Anselm Weyer stellt besondere Bauten in Köln vor. Diesmal geht es um die Bismarcksäule in Bayenthal: Der „Eiserne Kanzler“ hat in der Domstadt eine ganz besondere Historie.
Bauten mit HistorieMit der Bismarcksäule ging Köln einmal mehr einen deutschen Sonderweg
Insgesamt 240 Bismarchtürme gab es einmal in Deutschland, von denen immerhin noch 173 erhalten sind. Eine davon in Köln. Die deutsche Studentenschaft hatte im Jahr 1898, kurz nach dem Tode des „Eisernen Kanzlers„ Otto Fürst von Bismarck, angeregt, „dem Unvergesslichen ein bleibendes, würdiges und volkstümliches Wahrzeichen vaterländischen Dankes“ zu errichten: „Wie vor Zeiten die alten Sachsen und Normannen über den Leibern ihrer gefallenen Recken schmucklose Felsensäulen auftürmten, deren Spitzen Feuerfanale trugen, so wollen wir unserm Bismarck zu Ehren auf allen Höhen unserer Heimat, von wo der Blick über die herrlichen deutschen Lande schweift, gewaltige granitene Feuerträger errichten.“
Bismarck als Kölner Ehrenbürger
In welchem Sinne Köln eine Höhe der Heimat ist, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls wollte man auch in Köln nicht zurückstehen – schließlich war Bismarck seit dem 1. April 1875, seinem 60. Geburtstag, Kölner Ehrenbürger. Am 1. April 1879 war bereits am Augustinerplatz ein Bismarckdenkmal enthüllt worden. Nun also auch eine Bismarcksäule. Ein Standort war schnell gefunden: „An der Gründungsstätte des römischen Kölns damaliger Zeit, am Ufer des herrlichen Rheinstromes bei der Alteburg, auf dem Platze, der den Ausgang bildet für die große, unsere linksrheinischen Vororte verbindende Gürtelstraße, als ein Wahrzeichen von Kölns unverbrüchlicher Treue zu Kaiser und Reich, von tiefgegründeter und unvergänglicher Verehrung für den heimgegangenen Ehrenbürger“, wie es die Kölnische Zeitung 1903 formulierte.
Obwohl aber die Studentenschaft ausdrücklich den Wunsch geäußert hatte, überall als „Sinnbild der Einheit Deutschlands das gleiche Zeichen“ zu errichten, entschied man sich in der Domstadt für einen Sonderweg. Man realisierte also nicht einfach den Entwurf „Götterdämmerung“ des Architekten Wilhelm Kreis, der den ausgerufenen Wettbewerb gewonnen hatte. Die kolossale Bismarcksäule aus Grauwacke und Basalt am Ende des Bayenthalgürtels, direkt am Gustav-Heinemann-Ufer, entwarf Arnold Hartmann in Form von steingewordener Literatur.
Köln als Bastion gegen den „Erbfeind“
„Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze“ sei der Rhein, schrieb Ernst Moritz Arndt. In diesem Sinne wurde Köln zur Bastion gegen den „Erbfeind“ hochstilisiert, zur Wacht am Rhein, wie ein 1840 von Max Schneckenburger geschriebenes Gedicht heißt, das in der Vertonung von Carl Wilhelm im Kaiserreich eine Art inoffizielle Nationalhymne wurde: „Solang ein Tropfen Blut noch glüht,/ Noch eine Faust den Degen zieht, / Und noch ein Arm die Büchse spannt,/ Betritt kein Feind hier deinen Strand.“ Diese Vorstellung, dass der Rhein bewacht werden muss, wird in Köln nun zu einem Bismarck-Denkmal gestaltet, ein mit Eckwarten und rundbogigen Öffnungen an der Spitze versehener Turm auf quadratischem Grundriss, flankiert mit seitlichen Auffangmauern. Bismarck selbst ist in voller mittelalterlicher Rüstung inklusive Helm und dem Reichswappen mit bekröntem Reichsadler in den Händen als Roland dargestellt. Diese Hauptfigur des Rolandslieds war ein Ritter im Gefolge Karls des Großen, der gegen die Heiden kämpfte und in den Pyrenäen fiel. Er gilt nicht zuletzt als Symbol der bürgerlichen Freiheit in diversen Städten, wobei das Schwert gerne als Zeichen der eigenen Gerichtsbarkeit gedeutet wird. Für das zunächst gemauerte und dann von Bildhauer Adolf Berchem nachgemeißelte 15 Meter hohe Standbild, das nach unten hin mit dem eigentlichen Turm zu verschmelzen scheint, fand dunkler Niedermendiger Stein Verwendung. Die Schulterbreite des Ritters beträgt fünf Meter. Zwischen Feuerschale und Rundbogenfenster ist Richtung Rhein noch das Wappen der Bismarcks zu erkennen: ein von drei Eichenblättern bewinkeltes Kleeblatt.
Einweihung feierte Köln am 21. Juni 1903
Ursprünglich war ein künstlicher Felsenhügel als Unterbau vorgesehen, realisiert wurde nur eine über eine Treppe zu erklimmende relativ niedrige Plattform. Auch sollte die Säule 36 Meter statt der realisierten 27 Meter in die Höhe ragen, doch reichten hierfür die finanziellen Mittel nicht aus. Also musste man sich mit einem Vorschlag des Gartenarchitekten Fritz Encke begnügen, der die Säule mit buschiger Bepflanzung zu des Kanzlers Füßen umgab, die ausdrücklich klein gehalten werden sollte, um die Monumentalität des steinernen Verstorbenen nicht mit allzu hochmütigem Blattwerk in Konkurrenz zu setzen.
Baubeginn war am 20. Juni 1902. Einweihung feierte Köln symbolkräftig am 21. Juni 1903, dem Tag der Sonnenwende. „Schon von Mittag ab wogte eine bunte Menschenschar an dem festlich beflaggten Rheinufer und der Bonner Straße entlang der Stätte des Festes zu“, berichteten die Zeitungen. Um 4 Uhr begann dann die offizielle Feier „mit dem Singen des gemeinschaftlichen Liedes Die Wacht am Rhein“.
Obenauf brannte ursprünglich, wie auf allen Bismarck-Säulen, in einer Feuerschale von 1,25 Metern Durchmesser ein Feuer. „Und wenn an Bismarcks Geburtstag und an anderen nationalen Festtagen die Flammen von diesen Säulen gen Himmel leuchten, dann sollen sie nicht bloß Freudenfeuer darstellen über die in den Jahren 66 und 70 erkämpfte deutsche Einigkeit, sondern ebensoviel heilige Gelübde, die das deutsche Volk zum Himmel sendet, alle Zeit einzutreten, wie damals, bis zum letzten Blutstropfen für Kaiser und Reich“, proklamierte Bürgermeister Becker in seiner Einweihungsrede.
Die Flamme wurde anfangs mit Öl betrieben. Dann jedoch beschwerten sich Anwohner über die Rauchbelästigung. Fortan versorgte eine Gasleitung das Feuer. Letztmals brannte es jedoch 1939. Seit 1980 steht die Kölner Bismarcksäule unter Denkmalschutz.
Bismarcksäule Bayenthalgürtel1902–1903Arnold Hartmann