Serie „Spurensuche“Wo sich der DDR-Spion Günter Guillaume in Köln traf
- Über ihn stolperte einst Bundeskanzler Willy Brandt und trat letztlich 1974 sogar zurück.
- Dabei hatte sich Guillaume immer wieder zu Geheimtreffen in Köln verabredet.
- Historiker Anselm Weyer hat sich im Rahmen der Rundschau-Reihe erneut auf Spurensuche begeben.
Köln – In unserer Serie "Spurensuche" stellen wir Personen und ihre Zeit in Köln vor. Orte, von denen kaum jemand weiß, was sich hier abgespielt hat. Historiker Anselm Weyer schaut dieses Mal auf die Geheimtreffen von Agent Günter Guillaume.
Dass es Probleme gab, wusste Bundeskanzler Willy Brandt sofort, als er am Mittwoch, 24. April 1974, aus Kairo zurückkehrte: "Auf dem Köln/Bonner Flughafen warteten Hans-Dietrich Genscher und Horst Grabert, Innenminister und Chef des Kanzleramts; ihnen war anzusehen, dass sie mir etwas Besonderes zu sagen hätten", schreibt Brandt in seinen Erinnerungen. "In der Tat: Herr Guillaume, einer meiner Referenten, war frühmorgens in seiner Wohnung festgenommen worden - unter dem dringenden Verdacht der Spionage, seine Frau mit ihm." Damit war das Ende von Brandts Kanzlerschaft eingeläutet.
Angefangen hatte alles in der Merianstraße 100, im "Dachsbau des Kölner Verfassungsschutzamtes", wie Günter Guillaume schreibt. Dort saß Anfang 1973 Heinrich Schoregge von der Spionageabwehr in seinem Büro und überprüfte den Verdacht gegen einen Frankfurter Fotografen. Hierbei stolperte er über den Namen "Guillaume", an den er sich aus zwei anderen Zusammenhängen erinnerte. Einmal hatte Guillaume die mit ihm befreundete Ingeborg Sieberg dem SPD-Bezirk Hessen-Süd als Sekretärin vermittelt - 1966 wurden ihr Ehemann und sie als Spione der DDR verurteilt. Und der als DDR-Agent enttarnte DGB-Sekretär Wilhelm Gronau trug bei seiner Verhaftung im September 1972 einen Zettel bei sich, auf dem Günter Guillaumes Namen stand.
Tatsächlich war Guillaume 1956 nicht geflüchtet, sondern im Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit gemeinsam mit seiner Ehefrau Christel aus der DDR nach Frankfurt am Main gezogen. Hier trat Guillaume in die SPD ein und machte in der Partei eine steile Karriere, die ihn schließlich bis ins Kanzleramt brachte. Der Umzug von Frankfurt nach Bonn war dem Spion ursprünglich nicht leicht gefallen. "Ich kam als Provinzparteisekretär aus einer lebendigen Großstadt und landete als Regierungsangestellter in einem verschlafenen Provinznest", klagte Guillaume in seinen Erinnerungen. "Spätestens um acht Uhr am Abend gingen die Fernseher an und die Lichter aus. Wer Nachtleben studieren wollte, musste damals noch nach Köln fahren." Guillaume fuhr ebenfalls nach Köln, aber nicht nur zum Vergnügen. So lernte er dort etwa im Oktober 1971 seinen neuen Verbindungsmann zur Stasi kennen: "Ich traf mich mit Arno in einem kleinen Restaurant in Köln", erinnert sich Guillaume. "Auf einem langen Spaziergang durch die Kölner Innenstadt kam er zur Sache und besprach mit mir die feinen, so überaus wichtigen Details unserer künftigen Verbindung."
