Aus einfachsten Verhältnissen war der Kölner Robert Blum 1848 zum Fraktionsführer in der Nationalversammlung aufgestiegen. Doch sein Leben fand bald ein jähes Ende. Eine neue Folge in unserer Serie „Revolution 1848“.
Revolution 1848Warum der Kölner Robert Blum in Wien den Tod fand
Rheinarbeiter und Rheinschiffer waren empört und zogen am 10. April zum Kölner Rathaus. Vor noch nicht langer Zeit waren 50 bis 100 und sogar mehr Personen angestellt worden, um die großen Schiffe an der Stadt rheinaufwärts zu ziehen. Nun besorgten das immer mehr die modernen Schleppdampfer. Diese Konkurrenz drückte die Preise und verknappte die Arbeit. Die Proteste, die überall entlang dem Rhein laut wurden, drangen auch zum Vorparlament in Frankfurt, das Handlungsbedarf sah. Also schickte man unter anderem zwei seiner beliebtesten Delegierten nach Köln.
Böllerschüsse und unbeschreiblicher Jubel von Tausenden Menschen begrüßten den reichgeschmückten Dampfer, der da am 14. April an der Kölner Landungsbrücke anlegte. Besonders laut wurde es, als zwei gebürtige Kölner die Stadt betraten: Franz Raveaux und Robert Blum. Blum war am 10. November 1807 in einfachsten Verhältnissen nicht weit von hier, in der Mauthgasse 5, geboren worden. 16 Jahren war es her, seit er seine Vaterstadt verlassen hatte, damals noch als einfacher Theaterdiener. Nun war der ehemalige Messdiener von Groß St. Martin, der trotz hervorragender Talente das Marzellengymnasium hatte verlassen müssen, weil seine Eltern sich das Schulgeld nicht leisten konnten, zurückgekehrt als Bevollmächtigter der höchsten Behörde Deutschlands, deren Vizepräsident er war. Blum zeigte sich vom ihm gebrachten Fackelzug ergriffen, vor allem aber davon, seine Mutter und seine Schwestern wiederzusehen.
Blum bestärkte die Arbeiter in ihrem Kampf
Bei der Volksversammlung am 16. April im Stollwerckschen Theatersaal in der Schildergasse betrat Blum schließlich unter großem Jubel die Rednertribüne. „Mitbürger“, so soll er mit sichtbarer Erregung und sonorer Stimme seine Rede begonnen haben, „ich stehe hier an dieser Stelle mit einem Gefühle, das mir lange fremd gewesen ist. In dieser Mauer hat meine Wiege gestanden, hier habe ich meine Knaben- und Jünglingsjahre verlebt. Aber nicht deshalb allein darf ich erwarten, bei Ihnen Teilnahme für meine Worte zu finden.“ Er bestärkte die Arbeiter in ihrem Kampf, machte Hoffnung wegen der anstehenden Wahlen zum Parlament und mahnte zur Wachsamkeit für die kaum erkämpfte Freiheit.
So hatte sich die Situation etwas beruhigt, als Blum mit den anderen Delegierten wieder zurück nach Frankfurt reiste und sich von seiner Mutter, die angesichts der ihrem Sohn dargebrachten Ehren „fast wahnsinnig vor Freude“ war, verabschiedete. Blum sollte sie nie wieder sehen.
Als die Nationalversammlung in Frankfurt am 18. Mai zusammentrat, war unter ihnen auch der Leipziger Abgeordnete Robert Blum, weithin geachtet als besonnener Republikaner, den seine rhetorischen Talente zum Wortführer der Linken machten. Dann ergriffen im Oktober 1848 Revolutionäre die Macht in Wien. Das konnte der Kaiser selbstverständlich nicht auf sich sitzen lassen. Kämpfe zwischen Demokraten und Monarchisten standen bevor.
Die Nationalversammlung in Frankfurt beschloss, einige Abgeordnete quasi als Beobachter ins Kampfgebiet zu schicken – allen voran Robert Blum. Am 17. Oktober kam er dort an und schrieb tags darauf an seine Frau nach Leipzig: „Wenn Wien nicht siegt, so bleibt nach der Stimmung nur noch ein Schutt- und Trümmerhaufen übrig. Morgen erfolgt wahrscheinlich die Schlacht, und wir werden die Schlacht mitmachen, denn wir sind heute Mitglieder der akademischen Legionen geworden.“
Diese Elitekompagnie hatte eigentlich nur die Aufgabe, im revolutionären Wien Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten. Dann aber griffen die kaiserlichen Gruppen an, und man sah Robert Blum auf den Barrikaden kämpfen. Der militärischen Übermacht der alten Ordnung waren die Revolutionäre nicht gewachsen. „Herr Blum, an Ihrer Stelle würde ich abreisen!“, rieten ihm Freunde, als die kaiserlichen Truppen Anfang November in die Stadt einrückten. „Ah“, erwiderte darauf Blum, „mir kann nichts geschehen. Ich bin Mitglied der Nationalversammlung.“ Und hatte Fürst Windischgrätz, Befehlshaber der kaiserlichen Truppen, nicht versprochen Gnade zu üben und „sich an Großmut nicht überbieten zu lassen“?
Dann jedoch klopfte es eines morgens an seine Tür im Gasthof „Zur Stadt London“ auf dem alten Fleischmarkt. Ein Hauptmann teilte Blum mit, dass er verhaftet sei. „Schützt es mich nicht, dass ich Mitglied der deutschen Nationalversammlung bin?“, fragte Blum verblüfft. „Nein.“ Also wurde Blum abgeführt. Nichts half es, dass sich Blum auf seine Unverletzlichkeit als Abgeordneter berief. Am 8. November 1848 wurde er durch das Kriegsgericht verhört und zum Tode verurteilt, weil er die Waffe gegen die kaiserlichen Truppen geführt habe. „Ich sterbe für die Freiheit, möge das Vaterland meiner eingedenk sein!“, sollen am frühen Morgen des 9. November seine letzten Worte gewesen sein. Sie sollten bald den Rest Deutschlands erreichen, darunter auch Köln.
Tausende folgten dem Trauermarsch
Die demokratische Versammlung im Eiserschen Saal in der Komödienstraße 34 war schockiert, als Karl Marx mit einem Telegramm auf die Tribüne stürmte und verkündete, dass Robert Blums in Wien ermordet worden war. Die alten monarchistischen Mächte hatten ihre Muskeln spielen lassen und an diesem Demokraten Blum ein Exempel statuiert. In ganz Deutschland löste die Nachricht Entsetzen unter den Republikanern aus. Und es gab nichts, was man dagegen unternehmen konnten. Es blieb nur die Trauer.
Um 10 Uhr morgens sammelten sich am 16. November Tausende Menschen am Appellhofplatz. Sie zogen mit Bannern und begleitet von einem Musikkorps durch die Komödienstraße und an der Rechtschule vorbei feierlich zur Minoritenkirche. Hier waren zwar Altar und Chor einfach geschmückt. An den schwarzbehängten Wänden sah man aber die Märtyrerkrone und die Palme, von Sternen umgeben.
Robert Blum sollte zum Märtyrer der 1848-Revolution werden. Seine Hinrichtung markierte einen Wendepunkt. Die Restauration hatte wieder die Oberhand gewonnen.