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Streit um RauchbelastungAnwohner der Weidengasse in Köln kämpfen gegen Holzkohlegrills

Lesezeit 6 Minuten
Dichter Rauch, der über den Dächern des Eigelsteinviertels in der Innenstadt steht.

Dichter Rauch, der über den Dächern des Eigelsteinviertels in der Innenstadt steht.

Im Streit um die Geruchsbelästigung auf der Weidengasse sind die Meinungen festgefahren. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Melanie Berlinger empfindet die Situation als „erdrückend“ und „unzufriedenstellend“. Es geht um den Rauch der Holzkohlegrills auf der Weidengasse, auf der sie seit 55 Jahren lebt. Berlinger wohnt mit ihren Eltern in einem Haus direkt gegenüber einem Grillrestaurant. Sie empfindet den Qualm der Grills seit Jahren als sehr unangenehm, aber schlimmer geht es noch ihren betagten Eltern. „Sie haben eine Terrasse. Aber sie können sich dort nicht aufhalten“, betont Melanie Berlinger. Weil beide über 90 Jahre alt sind, seien sie in ihrer Wohnung sozusagen gefangen. Erst in den vergangenen Jahren sei es mit der Rauchbelastung so intensiv geworden, nachdem gegenüber ein anderes Restaurant aufgemacht hat. Die jetzigen Betreiber würden die Belange der Anwohner und von ihr einfach ignorieren. Als Vermieterin einer Wohnung im elterlichen Haus erlebte sie, dass ein Mieter kurz vor dem Einzug einen Rückzieher machte. Er bemerkte den dichten Qualm und habe dann aus gesundheitlichen Gründen abgesagt.

Keine schnelle Lösung in Sicht

Anwohnerin Berlinger rechnet nicht mit einer schnellen Verbesserung und so wird es wohl auch sein. Denn in dem Streit um den Rauch der Holzkohlegrills auf der Weidengasse bahnt sich keine schnelle Lösung. Die Stadt hatte fünf Betreibern der Restaurants in dem türkisch geprägten Viertel eine Ordnungsverfügung zugestellt, mit dem Ziel die Holzkohlegrills abzuschalten. Die Verfügung ging vor über drei Wochen ein; doch am Eigelstein wird weiter gegrillt. Die Restaurantbetreiber haben nun ihre Stellungnahmen bei der Stadt eingereicht, juristisch gesprochen haben sie fristgerecht Widerspruch gegen die Verfügung eingelegt. Dies teilte eine Sprecherin der Stadt mit.   „Das weitere Vorgehen zu der geplanten ordnungsbehördlichen Maßnahme ist von dem Ergebnis der Prüfung abhängig“, ergänzte eine Sprecherin gegenüber der Rundschau.   Ein Zeitplan wurde nicht genannt.

Auch eine Entscheidung in einem Zivilverfahren, bei dem mehrere Anwohnende Klage bei Gericht eingereicht haben, steht noch aus. Auch hier ist keine schnelle Entscheidung abzusehen. „Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist noch nicht bestimmt“, teilte eine Sprecherin des Landgerichts mit. Das Verfahren werde derzeit schriftlich geführt. „Derzeit läuft für die Beklagtenseite noch die Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageschrift. Diese läuft nach derzeitigem Stand noch bis etwa Mitte Mai. Vor diesem Zeitpunkt ist mit einem Termin daher nicht zu rechnen“, ergänzte die Sprecherin auf Anfrage der Rundschau.

Weidengasse in Köln: Streit spaltet das Veedel

Bei den beiden parallel laufenden Verfahren vor Gericht und bei der Stadt ist somit zu erwarten, dass Entscheidungen nicht in den nächsten Tagen fallen. Davon geht auch Florian Weber aus. Weber ist Vorsitzender des CDU-Ortsverbands Innenstadt und wohnt nahe dem Eigelstein. Er sieht den Wunsch der Anwohnenden nach sauberer Luft als berechtigt an, zugleich erklärt er: „Vermutlich werden sie viele Jahre auf eine Besserung warten, weil vor Gericht geklagt und nicht mehr miteinander nach Kompromissen gesucht wird.“ Das CDU-Ratsmitglied konstatiert: „Die Situation in der Weidengasse hat sich komplett verhakt und kennt nur Verlierer.“ Neben den Anwohnenden sieht er auch die Gastronomen als Leidtragende, die nach den ersten Beschwerden über die Gerüche und den Rauch nicht nur mit der Stadt kooperiert, sondern auch investiert und Filteranlagen eingebaut haben (siehe Infos am Textende). Aber auch die Stadt, die sich dem Verdacht ausgesetzt sehe, nicht im Sinne ihrer Bürger zu handeln. „Und letztlich das Eigelstein-Viertel, durch das bei dem Thema ein tiefer Riss geht“, so Weber.

