Serie „Verlassene Orte“ (4)So still ist es im Agrippabad in Lockdown-Zeiten
Köln – An die Stille wird sich Heiko Seifert wohl nie gewöhnen. In der Badelandschaft des Agrippabads ist kein Wasserplätschern zu hören, kein Rauschen aus der Röhrenrutsche, nicht mal die Duschen tropfen. „Das ist befremdlich“, konstatiert der Bereichsleiter der Kölnbäder und wirft einen Blick ins Springerbecken, wo zwei Tauchpumpen leichte Schlieren auf der Wasseroberfläche verursachen. Es ist das letzte Becken, in dem sich überhaupt noch Wasser befindet.Die jährliche Revision steht an. Doch dieses Jahr muss hierfür nicht extra geschlossen werden. Es ist ohnehin zu. Seit drei Monaten.
Oben im Fitnessstudio könnten sie die Tür abschließen und einfach gehen. Aber unten im Schwimmbad funktioniert das nicht. „Wir haben die Umwälzung des Wassers so weit wie möglich runtergefahren. Wenn wir sie ausschalten, ist das Wasser ruckzuck grün“, weiß Seifert, denn durch die schräge Glasfront des Bades scheint auch im Winter die Sonne und wärmt die Halle. Gute Bedingungen für Algenbildung.
Die Heizung hat Seifert auch runtergedreht, die Wassertemperatur beträgt noch 16 Grad, im Becken ist es kälter als in der Nordsee im Sommer. Normalerweise springen die Badegäste in 27 Grad warmes Wasser.
Elf städtische Bäder geschlossen und Mitarbeiter in Kurzarbeit
Alle elf städtischen Bäder sind geschlossen, die rund 300 Mitarbeiter der Kölnbäder GmbH absolvieren Kurzarbeit. Für Heiko Seifert bedeutet dies eine 19,5 Stunden-Woche. Ansonsten ist er telefonisch zu erreichen. Er ist als Bereichsleiter für Stadionbad, Ossendorfbad und Agrippabad zuständig. In den anderen Bädern ist noch Wasser in den Becken – nur eben kühler als sonst. „Wir hoffen, dass die Bundesregierung rechtzeitig mitteilt, ab wann wir wieder öffnen können, denn es braucht bis zu zwei Wochen, um den Betrieb wieder anzukurbeln“, sagt Bäder-Sprecher Achim Fischer.
In diesen Tagen wird auch das Springerbecken im Agrippabad geleert. Eine Million Liter Wasser verlassen dann das Bad, vier Tage dauert das Auslaufen. „Es ist eines der letzten gekachelten Becken, deshalb bleibt das Wasser so lange wie möglich drin, damit keine Fliesen abfallen“, sagt Seifert. Die übrigen Becken bestehen aus Edelstahl. Die jährliche Neubefüllung der Becken geht schneller. „Das Problem ist das Heizen. Mit einem Tauchsieder kommt man da nicht weit“, weiß Seifert, der vor 33 Jahren als Schwimmmeister nach Köln kam.
Kein Licht, keine Geräusche, das Agrippabad ist seit Wochen ein halbwegs verlassener Ort. In der ersten Etage befindet sich das Fitnessstudio, die Geräte stehen einsam in der Dunkelheit, auf dem Fußboden ist mit Pfeilen ein Rundweg aufgeklebt, um die Abstände der Trainierenden zu garantieren. Die Beitragszahlungen der Sportlerinnen und Sportler wurden ausgesetzt. Noch eine Etage höher befinden sich die Saunen, die wie Dunkelkammern wirken. Die Öfen sind kalt, in der Finn-Sauna lässt es sich derzeit prima aushalten.
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Unten in der Schwimmhalle lehnt ein sehr langes Paket an der Wand. Darin befindet sich ein neues Sprungbrett, das auf seine Montage wartet. Die Lieferung eines Beizreinigers für das Edelstahl-Schwimmerbecken steht noch aus. Zudem soll der Hub-Mechanismus des Beckenbodens überprüft werden. „Wir können zum Glück viel mit eigenen Handwerkern erledigen“, meint Seifert und holt einen Messkoffer aus der Schwimmmeisterkabine. Dann taucht er ein Glas ins Springerbecken. Er ist um jeden Handgriff froh, den er zu tun hat.
Auch die Wasserrutsche hat frei. Ein großer orangefarbener Gummiball verstopft das Mündungsrohr. „Ansonsten entstünde ein richtig starker Kamineffekt und die Luft würde oben rauspfeifen“, weiß Seifert. Doch nicht mal die Luft bewegt sich in diesen Tagen im Agrippabad. „Das leere Bad wirkt wie ein Industriedenkmal“, äußert Seifert nachdenklich. Zum Glück nur auf Zeit.