorstand Otto Weber. Die Fahrgeschäfte, Wagen und Stände der Herbstkirmes sind bei jedem Wetter geöffnet. Darunter ist auch eine ganz neue Attraktion. „Weltpremiere hat bei uns das 55 Meter hohe Anubis. Es ist direkt von seinem Hersteller in Italien nach Deutz gekommen“, so Krameyer.

Anders als im Frühjahr, als die Schausteller zunächst durch die Verkürzung ihrer Öffnungszeiten in den besucherstarken Abendstunden verunsichert waren, gibt es jetzt wieder einen Familientag mit halbierten Preisen für alle Fahrgeschäfte. „Wir wollen auch etwas für die Menschen machen, die seit langem zu uns kommen und durch die Preissteigerungen weniger Geld zur Verfügung haben. Gerade jetzt, wo es rundum so viele belastende Ereignisse gibt“, sagt Krameyer.

Dazu trägt auch das Feuerwerk am letzten Kirmessamstag bei. Und vielleicht auch eine kleine Geste, die es ausschließlich beim Autoscooter „House Party“ gibt. „Meine Frau gibt Kindern, die in ihrem Halloween-Kostüm auf die Kirmes kommen, dann immer einen Fahrchip umsonst“, sagt Willi Krameyer. Und muss dann doch trotz allem schmunzeln.


Attraktionen, Öffnungszeiten und Preise

Neu auf der Herbstkirmes sind die folgenden Fahrgeschäfte: Anubis: ein 55 Meter hohes Booster-Karussell mit einem rotierenden langen Arm, an dessen zwei Enden jeweils acht Fahrgäste in Kabinen sitzen. High Impress: Ein Fahrgeschäft für Jugendliche, bei dem das runde Fahrgastplateau in drei Richtungen zu spektakulären Feuer- und Wassereffekten in drei Richtungen rotiert. Voodoo Jumper: Eine riesige Gondel, die bis in 24 Meter Höhe schwingt. Verrückte Farm: Ein Irrgarten für Familien auf drei Ebenen rund um das Thema Farm und Tiere. Autoscooter House Party 2.0: die Hälfte der Scooter kann jetzt auf Wunsch auch seitlich driften, dazu gibt es ein neues Lichtkonzept.

Wieder mit dabei sind unter anderem die Wilde Maus, das Bungee Trampolin, ein 48 Meter hohes Riesenrad, Breakdance, Tahiti Ball, die Kinderachterbahn, ein Mini-Hubschrauber-Fahrgeschäft für Kinder, der Musikexpress, das 3D Kino und vieles mehr.

An vier Ausschankbuden gibt es Kölsch vom Fass (0,2 Liter für 2,50 Euro), und neben Reibekuchen, Bratwurst (4,50 Euro), Backfisch und Süßwaren aller Art gibt es auch ein Angebot für Veganer: vegane Champignons, Crepes und Pommes mit veganer Mayonnaise.

„Die ermäßigten Preise sind bei fast allen Fahrgeschäften gleich geblieben, sie liegen zwischen drei und vier Euro“, so Krameyer. Erwachsene zahlen bei einigen Geschäften jetzt 0,50 Cent mehr als im Vorjahr. Für sie kosten die Fahrten zwischen acht Euro (Anubis und Riesenrad) und vier Euro (Autoscooter 2.0).

Nach der Segnung des neuen Fahrgeschäftes Anubis um 11.30 Uhr wird die Deutzer Herbstkirmes am Samstag, 28. Oktober, um 12 Uhr eröffnet; sie schließt um 22 Uhr. Sie dauert neun Tage, der letzte Veranstaltungstag ist Sonntag, 5. November. Die Kirmes ist wie folgt geöffnet: 29. Oktober von 12 bis 21.30 Uhr, 30. Oktober von 14 bis 21.30 Uhr, 31. Oktober von 14 bis 22 Uhr, 1. November (Allerheiligen) von 18 bis 21.30 Uhr, 2. November 14 bis 21.30 Uhr (Familientag mit 50 Prozent Ermäßigung bei den Fahrgeschäften), 3. November 14 bis 22 Uhr (Feuerwerk ab 21.30Uhr), 4. November 12 bis 22 Uhr, 5. November 12 bis 21.30 Uhr. Die Fahrgeschäfte schließen aufgrund der Vorgaben zum Lärmschutz jeweils bereits eine halbe Stunde vorher.