Andree Haack ist in der Kölner Stadtverwaltung Dezernent für Stadtentwicklung, Wirtschaft, Digitalisierung und Regionales. Und er ist ein leidenschaftlicher Schwimmer.
„Das andere Gespräch“Kölner Dezernent Andree Haack: 13 Sekunden fehlten für Olympia-Qualifikation

Andree Haack im Stadionbad in Müngersdorf.
Copyright: Meike Böschemeyer
Herr Haack, in einem Land, in dem Fußball alle anderen Sportarten in den Schatten stellt, wie sind Sie zum Schwimmsport gekommen?
Ich musste immer mit meiner Schwester zum Schwimmtraining. Sie ist ein paar Jahre älter als ich, sollte damals schwimmen lernen und ist dann beim Schwimmverein geblieben. Der kleine Bruder musste immer mit. Ich kann mich wirklich noch an Situationen erinnern, in denen ich wirklich nicht zum Schwimmen wollte. Aber meine Mutter hat sich durchgesetzt.
Später sind Sie freiwillig mit?
Im Laufe der Zeit wurde da immer mehr draus. Ich bin als Jüngster weiter reingezogen worden. Immer, wenn meine Schwester die Gruppe wechselte und sich die Trainingszeiten änderten, musste ich mit. Damals war ich recht schmal und war dann derjenige, der den Großen hinterherschwimmen durfte. Aber das spornte natürlich an.
Wie kam es, dass Schwimmen doch zur Leidenschaft wurde?
Ich war früher zunächst nicht besonders gut. Aber ich hatte da dann wirklich gute Freunde im Schwimmverein. Diese Freundschaften waren es, die mich dann immer wieder zum Training hingezogen haben. Und so mit 16 fing ich an besser zu werden. Das hat mich motiviert, weiterzumachen. So kam zu den Freunden der Erfolg dazu und dann habe ich bis 1996 sehr intensiv weiter gemacht. Da war ich 23 Jahre alt.
Haben Sie eine Vitrine mit Medaillen zu Hause?
Es gibt tatsächlich eine riesige Kiste, die müsste ich mal sortieren. Als Schwimmer kommt man von manchen Wettkämpfen mit zehn oder mehr Medaillen nach Hause. Aber die wichtigsten habe ich rausgenommen. Es gibt ja ein paar, die einem besonders wichtig sind. Und die haben wir genau wie die meiner Frau im Keller an einer Leiste aufgehangen.
Deutscher Vizemeister über 400 Meter Lagen
Welche ist für Sie die wichtigste?
Ich bin 1992 in der Jugend sehr überraschend deutscher Vizemeister über 400 Meter Lagen geworden. Das war das erste Jahr nach der Wiedervereinigung und wir dachten alle, wir hätten keine Chance. Aber ich hab Silber geworden hinter Christian Keller (vierfacher Olympia-Teilnehmer). Den hatte ich aber immer vor mir, weil wir im gleichen Bezirk schwammen. Er kommt aus Essen, ich aus Duisburg.
Haben Sie auch mal von Olympia geträumt?
1996 bin ich Siebter bei der DM in der offenen Klasse geworden. Ich hab damals Richtung Olympia-Qualifikation für Atlanta geguckt, aber ich war noch ein Stück zu weit entfernt. Ich bin aber immerhin ins A-Finale gekommen, Siebter geworden und meine Bestzeit über 400 Meter Lagen geschwommen, die bis heute steht.
Die Zeit haben Sie bestimmt noch genau im Kopf?
4:38 Minuten auf der 50-Meter-Bahn. Das war damals schon ganz gut, aber mit 4:25 Minuten war das Olympia-Ticket weg. Also war ich 13 Sekunden von der Olympiade entfernt.
„Beim Schwimmen sind 13 Sekunden eine lange Zeit, oder?“
Das wollte ich gerade sagen. Das sind gut 25 Meter, also eine Bahn Abstand. Aber so weit weg ist es nun auch nicht (lacht). Das sind meine beiden Höhepunkte, die Silbermedaille bei der DM und dass ich 1996 – ich denke, ich darf das sagen – zur TopTen in Deutschland gehört habe.
Erfolge und bittere Niederlagen
Was waren denn noch so ihre Lieblingsdisziplinen?
Die 1500 Meter Kraul definitiv, wobei das im Masters-Bereich (höhere Altersklassen) nur noch 800 Meter Kraul sind, die 1500 gibt es da nicht mehr. Und die 200 Lagen bin ich immer sehr gerne geschwommen; letztendlich bin ich aber ein Allrounder, so lange die Strecken nicht zu kurz sind.
Gab es neben den Erfolgen auch bittere Niederlagen?
Natürlich gab es die. Ich glaube, ohne Niederlagen wird kein Sportler groß. Das war insbesondere in dem Jahr, nachdem ich Deutscher Vizemeister geworden war. Da hatte ich mir unglaublich viel vorgenommen. Dann habe ich Abitur gemacht und wollte richtig angreifen, aber in dem Jahr ging gar nichts.
Also hat der Erfolg auch Erwartungen geschaffen?
Genau. Allerdings habe ich dann 1993 die Qualifikation zur Junioren-EM total verbaselt. Da war ich wirklich geknickt.
Aber Sie sind dabei geblieben?
Im Studium bin ich sehr intensiv geschwommen. Durchs Vordiplom bin ich eher mit mittelmäßigen Leistungen kommen, weil ich damals viel Sport gemacht hab. Mehr sag ich dazu aber nicht (lacht).
Ich brauchte irgendwas, man kann ja nicht so ohne weiteres aufhören. Also bin ich Marathon gelaufen.
