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So wohnt KölnPromi-Bewohner und imposanter Kamin – Kleidermacher lebt umgeben von Kunst

Lesezeit 5 Minuten
Ein Mann mit einem blau-weiß-gestreiften Anzug sitzt an einem Tisch, der mit Blumen-Fliesen gemustert ist.

Holger Pinsdorf wohnt und lebt mitten in der Innenstadt.

Holger Pinsdorf lebt und arbeitet in der Kölner Innenstadt. Er schätzt seine kunstvolle Wohnung. Die Innenstadt habe sich verändert, bleibe für ihn aber lebenswert.

Der Springbrunnen plätschert im Innenhof. Der Blick geht vom Balkon im Dachgeschoss über das weitläufige Areal, dem Gebäudekomplex, der einst der Allianz, heute der AIK, gehört. Es fühlt sich nach Idylle und Ruhe und gleichzeitig Großstadtfeeling an. Kein Straßenlärm. Nichts. Holger Pinsdorf wohnt und arbeitet mitten in der Innenstadt.

An der Sankt-Apern-Straße verkauft er seit 25 Jahren Herrenbekleidung, überwiegend Maßanfertigung für das gehobene Klientel. Die Strickware kommt aus Italien, Emanuel Berg aus Danzig fertigt die Hemden, die Anzüge kommen aus Portugal. „Es ist wichtig, dass nicht einer alles macht, denn dann machst du nichts richtig“, weiß der Geschäftsmann.

Nachdenklich sitzt Pinsdorf, Jahrgang 1976, vor seinem Geschäft, in das er vor fünf Jahren auf der gleichen Straße umzog (Corona hatte die Mietpreise im Vorgeschäft in die Höhe schnellen lassen.) Die 80 Quadratmeter teilt sich der Einzelhandelskaufmann mit Sabine Gagel-Zimmermann, die mit „Herzwerk“ auf Maßschneiderei für Damen setzt.

Veränderte Geschäftswelt und leere Läden

Die Innenstadt neu denken? Das sieht der Geschäftsmann in seiner Straße nicht. „Köln wurde gegründet, damit Leute in die Stadt kommen, um von außen Handel zu betreiben. Heute kommen alle auf die Idee, die Leute aus der Stadt zu halten.“ „Seine Straße“ sei ein gutes Beispiel. Früher war es eine attraktive Straße, gefüllt mit Antiquitätenhändlern und Galerien. „Es war eine tolle Gemeinschaft“. Heute steht nahezu jedes Geschäft leer. Die meisten Inhaber hätten aufgegeben, die wenigsten aus Altersgründen. Deshalb gäbe es auch keine Weihnachtsbeleuchtung mehr. Für wen denn? Für Pinsdorf ist die Lage dennoch ideal, seine Stammkundschaft möchte in Ruhe anprobieren. Sein Lieblingslokal, das Restaurant Hase, liegt gleich nebenan. Fußläufig geht es auch zu seiner Wohnung.

Ein Wohnraum mit einem über vier Meter hohen, schwarzen Kamin. Links und rechts vom Kamin stehen Bibliotheken, die sicherlich gute sechs Meter Höhe messen.

Der Kamin im Wohnraum ist über vier Meter hoch.

Pinsdorf wohnt dort mit seinem Mann seit sechs Jahren auf der obersten Etage. Die beiden sind über 15 Jahre zusammen, seit acht Jahren verheiratet. Eher unscheinbar ist der Hauseingang und das Treppenhaus. Mit dem Aufzug geht es hoch in den obersten Stock. Die Eingangstür, eine Brandschutztür in einem eher unschönem Grünton, lässt nicht auf den Anblick schließen, der sich im Flur eröffnet. Weitläufig geht der Blick, aufwendige Bleiverglasung und Intarsienarbeiten fallen ins Auge. Die Wohnung hat 170 Quadratmeter, Schlafzimmer, Gästezimmer und Bad mit Waschküche liegen auf der Galerie, zu der eine Wendeltreppe führt. Der Wohnraum besteht aus einer offenen Küche und Wohnzimmer mit zwei angrenzenden Balkonen.