Mittlerweile scheint die Situation in einer Sackgasse festzustecken. Doch wie kam es dazu? Noch vor knapp anderthalb Jahren, als die Filteranlagen eingebaut wurden, sprach selbst der Bürgerverein davon, dass hier Pionierarbeit geleistet werde. Die Anlagen wurden als Lösung aller Probleme angepriesen. Doch das Blatt wendete sich, vor allem in den vergangenen Monaten. Mittlerweile wirft der Bürgerverein den Gastronomen vor, dass die „wirkungslosen Billigfilter“ nicht vernünftig gewartet werden würden.

Weidengasse in Köln: Schlechtere Luft als zuvor

Die Gastronomen sagen das Gegenteil: Wie die Rundschau erfuhr, reinigt zumindest ein Betrieb nach eigener Aussage die Abluft im Restaurant mehrmals in der Woche selbst. Alle 45 Tage komme zudem eine Firma, um eine professionelle Reinigung und Wartung der Filteranlage durchzuführen. Diese koste jedes Mal mehrere hundert Euro. Das Problem: Die Anlagen erzielen nicht das Ergebnis bei der Luftreinigung, dass sich wohl Anwohnende, aber auch Restaurantbetreiber versprochen hatten. Bei einem der fünf betroffenen Restaurants soll die Luft mit der Filteranlage sogar schlechtere Werte haben als vorher.

Deswegen läuft schon seit langem ein Hin- und Her zwischen den Beschwerden der Anwohnenden und der Stadt, die immer wieder zur Weidengasse und auch zum Gereonswall fährt und prüft. Wie die Rundschau erfuhr, häufig mit dem Ergebnis, dass zum Zeitpunkt der Prüfung kein Rauch mehr zu finden war. Dadurch spitzt sich die Lage weiter zu. Mittlerweile soll es negative Äußerungen seitens des Bürgervereins über die städtischen Mitarbeitenden des Umweltamts geben. Die persönliche Betroffenheit aller Beteiligten ist nicht mehr zu verstecken.

Ratsmitglied Florian Weber erklärt: „Ich finde, alle Beteiligten sollten sich an einen Tisch setzen, um eine Lösung zu finden. Der Eigelstein steht für ein friedliches Miteinander. Die Weidengasse ohne die türkischen Restaurants ist für mich nicht vorstellbar.“


Filteranlagen

16 Monate ist es her, dass Filteranlagen auf der Weidengasse eingebaut wurden. Doch die Anlagen bringen nicht den gewünschten Erfolg. Der Bürgerverein Eigelstein spricht von „völlig wirkungslosen Billigfiltern“. Zur Erklärung: Im Juli 2021 ließ das Umwelt- und Verbraucherschutzamt der Stadt Köln die Geruchsbelastungen in der Weidengasse, die von fünf Holzkohlegrills ausgingen, gutachterlich überprüfen. Als Ergebnis wurde festgestellt, dass die zulässigen Geruchsbelastungen durch jedes Restaurant überschritten wurden ,sagte eine Sprecherin der Stadt. Die Betreiber installierten daraufhin freiwillig Abluftreinigungsanlagen und investierten dabei zwischen 24.000 und 30.000 Euro.

Die Wirksamkeit dieser Systeme konnte bereits in anderen Städten messtechnisch nachgewiesen werden. Aber einige Anwohner rümpfen weiter die Nase und sind mit der Maßnahme sehr unzufrieden. Von Seiten der Gastronomen war zu erfahren, dass es noch hochwertigere Filter gebe. Allerdings seien diese in der Anschaffung mit rund 100.000 Euro deutlich teurer. Zudem müssten sie — wie die aktuellen Filter — alle anderthalb Monate gewartet werden, für jeweils 2000 Euro. Das sie finanziell nicht machbar. (ta)