Diese Verbindung kappten die Guillaumes vorsichtshalber, als sie merkten, dass sie vom Verfassungsschutz beschattet wurden. Es dauerte dann etwas, bis sich Günter Guillaume wieder traute, bei seinem Verbindungsmann anzurufen. "Am nächsten Tag trafen wir uns bei ,Kunibert dem Fiesen', einem gemütlichen Weinlokal in Köln. Ich konnte Arno berichten, dass eine für uns anspannende Phase der Observation ganz offensichtlich zum Abschluss gekommen war", schreibt Guillaume über das Treffen am Rheinufer, Am Bollwerk 1-5. "Jedenfalls wandten wir uns am Tisch von ,Kunibert dem Fiesen' mit frisch entfachtem Mut auch wieder der Arbeit zu." Ein Fehler, wie die Guillaumes merkten, als sie im April 1974 verhaftet und im neuen Klingelpütz, Rochusstraße 350 in Ossendorf, in Untersuchungshaft kamen. Die Vernehmungen erfolgten "in einer getarnten Dienststelle des Bundeskriminalamtes in Bad Godesberg", berichtet Guillaume. "Jeden Morgen wurden wir unter übertriebenen Sicherheitsvorkehrungen, eskortiert von Begleitfahrzeugen, aus der Haftanstalt Köln-Ossendorf nach dort gekarrt."
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Von Zellen im Klingelpütz aus erlebte das Ehepaar, wie Bundeskanzler Willy Brandt wegen der Spionageaffäre zurücktrat. Im Dezember 1975 erfolgte nach dem Prozess in Düsseldorf die Verurteilung: Wegen "Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit" wurden Christel und Günter Guillaume zu acht und dreizehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Weil sie Revision einlegten, blieben zunächst beide offiziell Untersuchungshäftlinge in Ossendorf und versuchten, ihre Zeit zu füllen. Günter Guillaume etwa nahm 1976 aus seiner Zelle heraus an einem Preisausschreiben der Jülicher Firma Simex teil, die russische Spirituosen importiert, und textete auf das vorgegebene Bild eines heiteren Trinkers die Zeile "Lieber fröhlich als doof". Auf Rang 73 wählte die Preisjury seinen Vorschlag.
Mit der endgültigen Verurteilung erfolgte für Günter Guillaume im Oktober 1976 nach zweieinhalb Jahren als "Musterhäftling" die Verlegung nach Rheinbach. "Gern schied der zu 13 Jahren Haft verurteilte Superspion nicht vom ,Klingelpütz', wo er sich unter Aufsicht gelegentlich immer mal ein Viertelstündchen mit seiner im Frauenhafthaus zurückbleibenden Ehefrau Christel unterhalten durfte", schreibt die "Kölnische Rundschau" am 9. Oktober 1976.
Freilassung einem Rundschau-Journalisten zu verdanken
Christel Guillaume blieb in Köln inhaftiert und wurde am 19. März 1981 vorzeitig freigelassen. Dies hatte sie letztlich einem Journalisten der "Kölnischen Rundschau" zu verdanken: Peter Felten, in den 70er Jahren in der Eifel-Redaktion beschäftigt und später Redaktionsleiter der "Kölnischen Rundschau" in Bergheim. Felten war als Agent aus Ostberlin angeworben worden und hatte sich dem Bundesamt für Verfassungsschutz anvertraut. Als Doppelagent ist er schließlich in Ostberlin verhaftet worden und hatte 19 Monaten in Haft verbracht. Nach seiner Freilassung sprach er im Fernsehen über seine Inhaftierung und die noch in Haft verbliebenen Bürger der Bundesrepublik.Letztlich führte auch das zum Austausch von Günter Guillaume.
Zuvor hatte die Bundesregierung betont, dass ein solcher Austausch nicht in Betracht komme. "Durch das Interview des BRD-Spions Felten musste sich ein Politiker wie Brandt gefordert fühlen", berichtet Guillaume. "Bezugnehmend auf die in Bautzen zurückgebliebenen Spione sagte er kurz darauf öffentlich, dass er es nicht hinnehmen könne, dass ,Landsleute länger leiden müssen'. Guillaume war für ihn offensichtlich kein Tabuwort mehr." Und tatsächlich: Am 1. Oktober 1981 wurde auch Günter Guillaume im Austausch entlassen.
Anselm Weyer hat als Literaturwissenschaftler in Köln promoviert. Er bietet seit zehn Jahren Stadtführungen für die AntoniterCity-Tours an.