Seit 2013 findet das „Poller Wiesen“ legal im Jugendpark statt. Seinem Ursprung sei das Festival immer treu geblieben. Verändert haben sich nur die Dimensionen.
Die Freiheit in der MusikDie Poller Wiesen feiern 30. Geburtstag
Die Sonne auf der Haut und den Bass im ganzen Körper spüren, während ein lauer Wind durch sattgrüne Bäume weht: Für Fans von Technomusik liegt das Paradies im Kölner Jugendpark. Was einst als kleine Party unter Freunden am Ufer rechts vom Rhein startete, ist heute ein erfolgreiche Festivalreihe: die Poller Wiesen.
Längst zu Kult-Status aufgestiegen, feiert die Kölner Veranstaltung dieses Jahr ihren 30. Geburtstag. Nach dreimaliger Verschiebung wegen schlechten Wetters fand das „Opening“, also die Eröffnungveranstaltung der Saison Ende April statt und läutete eine Reihe eintägiger Veranstaltungen in diesem Sommer ein. Die große Geburtstags-Veranstaltung steigt am Samstag, 24. Juni.
Die Geschichte der Poller Wiesen begann mit der Idee, die Gründer Patrick Peiki von einer Reise nach Goa mit nach Köln gebracht hat, erzählt Mit-Veranstalter Michael „Mitch“ Kastens. Die indische Insel ist Namensgeber des elektronischen Musikgenres „Goa“ und gilt als Geburtsstätte von „Raves“. Die unangemeldeten und deshalb illegalen Partys in urbanen Räumen mit Elektro-Musik hatten damals noch Seltenheitswert in Deutschland. So waren eine Musikanlage, gleichgesinnte Menschen und ein schöner Fleck im Grünen das Rezept für den ersten Rave von Peiki und seinen Freunden auf den Poller Wiesen.
In 30 Jahren tanzten insgesamt 800.000 Gäste auf den Poller Wiesen
Seit 2013 findet das „Poller Wiesen“ legal im Jugendpark statt. Seinem Ursprung sei das Festival immer treu geblieben. Die Musik und eine intime Stimmung stehen deshalb nach wie vor im Fokus. Verändert haben sich nur die Dimensionen. Rund 7000 Gäste pilgerten zum diesjährigen „Opening“. In 30 Jahren tanzten insgesamt 800.000 von ihnen auf den Veranstaltungen der Poller Wiesen. Mittlerweile hat das Festival auch nach Dortmund expandiert. Dort findet es seit 2012 im Revierpark statt. Auch eine „Poller Wiesen“-Party auf einem Boot, das über den Rhein schippert gibt es.
„Wir sind alle überdurchschnittlich verrückt nach elektronischer Musik“, erklärt Kastens lachend. Die Arbeit am Festival sei seine Leidenschaft. Spontanität beim Feiern, ist ein wichtiger Teil der Poller Wiesen: „Morgens treffen sich die Leute zum Sektfrühstück und laufen dann zu Fuß über die Zoobrücke auf ein Festival. Wo gibt es das sonst?“ Für andere Festivals müsse man als kölscher Elektro-Fan sonst eine ganze Reise planen, sagt Kastens. Unter die Gäste aus Köln mischen sich mittlerweile jedoch immer mehr Menschen aus anderen Großstädten wie Berlin oder München, einige kommen aus den Niederlanden. Der Jugendpark liegt zentral und trotzdem umringt Natur.
„Unsere Produktionsmöglichkeiten sind begrenzt. Wir kommen in einen öffentlichen Park, wo normalerweise Leute mit ihrem Hund spazieren gehen“, erklärt Kastens. Innerhalb von drei Tagen verwandelt sich die Wiese in ein Festivalgelände, mit Bühnen, Theken und Toiletten. Mittlerweile sei das Team mit allen Wassern gewaschen und arrangiert sich gut mit der Natur: „Wir arbeiten schon über Jahrzehnte eingespielt in dieser Location.“
Eine Verpflanzung des Festivals auf betoniertes, weitläufiges Gelände, für mehr Gäste und Umsatz? „Wären wir hunderte Kilometer von Köln weggezogen, hätte es vielleicht Möglichkeiten gegeben, das ganze noch größer zu machen. Aber dann hätte es diesen ursprünglichen Spirit auch verloren.“ Ein unvergleichbares Freiheitsgefühl ist das, was die Veranstalter der Poller Wiesen ihren Gästen ermöglichen wollen. Einen Ort, an dem sie „befreit tanzen“ und „sich selbst vergessen können“, erklärt Kastens.
Unterschiedliche Charaktere
Der grundlegend friedliche Charakter der Veranstaltung mache das erst möglich. „Alle wollen sich fallen lassen, aber dabei die Grenzen anderer Menschen nicht beeinträchtigen“, betont er. Offen für alle zu sein, die friedlich miteinander feiern wollen, ist eine wichtige Eigenschaft von ursprünglichen Raves, die sich die Poller Wiesen zum Vorbild nehmen.
Das zieht auch Gäste an, die schon seit den Neunzigern in der Szene sind. „Unterschiedliche Charaktere aus der gesamten Stadtbevölkerung kommen zusammen“, erzählt Kastens fasziniert. „Es hat einen wirklich stark verbindenden Charakter. Menschen gehen noch Wochen später mit diesen positiven Emotionen durchs Leben.“
Sensibilisierungs-Teams für die Sicherheit des Festival
Die Veranstalter der Poller Wiesen versuchen die Umstände des Festivals so sicher wie möglich zu gestalten. „Wenn viele Menschen aufeinandertreffen, kann was passieren – das gilt nicht nur für Raves“, sagt Mitveranstalter Michael Kastens. Sogenannte Awareness-Teams – zu deutsch Sensibilisierungs-Teams – stehen ab diesem Jahr erstmals für die Gäste bereit, um als Schnittstelle zwischen Sicherheitsdiensten und den Sanitätern zu fungieren.
Für ihren Einsatz sind sie extra geschult. „Es geht darum, dass man auf vertrauensvoller Basis eine Schnittstelle hat, die man ansprechen kann“, erklärt Kastens – ob körperliches Unwohlsein oder Probleme mit anderen Gästen. So behält das Festival seine intime Stimmung. „Wir sind begeistert davon, so viele strahlende Gesichter auf unseren Veranstaltungen zu sehen, die einen wunderschönen Tag haben. Das ist etwas unvergessliches.“ (lig)