Fünf Monate nach der März-Revolution 1848 wurde Preußens König Friedrich Wilhelm IV. in Köln begeistert empfangen. In Düsseldorf hatte man ihn zuvor mit Pferdeäpfeln beworfen. Anselm Weyer blickt auf die historischen Ereignisse zurück.
Revolution 1848Als die Kölner den Preußenkönig bejubelten
Nicht nur die Außentemperaturen waren heiß, als die Nationalversammlung Anfang August 1848 erbittert darüber stritt, ob man Menschen, die im Frühjahr die Waffen erhoben hatten, nicht Amnestie gewähren solle – allen voran dem badischen Revolutionsführer Friedrich Hecker. Als ein entsprechender Antrag keine Mehrheit fand, rief das in vielen Teilen der Bevölkerung Proteste hervor. In diese brisante Lage hinein verschickten Erzbischof von Geissel und der Zentral-Dombauverein Einladungen. Am 15. August 1248 hatte Erzbischof Konrad von Hochstaden den Grundstein für den Kölner Dom gelegt. 600 Jahre später sollte das gefeiert werden.
Aus Frankfurt kam die Zusage, dass etwa 300 Abgeordnete der Nationalversammlung anreisen würden. Aber würden auch all jene Fürsten kommen, deren Macht gerade so arg ins Wanken geraten war – allen voran König Friedrich Wilhelm IV.? Würde es in Köln zum historischen ersten Treffen zwischen Parlament und dem Preußenkönig kommen?
Der Dom als Herzensangelegenheit
Er würde es sich zur größten Freude anrechnen, bei der Feier zugegen sein zu können, versicherte Friedrich Wilhelm IV. der Delegation, die ihm die Einladung nach Potsdam brachte. Eine feste Zusicherung lasse sich unter den obwaltenden Zeitumständen freilich nicht geben. Wenn aber außerordentliche Ereignisse dem Vorhaben nicht in den Weg träten, würde er den Tagen des Festes beiwohnen. Der Kölner Dom war für den Preußenkönig nämlich eine Herzensangelegenheit. Genauso unvollendet wie dieses Meisterwerk deutscher Baukunst sei die deutsche Nation, fand er. Beides, Dom und Nation, sollten nach seinem Willen vollendet werden – unter preußischer Vorherrschaft natürlich. Entsprechend hatte er am 14. August 1842 den Grundstein zum Weiterbau gelegt. Nun gab es zwar Tendenzen für eine Deutsche Einheit, aber nicht so, wie sich das der absolutistische Monarch vorgestellt hatte.
Die Stadt putzte sich bereits heraus. Dom und Häuser prangten in Schwarz-Rot-Gold. Da erreichte Erzbischof von Geissel am 13. August ein Telegramm aus Berlin. Ob der König mit seinem Gefolge wirklich ohne Bedenken und Gefahr zum Fest kommen könne. Und? Konnte er? Mit dem Dampfboot Schiller waren soeben das Präsidium und Abgeordnete des Frankfurter Parlaments an der Trankgasse angekommen, außerdem der österreichische Erzherzog Johann. Dieser war seit Juni sogenannter Reichsverweser und verkörperte damit die Zentralgewalt einer ersten gesamtdeutschen Regierung. Köln jubelte, als er zu Fuß und bürgerlich gekleidet, mit Hut in der Hand und freundlich nach allen Seiten grüßend durch die Straßen bis zu seinem Quartier schritt. Das sah doch gut aus. Ja, der König könne unbedingt kommen, ließ der Erzbischof ausrichten. Also brach der Monarch zum Rhein auf, wobei er einen Schlenker über Düsseldorf machte, wo Prinz Friedrich von Hohenzollern, sein Vetter und Schwager residierte. Keine gute Idee.
