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Besuch bei Kölner Rollenspielern„Selbst den Namen kann man ablegen“ – Hobbit, Hexe und Schamane für eine Nacht

Lesezeit 5 Minuten
Fall der Schamane, Sean der Priester und Rasputin Ravensberg, der Henker und Totengräber

Fall der Schamane, Sean der Priester und Rasputin Ravensberg, der Henker und Totengräber

Regelmäßig treffen sich im alten Fort in der Kölner Südstadt Menschen, die für ein paar Stunden zu Schamanen, Hexen oder Henkern werden. Ein Besuch.

„Wir gehen erst ins Mytholon, um die richtige Gewandung für deinen Charakter zu kaufen, und heute Abend treffen wir uns vor dem Con in der LARP -Taverne.“ Solche Verabredungen sind unter Menschen, die der LARP (Live Action Role Playing)-Community angehören, nichts Ungewöhnliches. LARPer kennen die Fachtermini, wissen, dass man nicht Kostüm, sondern Gewand sagt, dass man nicht irgendetwas anzieht, sondern im Fachladen „Mytholon“ die richtige Kleidung kaufen sollte und dass die LARP-Taverne sich im alten Fort in der Kölner Südstadt befindet.

Improtheater ohne Bühne und Publikum

Bis zu 200 Menschen in mittelalterlichen Fantasie-Gewändern treffen sich einmal im Monat in dem Gewölbe des Forts und spielen live bis weit nach Mitternacht einen bestimmten Fantasy-Charakter. Dieses Live -Rollenspiel findet ohne Zuschauer statt, ist eine Art Improtheater ohne Bühne und Publikum. Sobald man das Gelände betrifft, ist man schon mittendrin.

Die Freunde gehen als Hobbits.

Die Freunde gehen als Hobbits.

„Wir geben die Geschichte und ein Handlungsgerüst vor, die Spieler erfinden ihre Charaktere, mit denen sie in dem Plot agieren. Ob als Magier, Schamane, Hexe, Ritter oder Burgfräulein, keiner muss genaue Texte lernen, alles entsteht aus der Situation heraus. Die Teilnehmer tauchen vollständig in ihre Fantasywelt ab. Jeder Con ist einmalig. Es ist Generalprobe und Uraufführung in einem“, sagt Mercedes Buyala, die gemeinsam mit Oliver Hombach – beide seit ihrer Jugendzeit leidenschaftliche Fantasy-Spieler – seit fast 30 Jahren LARP-Treffen in Köln und Umgebung organisiert.

Wo man in Köln Kettenhemden und Fake-Äxte kaufen kann

Neben der Spiellocation im alten Fort gibt es der Kölner Südstadt eine weitere wichtige Anlaufstelle für die LARP-Community: „Mytholon“, einen Laden, in dem man Kettenhemden, Ritterrüstungen, Röcke und Hemden im mittelalterlichen Stil sowie echt aussehende Schwerter und Äxte aus Kunststoff kaufen kann. Vor fünf Jahren wechselte zwar der Ladenbesitzer, aber das Angebot ist weitgehend unverändert.

„Unsere Kleidung ist ausschließlich aus Naturstoffen wie Leinen oder Baumwolle. Wir versuchen, uns originalgetreu an mittelalterlichen Schnitten zu orientieren. Es gibt immer mehr Menschen, die das Liverollenspiel als Hobby entdecken, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit“, sagt Fabian Meier Heider von der „Mytholon“-Zentrale, die auch Läden in Hamburg, Leipzig und Rom betreibt. Die Kölner Filiale wird Ende Juni sogar umgebaut, die Nachfrage sei groß, vor allem in der Karnevalszeit, dann kämen auch Jecke, die auf authentische und hochwertige Kostüme setzten.

Zu den Kunden im Kölner Laden gehört auch eine Gruppe junger Männer und Frauen aus Kerpen, die immer wieder zu den Treffen im alten Fort kommen. Gorn, Tasch, Katharina von Krischbaum und ihr Bruder Arnold, die eigentlich Florian, Lisa, Patrizia und Kevin heißen, sind in die Rolle von Hobbits geschlüpft und haben das einen oder andere Kleidungsstück extra für den Kölner LARP-Abend im dem Kölner Laden gekauft.

Nie ein Kämpfer, immer nur ein Hobbit

„Ich würde nie einen Kämpfer spielen wollen, Hobbit ist genau der richtige Charakter. Meine Schulfreunde finden mein Hobby merkwürdig, aber das ist mir ziemlich egal. Ich fühle mich wohl, es macht Spaß, in echt in eine Rolle zu schlüpfen, statt sie nur auf dem Computer zu spielen“, erzählt der 15-jährige Arnold von Kirschbaum alias Kevin.

„LARP ist Urlaub von sich selbst, man braucht kein Handy, keine Uhr, keine Jeans und keinen Anzug. Selbst den eigenen Namen kann man abgeben“, sagt Rasputin Rabensang, der seit 25 Jahren in der LARP-Community als Henker und Totengräber unterwegs ist. Seine Begleiter Fall, der Schamane, und Sean, der Priester, der in den letzten 26 Jahren schon sieben Charaktere gespielt hat, stimmen ihm zu. „Das Livespiel entschleunigt, man lebt mehrere Stunden in seiner Rolle und vergisst die reale Welt.“

Die echte Welt ist unerheblich

Was die einzelnen Mitspieler im realen Leben machen, ist unerheblich, da alle in einer fiktiven Welt, in einer Fantasy Geschichte spielen. In der Verkleidung können Staatsanwältinnen, Architekten, Zahnärzte, Hausmänner oder Studentin stecken. Egal welchen Charakter die Teilnehmer spielen, alle müssen sich an Regeln halten, darüber wacht das Orga-Team rund um Mercedes Buyala und Oliver Hombach. Mit ihrem Team LARP.net organisieren die beiden pro Jahr rund 20Veranstaltungen in Köln und im Umland.

„Hier in der Südstadt bieten wir einmal im Monat ein kleines Setting zum Reinschnuppern mit kurzen Workshops für Einsteiger. Es gibt in Deutschland über 1000 Veranstaltungen, darunter zum Beispiel Großcons wie das Drachenfest in Hessen mit mehr als 5000 Teilnehmenden oder unsere Events auf Burg Bilstein im Sauerland, die über mehrere Tage gehen. Die Genres von LARP-Veranstaltungen können vielfältig sein, von Zombies, Science-Fiction über Vampire bis hin zum 20-er Jahre- LARP ist alles dabei“, sagt die Eventmanagerin Bayala.

„Das Perfekte am Larpen ist, dass so ein Live-Rollenspiel nicht nur sehr kommunikativ ist, sondern auch generationenübergreifend. Rollenspiele funktionieren in jeder Altersgruppe: Neben Einzelspielern kommen junge Familien oder Großeltern mit den Enkelkindern. LARP ist ein tolles pädagogisches Mittel, um die junge Generation von Computerspielen auch mal an die frische Luft zu locken“, versichert Oliver Hombach.

So bietet der Verein „Waldritter“ aus Herten Live-Rollenspiele speziell für Kinder und Jugendliche an, die von Erlebnispädagogen begleitet werden. Diese Veranstaltungen sind als Teil der politischen Jugendbildung eingestuft und werden von der Zentrale für politische Bildung gefördert. Auch in Skandinavien ist EduLARP ein anerkanntes pädagogisches Mittel, um Kinder und Jugendliche aus der digitalen in die analoge Welt zu locken.