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Freiraum für FußgängerStadt Köln will Gehwege breiter machen

Lesezeit 4 Minuten
Nico Rathmann kniet auf einer Straße

Fünf Meter frei Sicht an Kreuzungen: Vor allem für Kinder wichtig, sagt der Kölner Fußverkehrsbeauftragte Nico Rathmann.

Die Stadt will Fußgängern mehr Platz einräumen: Bei der Mobilitätswende spielen nicht nur Fahrräder und E-Fahrzeuge eine Rolle. Ein Spaziergang mit dem Kölner Fußverkehrsbeauftragten Nico Rathmann.

Rund ein Drittel aller Wege bewältigen die Kölner statistisch gesehen zu Fuß. Was nicht heißt, dass Fußgänger deshalb eine besondere Lobby hätten. An einigen Stellen in der Stadt auch schlichtweg gar keine. „Die Straßenverkehrsordnung ist in erster Linie für Autofahrer gedacht. Auch für Radfahrer gibt es Regelungen. Fußgänger kommen so gut wie nicht vor“, erklärt Kölns Fußverkehrsbeauftragter Nico Rathmann. Das soll sich weiter ändern.

Raumgewinn zulasten des Autoverkehrs

Seit knapp anderthalb Jahren ist Rathmann nun im Amt. Als erster seiner Art in einer deutschen Millionenstadt, zuvor hatte er in Heidelberg einen ähnlich gelagerten Aufgabenbereich. Sein Job: Die Verkehrsplaner - also die Verwaltung - beraten und darauf aufmerksam machen, wenn Dinge speziell für Fußgänger im Argen liegen. Verbesserungsvorschläge machen, den Bürgerinnen und Bürgern zuhören und vor allem auch Daten sammeln. Denn für viele problematische Ecken in Köln gibt es zwar Kfz-, Lkw- und Fahrraderhebungen, die Fußgänger aber laufen im Wortsinne unter dem Radar. Diese Daten sollen dann auch einfließen, etwa in den Masterplan Parken. Woran Rathmann keinen Zweifel lässt: Der Platz ist endlich, Verbesserungen für Fußgänger und Radfahrer sind nur zulasten des Autoverkehrs möglich. Auch des ruhenden, sprich dem Wegfall von Parkplätzen.

Nebeneinander statt Gänsemarsch: Mindestens 1,80 Meter sollen Gehwege künftig in der Breite messen.

Nebeneinander statt Gänsemarsch: Mindestens 1,80 Meter sollen Gehwege künftig in der Breite messen.

Bei einem Rundgang durch einige Passagen in der Innenstadt - gemeinsam mit dem Leiter des „Amtes für nachhaltige Mobilitätsentwicklung“, Thorsten Siggelkow - wurde dann auch schnell deutlich, wo sich bereits etwas getan hat. In der Ehrenstraße etwa, seit geraumer Zeit Fußgängerzone - auch gegen viele Widerstände. Widerstände, die man aushalten muss, so Rathmann: Das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern sei wichtig, auch die Transparenz. „Aber man muss irgendwann auch mal anfangen und nicht alles zerreden“, sagt er und läuft währenddessen mitten auf der ehemaligen Fahrbahn. Was die wenigsten Fußgänger tun, weil sie zu oft von Radfahrern aus dem Weg geklingelt werden. Nicht um die Radfahrer zu ärgern, versichert Rathmann, laufe er in der Mitte. Sondern, um mal eine neue Perspektive einzunehmen. Spätestens mit der ebenerdigen Umgestaltung der Ehrenstraße nähmen die Konflikte weiter ab, ist er sich sicher. Aber auch so normalisiere sich bereits jetzt der gegenseitige Umgang Stück für Stück.

Ein paar Meter weiter am Friesenwall weist er auf ein relativ unscheinbares, aber durchaus funktionierendes Gimmick hin: Die sogenannten Multifunktionsstreifen auf der Fahrbahn, knapp einen Meter breit. Sie sammeln alles ein, was früher auf dem Gehweg unterkommen musste: Fahrradständer (in Längsrichtung), Aufsteller, kleine Tische für eine begrenzte Außengastro. Für den Fußweg bleiben somit die von der Stadt künftig erwünschten 1,80 Meter Breite Minimum erhalten. Bislang galten 1,50 Meter Mindestbreite. Insbesondere auf Schulwegen soll künftig stärker darauf geachtet werden, dass die Pänz auch nebeneinander statt nur im Gänsemarsch das Veedel durchlaufen können.

Fünf Meter freie Sicht an Kreuzungen

Wobei die künftige Richtlinie der Stadt genau genommen bei zwei Metern Gehwegbreite liegen soll. Die setzen sich zusammen aus 80 Zentimetern Fußwegbreite, 20 Zentimeter Abstand und noch einmal 80 Zentimetern Fußwegbreite plus noch einmal 20 Zentimeter Sicherheitsabstand zur Hauswand. Mit Ausnahmen wo dies nicht möglich ist, eine entsprechende Vorlage wird derzeit gerade in der Politik vorbereitet. In der Praxis wird dies zunächst auf Neuanlagen und ohnehin breit angelegte Fußwege angewendet werden, langfristig sollen aber auch zu schmal geratene Gehwege verbreitert werden. Denn in manchen Stadtgebieten können die zwei Meter gar nicht eingehalten werden. Rathmann machte dies am Beispiel der Brabanter Straße deutlich, wo der Fußweg in Teilen sogar unter 1,50 Meter beträgt. Auch in Stadtteilen wie Ehrenfeld dürfte das erstrebte Mindestmaß eine ambitionierte Herausforderung darstellen.

Das gilt auch für Kreuzungen. Fünf Meter freie Sicht zu jeder Seite, für Kölner Parkverhältnisse sind das Welten. Für Pänz allerdings auch, wenn diese nicht eingehalten werden - sich vorsichtig zwischen parkenden Autos in eine Kreuzung hineintasten ist schließlich kein Kinderspiel.

Wenn Platz ist, auch gerne mehr: Die Außengastro an der Aachener Straße kann mit dem Kompromiss leben.

Wenn Platz ist, auch gerne mehr: Die Außengastro an der Aachener Straße kann mit dem Kompromiss leben.

Mit der Außengastronomie an der Aachener Straße - ein heiß diskutiertes Thema, die Rundschau berichtete mehrfach - sei man mittlerweile im guten Einvernehmen, betonten Rathmann und Siggelkow. Dort gelten, wiederum mit wenigen Ausnahmen, gut drei Meter Gehwegbreite, die sich gut eingespielt hätten. Wichtig sei in diesem Fall aber auch gewesen, die Außengastro weg von der Fassade einzurichten. Denn die bildet für eingeschränkte Menschen die einfachste Möglichkeit, sich zu orientieren.

Ein klein wenig unvermutet tauchte dann noch die Trankgasse als Positiv-Beispiel für den Fußverkehr auf. Unvermutet nicht, weil die Fußgänger nicht mehr Platz hätten als vorher, den haben sie in der Tat. Sondern weil Rathmann die vier Zebrastreifen hervorhob, die hier statt der Ampeln eingerichtet wurden. Auf die Frage, warum man denn auf einer Fahrradstraße Zebrastreifen brauche, kam die entwaffnend ehrliche Antwort: Erstens führen hier immer noch Autos. Und außerdem halte sich eben nicht jeder Radfahrer an die Regeln - „da gibt ein Zebrastreifen schon mehr Sicherheit“.