Aus dem Rundschau-Archiv„Oben ohne“ war „in“ – vom Sittenwandel im Kölner Freibad
- Für unsere Serie „Fundstücke“ steigen wir hinab in unser Foto-Archiv im Keller und greifen willkürlich Bilder heraus.
- Diana Haß ist dabei auf freizügige Freibadfotos gestoßen.
Ein Sommertag im Schwimmbad an der Lentstraße, dem heutigen Lentpark. Proppevoll ist es an jenem 31. Juli 1983. Kein Wunder: Laut Rundschau waren es 35 Grad. Ähnliche Temperaturen wie in diesen Tagen. Doch ein völlig anderes Bild. Barbusige Frauen liegen auf Laken, plaudern ungezwungen mit Freunden und laufen über die Wiese. „Oben ohne“ ist salonfähig in den 1980ern. Mehr noch: Es ist Ausdruck von weiblicher Freiheit und Selbstbestimmung.
Heute, 36 Jahre später, gibt es praktisch keine barbusigen Frauen mehr in den städtischen Freibädern. „Frauen mit nackten Brüsten? Das ist gar kein Thema mehr“, bestätigt Heiko Seifert von den Kölnbädern und seit 29 Jahren im Job. Ein bisschen wundert ihn das auch. „Ich frage mich, warum das so ist.“
Der Grund, so ergeben die Recherchen, liegt jedenfalls nicht daran, dass es verboten wäre. Grundsätzlich kann jeder beim Sonnenbaden in den städtischen Freibädern „oben ohne“ sein. „Lediglich im Wasser brauchen Frauen ein Oberteil“, sagt Seifert. Die Haus- und Badeordnung der Kölnbäder mahnt unter Paragraph fünf: „Die Nutzer haben alles zu unterlassen, was den guten Sitten sowie dem Aufrechterhalten der Sicherheit, Ruhe und Ordnung zuwiderläuft.“ Die weibliche Brust, die als sekundäres und nicht wie die Genitalien als primäres Geschlechtsmerkmal gilt, darf gezeigt werden. Nur will das anscheinend kaum noch eine Frau. Der Zeitgeist hat sich ganz offenbar geändert.
Bei den Anfragen, die Franziska Graalmann von den Kölnbädern per E-Mail bekommt, geht es heute um andere Dinge. „Aktuell hatte ich Anfragen, ob es erlaubt ist, Shisha zu rauchen, einen String-Tanga zu tragen oder einen kleinen Hund mitzubringen“, sagt sie. Die Antworten: Zweimal Nein. Einmal ja. Und zwar im Fall String-Tanga. So lange die primären Geschlechtsmerkmale bedeckt sind und der Tanga aus Badestoffmaterial ist, gibt’s keine Einwände. Wenigstens nicht von offizieller Stelle. Die mosert eher, wenn Jungs ihre Unterhose unter der Badebuxe anlassen und mit dem Schriftzug auf dem Bund protzen wollen. Das sei unhygienisch. Erlaubt ist dagegen der Burkini, die Ganzkörperbadekleidung, die einige muslimische Frauen tragen. „Den sehen wir aber kaum in den Bädern“, so Seifert.
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Die „guten Sitten“, von denen in der Bäderordnung die Rede ist, sind nicht nur ein dehnbarer Begriff. Sie ändern sich auch. Immerhin: Das Verhalten der Badegäste in den sommerlichen Freibädern hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht geändert. Meint zumindest Heiko Seifert. „Im Sommer kommen die Leute immer noch in Rudeln und haben ihren Spaß.“