Wann kam das Karriereende?
1996 dachte ich: Jetzt ist gut, mit Schwimmen werde ich mich nicht ernähren können.
Haben Sie die die Badehose dann an den Nagel gehängt?
Ich brauchte irgendwas, man kann ja nicht so ohne weiteres aufhören. Also bin ich Marathon gelaufen. Aber ich habe gemerkt: Man kann beim Laufen trainieren so viel man will, man kommt beim Marathon an 3432. Stelle ins Ziel. Und das obwohl ich mehr Zeit dafür aufgewendet hab, als fürs Schwimmen. Also bin ich zurück.
Wie lange hat es bis zu dieser Einsicht gedauert?
Fünf, sechs Jahre.
Und wie ist ihre Bestzeit auf den 42,195 Kilometern?
So bei 3:30 Stunden, aber die letzten zehn Kilometer habe ich immer gelitten.
Das geht aber ja fast jedem so.
Das stimmt (lacht). Ich bin auch den Köln-Marathon schon gelaufen. Das muss so Anfang der 2000er Jahre gewesen sein. Auch da weiß ich, konnte ich die letzten Meter nicht mehr so richtig genießen. Die Medaille vom Köln-Marathon hängt unten im Keller an meiner Medaillen-Leiste.
Wann kam das Schwimmen mit Ambition zurück?
2004 ist meine erste Tochter geboren worden und anschließend war ich ganz schön aus der Form gekommen. Dann haben mich Freunde gefragt, ob ich nicht als vierter Mann noch in einer Staffel mitschwimmen möchte und so habe ich den Weg zurückgefunden. Aber alles sehr dosiert.
Dosiert heißt, wie viel Training in der Woche?
Mehr als drei, vier Stunden Training die Woche war das nicht. Mehr mache ich aber heute auch nicht. Ich habe nicht stundenlang Zeit zu trainieren.
Im Dezernat ist mittlerweile bekannt: Wenn tagsüber mal ein Termin ausfällt, geht's ins Becken.
Das ist neben Familie und dem Beruf auch nicht ganz so einfach.
Das stimmt, ich trainiere meistens spät abends. Im Dezernat ist mittlerweile bekannt: Wenn tagsüber mal ein Termin ausfällt, geht's ins Becken.
Steht die gepackte Tasche immer im Büro?
Der Schwimm-Rucksack ist immer im Auto. Und wenn sich eine Gelegenheit ergibt…
Das geht auch nur beim Schwimmen.
Das ist das Schöne daran. Man geht ins Schwimmbad, macht sein Training und kommt frisch geduscht wieder raus. Ich hab es mittlerweile minutiös zeitlich geordnet. Wenn ich reingehe, mich umziehe, zwei Kilometer schwimme, anschließend dusche und umziehe, dann dauert das genau 45 Minuten. Das ist planbar.
Gibt es heute denn noch sportliche Ziele?
In den letzten Jahren habe ich zahlreiche Deutsche Meistertitel bei den Masters zumeist über die Lagen- und langen Kraulstrecken gewonnen. Ich suche mir gern ein, zwei Wettkämpfe im Jahr, um ein Ziel zu haben. Das sind aber mittlerweile weniger die klassischen Schwimmwettkämpfe. In meiner Schulklasse waren auch gute Sportler und nach der Schulzeit haben wir angefangen, als Staffel beim Triathlon zu starten. Einer fährt Rad, einer läuft und ich schwimme. Das machen wir jetzt bestimmt schon seit 25 Jahren. Das ist im Grunde ein Familientreffen. 2022 haben wir den Ironman 70.3 in Duisburg gemacht. Da bin ich die 1,9 Kilometer noch mit einem Schnitt von 1:12 Minute auf 100 Meter geschwommen.
Und welcher Wettkampf steht in diesem Jahr auf dem Plan?
Dieses Jahr haben wir alle drei einzeln einen Triathlon absolviert, beim Indeland-Triathlon in Aldenhoven. Anders als vor 30 Jahren habe ich dieses Mal sogar meine Altersklasse gewonnen. Außerdem hat mich ein Kollege angesprochen, der beim Rettungsschwimmen ist.
Eine neue Herausforderung?
Ich schwimme zwar gerne im Becken, aber ich finde es auch schön, im Meer zu schwimmen. In Italien in Riccione habe ich 2023 bei den sogenannten „Lifesaving“-Weltmeisterschaften mitgemacht und bin Vize-Weltmeister im Brandungsschwimmen geworden.
Noch immer auf Rekordjagd
Gratuliere! Hat das den Sportsgeist wieder neu entfacht?
Ja, schon ein wenig. Das war eine neue Erfahrung und hat viel Spaß gemacht. Im Becken bin ich beim 200-Meter-Hindernis-Schwimmen Dritter geworden. Dieses Jahr ist die EM in Brügge. Und da ich mit Jahrgang 73 gerade in die Altersklasse 50 gewechselt bin, könnte ich auf diesem Hinderniskurs vielleicht sogar europäischen Altersklassen-Streckenrekord schwimmen. Das kitzelt mich so ein bisschen und ich rechne mir durchaus Chancen aus.
Das ist dann aber auch die Kirsche auf der Torte?
Also wenn ich in der Altersklasse 50 noch einen neuen europäischen Altersklassenrekord schwimme, dann kann ich mich auch zur Ruhe setzen. (lacht) Aber ich schwimme nicht, um zu siegen, sondern um zu entspannen und fit zu bleiben und Zeit mit meinen Freunden zu verbringen. Ich liebe es einfach, Sport zu machen.