Jahrelanger Lärm-Streit in KölnErster Sieg für Anwohner am Brüsseler Platz
- Die Stadt Köln muss im jahrelangen Lärmstreit am Brüsseler Platz sofort sechs Maßnahmen ergreifen, um die Lautstärke vor allem abends und nachts zu reduzieren.
- Es ist das erste Verfahren, das die Stadt rechtlich verpflichtet, die Situation zu verbessern.
- Unter anderem soll die Stadt prüfen, ob die Außengastronomie statt um 24 Uhr eine halbe Stunde eher schließt. Zudem soll die Stadt stärker kontrollieren.
Köln – Dieter Reichenbach, 76, ist an diesem Mittwochnachmittag erleichtert, „ja, etwas,“ erzählt er am Telefon. Seit 2015 klagt Reichenbach gegen die Stadt – zum ersten Mal hat der Anwohner des Brüsseler Platzes im Lärm-Streit gerichtsfest belegt, dass die Stadt Köln sich zu sechs konkreten Maßnahmen verpflichtet, um den Lärm zu reduzieren. Darauf haben sich Reichenbach als Kläger und die Stadt vor dem Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) in einem Vergleich geeinigt.
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Die sechs Maßnahmen gelten zunächst, bis das eigentliche Hauptverfahren in der zweiten Jahreshälfte 2020 entschieden ist, also ab jetzt zwischen sieben und 13 Monaten. Die Maßnahmen im Überblick. Erstens: Die Stadt verpflichtet sich, vor allem an warmen Wochenenden streng zu kontrollieren, ob die Gastronomen sich an die Regeln halten, also nicht zu laut sind oder zu spät schließen. Zweitens: Sie sorgt dafür, dass Fenster und Türen geschlossen sind.
Maßnahmen sind nur ein erster Schritt
Drittens: Soweit rechtlich erlaubt, wird sie dafür sorgen, dass die Außengastronomie statt um 24 Uhr schon eine halbe Stunde früher schließt. Viertens: Reichenbach erhält einen eigenen Ansprechpartner bei Problemen. Fünftens: Die Verwaltung misst den Lärm an Reichenbachs Wohnung. Und sechstens: Sie prüft „stachelige“ Kräuter in den Hochbeeten, um sie unattraktiv zu machen zum Hinsetzen. Vier der sechs Maßnahmen wirken sich also auf Besucher und Gastronomen direkt aus, zwei ausschließlich auf Reichenbach.
Worum geht es?
Seit dem Weltjugendtag der katholischen Kirche 2005 zieht der Brüsseler Platz vor allem an warmen Sommerabenden Menschen an, sie holen sich an den Kiosken ein Bier und sitzen auf dem Platz, teils bis zu 2000. Für sich genommen sind sie nicht zu laut, aber als Gruppe, deshalb kann die Stadt sie nicht einfach wegschicken. Gegen den Lärm wehren sich Teile der Anwohner, sie fühlen sich um ihren Schlaf gebracht. Erlaubt sind 60 Dezibel am Tag, 45 nachts.
Nur: Diese Grenze wird häufig überschritten. 2013 vereinbarten Anwohner und Stadt einen „modus vivendi“. Er sieht die aktuellen Maßnahmen vor, unter anderem, dass das Ordnungsamt an manchen Tagen die Menschen ab 22 Uhr zum Verlassen „überreden“ soll. (mhe)
Doch die Maßnahmen sind nur ein erster Schritt. Es ging zunächst um einen Eilantrag, den Reichenbach im Mai eingereicht hat, um Tempo zu machen und seine Gesundheit zu schützen. Das OVG hatte sich seit Sommer 2018 nicht mit der Sache befasst, wollte erst die Verfahren um Dieselfahrverbote führen. Denn das Verwaltungsgericht Köln hatte die Stadt sogar schon im Mai 2018 verpflichtet, zwischen 22 und 6 Uhr die Gesundheit der Bürger besser zu schützen, möglicherweise über ein Verweilverbot auf dem Platz. Dagegen wehrte sich die Stadt vor dem OVG, sie wollte Rechtssicherheit, fürchtete einen Eingriff in die Grundrechte. Nichts ging voran, Reichenbach stellte den Eilantrag, dieses Verfahren ist beendet – nun folgt 2020 das Hauptverfahren.
„Das ist nicht das Ende der Geschichte.“
Der Kölner Anwalt Michael Oerder sagte: „Mehr war für die Antragsteller im Eilverfahren wohl nicht erreichbar.“ Und: „Das Gericht hat sich mit dem Vergleichsvorschlag Zeit verschafft. Die Stadt wird sich wohl Mühe geben müssen, damit sie nicht in der mündlichen Verhandlung damit konfrontiert wird, dass die versprochenen Maßnahmen leerlaufen und damit einschneidendere Maßnahmen zum Schutz der Anwohner unumgänglich werden.“ Lothar Becker, Leiter des städtischen Rechtsamtes, sagte: „Das ist nicht das Ende der Geschichte.“ Reichenbach wertet es als gutes Zeichen, dass die Stadt zwei Drittel der Verfahrenskosten tragen muss, er nur eines.
Allerdings hat die Stadt ohnehin etwas Zeit, es ist November, traditionell ist vor allem im Sommer viel los am Brüsseler Platz, teils bis zu 2000 Leute versammeln sich dort. Becker kündigte an, dass die Stadt eine neue Strategie entwickeln muss, um die sechs Maßnahmen zu erfüllen.
Unter anderem muss sie prüfen, ob laufenden Konzessionen mit Gastronomen auf 23.30 Uhr reduziert werden können. Stefan Kalwait, Servicekraft in der Schank- und Speisewirtschaft St. Michael, sagte: „Wir sind um 24 Uhr pünktlich und wären es auch eine halbe Stunde früher. Wir sind nicht das Problem, sondern die Leute, die auf dem Platz nach 24 Uhr sitzen und laut sind.“