Zu eng gibts hier nicht: Verstellbare Hosen, die sich Trägerin oder Träger anpassen, sind das besondere Konzept des Geschäfts auf der Ehrenstraße.
„Das Werkhaus“ in KölnWarum die Hosen in diesem Laden allen passen
Wer hat das beim Shoppen noch nicht erlebt? Man sucht sich eine Hose oder ein Kleid in der vermeintlich passenden Größe aus – nur um in der Umkleidekabine festzustellen, dass der Reißverschluss sich nicht einmal ansatzweise schließen lässt.
Ganz anders hingegen verläuft der Besuch bei „Das Werkhaus“ an der Ehrenstraße. Wer dort eine Hose anprobiert, hat eher das Gefühl, in dem Textil zu versinken. Und das ist durchaus so gewollt, erklärt Inhaber Sim Bender: „Kürzer und enger machen geht immer. Umgekehrt wird es schwierig.“
Das ist nicht die einzige Besonderheit, in der sich „Das Werkhaus“ vom konventionellen Modebetrieb unterscheidet. So gibt es weder herkömmliche Konfektionsgrößen, noch getrennte Herren- und Damenabteilungen. „Unsere Idealvorstellung“, beschreibt Bender die Unternehmensphilosophie, „sind Kleidungsstücke, die wirklich allen passen.“
Zwar führt „Das Werkhaus“ auch Oberteile und Mäntel, der Fokus aber liegt auf Hosen. Um sie möglichst optimal an die individuelle Körperform und Größe der Trägerin oder des Trägers anpassen zu können, sind sie mit verstellbaren Knopfleisten, Reißverschlüssen und Schnallen ausgestattet, teils als plakative Dekoelemente, teils versteckt. Sollte sich das optimale Ergebnis auf diese Weise nicht erzielen lassen, führt „Das Werkhaus“ auf Wunsch auch kleinere Anpassungsarbeiten durch.
Das Werkhaus in Köln: DDR-Postsäcke werden zu Hosen
Die Marke „Das Werkhaus“ wurde bereits vor etwa 15 Jahren von Benders Vater gegründet. Der Sohn war von Anfang an fasziniert, verbrachte viel Zeit in der Werkstatt und lernte so quasi nebenbei den Umgang mit Stoffen und Schnitten. Dennoch entschied er sich zunächst für eine Schauspielausbildung an der Theaterakademie Köln. Nach Engagements in Köln und Neuwied orientierte er sich dann doch in Richtung Mode und eröffnete zunächst einen kleinen Laden namens „Articus“, ein Mischkonzept aus Café und „Das Werkhaus“-Kleidung. Dort eignete er sich das Wissen über Produktion, Verkauf und Personalplanung an, das ihm heute zugutekommt.
Anfang dieses Jahres war es dann soweit: Nachdem „Werkhaus“-Mode bisher nur in kleinen Shops verkauft wurde, wagte Bender den großen Schritt und eröffnete mitten auf der Ehrenstraße einen Flagship Store. Anstelle eines bis ins Detail durchgestylten Ladenlokals erwartet die Kunden cleaner und reduzierter Industriechic. Die Kleidung wird unprätentiös auf Kleiderstangen entlang der Wände präsentiert, als zusätzliche Hingucker dienen Bilder und Skulpturen wechselnder Künstler.
Ein auffälliges Detail ist die Theke, die bei näherem Hinsehen aus gestapelten Jeanshosen besteht – ein Restposten, der einem Schweizer Unternehmen abgekauft wurde. Der Jeanssoff sei, anders als konventionelle Ware, nicht mit Chemikalien gebleicht und dadurch besonders robust und langlebig, schwärmt Bender. Da das Material als Meterware nirgends mehr erhältlich sei, habe man eben besagten Restposten aufgekauft und verarbeite ihn nach und nach zu neuen Stücken. Ein weiterer Zufallsfund war ein Restbestand ehemaliger DDR-Postsäcke, denen ebenfalls ein zweites Leben als „Werkhaus“-Hosen geschenkt wurde. Ansonsten kauft Bender interessante Stoffe überall da auf, wo er sie findet.
Trend geht zu Kleidung ohne Geschlecht
„Das Werkhaus“ produziert neben Einzelstücken auch kleine Kollektionen, produziert wird alles in Köln. Gemessen daran ist die Mode recht erschwinglich: Hosen gibt es ab circa 100 Euro, Shirts bereits ab 50 Euro. Ausnahmen sind besondere Kollektionen, wie die Sweater, die von dem Künstler David Zambrano mit Motiven gestaltet wurden. Sie sind für 169 Euro zu haben. Deutlich ambitionierter sind da schon die Preise für die Mäntel, die bei etwa 1000 Euro beginnen. Dazu muss aber gesagt werden, dass die Herstellung jeweils rund eine Woche dauert. Außerdem sind es echte Statement-Stücke, in denen man garantiert nicht übersehen wird.
Macht sich der gesellschaftliche Wandel der letzten Jahre, der Themen wie Vielfalt und Genderfluidität zunehmend enttabuisiert, auch bei „Das Werkhaus“ bemerkbar? „Unbedingt!“, stimmt Bender zu. „Als mein Vater das Unternehmen gründete, füllte unser Angebot noch eine ziemlich kleine Nische und sprach überwiegend Menschen aus der Künstlerszene an. Dafür sah man unsere Entwürfe auch immer mal wieder bei Anlässen wie Filmfestivals und Premierenpartys.“ Heute ist die Kundschaft deutlich breiter aufgestellt – und trägt die Teile ganz selbstverständlich auch im Alltag.
Das Werkhaus, Ehrenstraße 74 (Innenstadt), Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 11 bis 19 Uhr, Freitag/Samstag 11 bis 20 Uhr. Alle Infos auf der Website des Ladens.