„Es ist definitiv nicht familiengerecht.“ Als Pinsdorf die Wohnung vor gut sechs Jahren das erste Mal in Augenschein nahm, war sein erster Eindruck: Das ist es. „Mein Mann war weniger begeistert.“

Prominente Bewohner und ein imposanter Kamin

Ein Anwalt wohnte hier einst, auch der Eigentümer der Tanzschule Schulersecki. Tina Turner, früher Stammgast im benachbarten Restaurant La Vita, soll dort gewohnt haben, als ihre Villa in Marienburg umgebaut wurde. „Ob das stimmt, wer weiß?“ La Vita Chef Salvatore Luca hat dort gewohnt. (Erwin Bach, letzter Ehemann von Tina Turner, verkehrt heute noch beim innerstädtischen Nobelitaliener). Luca ließ auch einen gewaltigen Kamin einbauen, der heute noch das Wohnzimmer bestimmt. Ein schwarzer Marmor und Stein-Turm, gut viereinhalb Meter hoch. Pinsdorf: „Kein Mensch käme auf die Idee, sich einen solchen Kamin zu bauen, aber der ist so gewaltig, das ist schon wieder genial.“ Angefeuert wird er dennoch selten.

Beim Einzug war die Wohnung völlig heruntergerockt. Sämtliche Wände waren in gelber Schleiflacktechnik lackiert. „Das sah aus wie Glas und musste komplett abgeschliffen werden. Sonst hätte die Farbe nicht gehalten.“

Eine dunkelgrüne Miele Siematic-Küche mit Edelstahlelementen.

Die Küche ist ein Schmuckstück

Auch der Boden, schräg verlegt, wurde abgeschliffen und geölt. Das meiste haben die beiden herausgerissen, das Beste gelassen. Etwa die von Hand gefertigte Bleiverglasung, den Kamin, die Einbauschränke mit Intarsien, die Bibliothek, die sicherlich gute sechs Meter Höhe misst. Nach einem Wasserrohrbruch ist das Bad neu gemacht worden. „Auch die Küche war völlig abgerockt und sollte herausgerissen werden“. Doch alleine der alte Gaggenau Herd zeugt von der Qualität, die mittlerweile über 30 Jahre Bestand hat. Das satte Grün der Miele Siematic-Küche mit den Edelstahlelementen wirkt wie neu. „Es musste alles wirklich nur richtig sauber gemacht werden“, sagt Pinsdorf.

Der Blick schweift durch den Raum. Überall Kunst. Die beiden haben über die Jahre gesammelt. Bilder von Gottfried Helnwein zieren die Wände, dessen hyperrealistische Technik, bei der jedes Detail akribisch ausgearbeitet ist, den Betrachter in seinen Bann ziehen. Es ist ein bisschen zusammen gemischt. Pinsdorf mag es nicht, wenn es aussieht wie im Katalog. Es gibt ein Werk von Hermann Nitsch, aber keines seiner Blutbilder.

Die meisten Bilder hat er aus dem Umfeld, den Galerien aus der damaligen Nachbarschaft. Sein erstes Bild stammt aus der Galerie 7 von der Künstlerin Kirsten van den Bogaard, die alltägliche Situationen fotografisch festhält und auf glanzlackierten Aluminiumplatten malerisch umsetzt.

Blick in einen Innenhof

Blick in den Innenhof

Wachdienst nötig

Sein Lieblingsplatz ist die Couch. Und der Blick auf den idyllisch wirkenden Innenhof. Abends ist die Apostelkirche beleuchtet und auch die Kreishaus-Galerie. „Das sieht dann aus wie ein Luftschiff. So ist das damals auch geplant worden. Eigentlich ist es wunderschön, mitten in der Stadt, trotzdem in absoluter Ruhe.“

Mittlerweile braucht es ab 18 Uhr einen Wachdienst (der auf die Nebenkosten umgelegt wird). Der plätschernde Brunnen ist die Kindergedenkstätte Löwenbrunnen am Erich-Klibansky-Platz, die an die Deportation und Ermordung von über 1.100 jüdischen Kindern und Jugendlichen aus Köln während des Nationalsozialismus erinnert. Heute erinnert der Gedenkbrunnen leider auch an Obdachlose und Drogensüchtige, die hier ihre Wäsche im Brunnen waschen. Zweimal die Woche, das kann passieren, schäumt der Brunnen deshalb über. Die Innenstadt hat sich verändert. „Aber wenn wir Köln nicht verlassen, bleiben wir auf jeden Fall hier wohnen“.