Teststellen-BoomKölner Gastro- und Eventbranche hilft sich mit neuen Geschäften

Das Atelier Theater in der Roonstraße bietet kostenlose Bürgertests an.
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Köln – Das Atelier Theater hat ein starkes Immunsystem. Das schrieben die neuen Betreiber Anfang des Jahres bei Facebook. Nun haben sich Torsten Schlosser und sein Team nach Monaten ohne eine einzige Vorstellung entschlossen, ihr Theater anderweitig zu vermieten: Als Corona-Testzentrum in der Roonstraße hat es nun an sechs Tagen der Woche geöffnet. „Der Grund ist ganz pragmatisch“, sagt Schlosser im Gespräch mit der Rundschau. „Wir wollen das Haus am Leben erhalten.“Deshalb vermietet das Theater das Café an die Kölner Firma a.l.c., die die Teststation kurz nach Ostern in Betrieb genommen hat. Wie viel Miete das Unternehmen dem Theater zahlt, möchte Schlosser nicht sagen. „Aber damit können wir wenigstens einen Teil unserer Betriebskosten decken.“ Investiert werden musste dafür kaum, einige der Mitarbeiter, zum Teil selbst Künstler, wurden in einer halbtägigen Schulung zum Corona-Tester ausgebildet.
Anfeindungen aus der Querdenker-Bewegung
Die neue Teststelle stieß jedoch nicht überall auf Verständnis. „Wir haben einige Nachrichten aus der Querdenker-Szene bekommen“, sagt der Theater-Geschäftsführer. „Einer schrieb, er werde das Theater nicht mehr betreten. Wir würden mit den Tests die Inzidenzzahl nach oben treiben.“ Doch nicht nur das Atelier Theater nutzt die Möglichkeit der Einrichtung von Testzentren, um in der Krise an Einnahmen zu kommen. Ihre Räumlichkeiten haben mittlerweile auch etliche Cafés und Restaurants weitervermietet, getestet wird im Nagelstudio, am Zoo, am Schokoladenmuseum, in den MMC-Film-und Fernsehstudios oder in Veranstaltungslocations wie der Lanxess-Arena oder der Rennbahn. Sogar Teststellen in Diskotheken und im Strip-Club gibt es.
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Der größte Anbieter von Testzentren in der Stadt ist die Kölner Firma Medicare. Bundesweit hat das Unternehmen mehr als 80 Standorte, allein in Köln sind es 17 Teststellen. Weitere fünf sind geplant. Doch wer steckt dahinter? Die Gründer sind keine Mediziner, sie kommen alle aus dem Kölner Gastronomie- oder Veranstaltungsbereich. Geschäftsführer ist Tom Thomas, Clubbetreiber vom „Bootshaus“ und des „Vanity“. Mit im Team ist auch Jochen Gasser, Gründer von „Jeck im Sunnesching“.
„Wir machen das, damit wir in unserem eigentlichen Job bald wieder arbeiten können“, sagt der Event-Profi. Seine Mitarbeiter sind mittlerweile alle in der neuen Test-Branche untergebracht. Nicht das Land und die Stadt haben die Teststellen organisiert – sondern die Unternehmer selbst, so der 40-Jährige: „Wir können anpacken und können Dinge schnell umsetzen, wir gehen aber auch mal ein Risiko ein.“ Die Politik habe lediglich den rechtlichen Rahmen geschaffen.
18 Euro pro durchgeführtem Bürgertest
Hinter allem steckt natürlich auch ein Geschäftsmodell, wenn auch eines mit finanziellem Risiko: Medicare streckt ebenso wie die a.l.c. GmbH alle Ausgaben vor, kauft selbst Schnelltests und Schutzkleidung ein. Personal- und Mietkosten müssen auch ausgelegt werden.
Kapazität nicht ausgeschöpft
Der kostenlose Bürgertest steht jedem Kölner mindestens einmal pro Woche zu – also durchaus auch mehrmals wöchentlich. Wer sich wie häufig testen lässt, wird nicht erfasst. Durchgeführt werden darf der Test nur von geschultem Personal. Jeder Schnelltest, ob positiv oder negativ, wird täglich von den Teststellen an das Gesundheitsamt gemeldet. Ist ein Schnelltest positiv, so ist der Getestete verpflichtet, im Anschluss einen PCR-Test zu machen. Bis zum Ergebnis muss er oder sie sich in häusliche Quarantäne begeben. In Köln gibt es aktuell 659 Teststellen, in Apotheken, bei Ärzten oder in privaten Zentren. Die Auslastung liegt laut der Stadt aktuell nur bei 29 Prozent.
Die Kassenärztliche Vereinigung zahlt die Kosten für die Bürgertests und das Material zurück, aktuell sind es 18 Euro pro Bürgertest. Das Land NRW unterstützt die Teststellen zusätzlich durch einen einmaligen Einrichtungszuschuss und eine monatliche Pauschale in Höhe von jeweils 1000 Euro. In der Regel komme das Geld der KV erst rund acht Wochen später, sagt Gasser. „Wir haben noch nichts wieder bekommen“, sagt Geschäftsführer Klaus Clasing. Die Firma a.l.c., gegründet von Absolventen der Sportwissenschaften, betreibt zwei Teststellen in Köln und testet sonst vor allem die Mitarbeiter von anderen Unternehmen. „Was danach übrig bleibt, werden wir sehen“, sagt Clasing. Denn der Andrang ist – vor allem in der Woche noch nicht groß. „Das wird sich wahrscheinlich erst ändern, wenn der Test den Menschen auch etwas bringt, zum Beispiel den Besuch im Theater oder im Restaurant ermöglicht.“
Vor dem Biergartenbesuch in die Testkabine
Die Gastronomiebranche hilft sich in diesem Fall selbst. Er habe auch Räume von langjährigen Partnern angemietet, verrät Jochen Gasser. Eine Win-Win-Situation. Denn diese profitieren natürlich von den Mietzahlungen der Teststellen. Wie etwa das Unkelbach in Sülz. Am vergangenen Donnerstag eröffnete in der Traditionskneipe eine Teststelle, betrieben von Medicare. Natürlich nicht ganz ohne Hintergedanken der Lokalbetreiber, so Gasser.
Denn öffnet irgendwann die Außengastronomie wieder, könne direkt im Lokal ein Schnelltest gemacht werden. Ähnliche Gedanken habe auch das Atelier Theater, sagt Torsten Schlosser: „Wenn die Kultur wieder öffnet und ein Test erforderlich ist, ersparen wir unserem Publikum einen Gang, denn sie können sich direkt bei uns testen lassen.“