Schmählieder in Düsseldorf
Friedrich Wilhelm IV. von Preußen ritt am 14. August 1848 in offener Kutsche vom Düsseldorfer Bahnhof Richtung Schloss Jägerhof. Es war auf der Kastanienallee, dass sich Schmählieder unter den Jubel mischten. Mehr noch: Der König sah sich vom Pöbel mit Pferdeäpfeln beworfen und getroffen. Die Soldaten der preußischen Garnison zückten ihre Säbel. Flugs verließ seine Majestät empört diesen „Hauptherd der Anarchie“, vier Tote und etliche Verletzte hinter sich lassend. Um ihn wieder milde zu stimmen, sollte Düsseldorf im Jahr 1851, als die Revolution Geschichte war, die skandalträchtige Kastanienallee umbenennen in Königsallee.
Verhaltener Stimmung dürfte der König gewesen sein, als er am 14. August 1848 um 18 Uhr, wenige Stunden nach dem Düsseldorfer Eklat, mit dem Zug in Deutz eintraf und sich vom Dampfboot Schiller zur Trankgassen-Werft hinübertragen ließ. In der erlesenen Empfangsdelegation machte der König den adligen Reichsverweser Erzherzog Johann aus, den er demonstrativ umarmte und küsste. Mit ihm an der Hand ging er zu Fuß durch die Menge. Erleichtert durfte er registrieren, dass Köln nicht Düsseldorf war. Nur Jubel. Kein Protest.
Im Kölner Rathaus schließlich kam es zum denkwürdigen Treffen. Nachdem ihn Präsident Heinrich von Gagern im Namen der gesamten Nationalversammlung begrüßt hatte, ließ sich König Friedrich Wilhelm IV. die anwesenden Parlamentarier vorstellen. „Meine Herren!“, sagte er schließlich. „Um recht gute Freunde zu sein, ist es notwendig, dass man sich von Angesicht zu Angesicht kennt; deshalb freut es mich wahrhaft, Sie hier gesehen zu haben. Mit vollem Herzen wünsche ich Ihrer wichtigen Aufgabe ein segensreiches Gedeihen. Seien Sie überzeugt, dass ich nie vergessen werde, welch' ein großes Werk zu gründen Sie berufen sind; wie ich überzeugt bin, dass Sie nicht vergessen werden, dass es in Deutschland Fürsten gibt, und ich dazu gehöre.“
Spekulationen begannen. War diese Bemerkung, dass man nicht vergessen solle, dass es Fürsten gebe, eine Drohung? Friedrich Wilhelm genoss unterdessen, wie ihn Köln ausgiebig feierte. Ihm, nicht den Parlamentariern, wurde abends ein Fackelzug gebracht. Er nahm am nächsten Morgen, zurück aus seinem Quartier in Brühl, auf dem Neumarkt eine große Parade ab und wohnte dann, rechts vor dem Chor sitzend, der Weihe der neuen Bauteile des Domes bei, die in ein dröhnendes, von Kanonendonner begleitetes Tedeum mündete.
„Eine grüne Oase in dürrer Wüste“
Beim anschließenden Festbankett im Gürzenich erhob sich der König, ein Glas Rheinwein in der Hand. Wem würde er einen Trinkspruch ausbringen? Dem Parlament? „Mein Toast gilt dem deutschen Manne, einem meiner bewährten treuen Freunde, dem Manne Ihres Vertrauens, der auch meine Liebe, mein vollstes Vertrauen besitzt. Er gebe uns einige und freie Völker, er gebe uns einige und freie Fürsten – dem Erzherzog Johann, dem Reichsverweser!“ Darauf folgten noch etliche weitere Trinksprüche von mehreren Seiten. Als die ersten kritischen Stimmen laut wurden, hatte der König das Fest schon lange verlassen.
So war für Friedrich Wilhelm IV. sein Köln-Besuch ein voller Erfolg. Diese festlichen Tage, so flüsterte Friedrich Wilhelm dem Erzbischof vertraulich zu, als die Feier zum Ende gekommen war, zähle er zu den schönsten seines Lebens, sie seien ihm wie eine grüne Oase in dürrer Wüste vorgekommen. Kein Wunder: Ihm war in Köln vor Augen geführt worden, welche Wirkung sein royaler Glanz hatte, mit dem die Abgeordneten nicht konkurrieren konnten. Es sollte das einzige Mal bleiben, dass der König die Abgeordneten der Nationalversammlung in ihrer Funktion sah und begrüßte.