Annette Imhoff führt mit dem Schokoladenmuseum das Erbe ihres Vaters weiter. Über Historie, Wandel und Dekolonialisierung erzählt sie im Gespräch mit Bernd Imgrund.
Chefin des Kölner Schokoladenmuseum im Interview„Dieses Haus zu eröffnen, war ausgesprochen mutig“
Von ihrem Büro aus blickt Annette Imhoff auf den Rhein. Sehr passend für die Chefin eines Museums, das architektonisch an ein historisches Dampfschiff erinnert.
Ich rate mal: Ihre liebste Eissorte ist Schokolade?
Nein, Pistazie!
Und welche Art Schokolade bevorzugen Sie?
Vollmilch mit einem hohen Kakaoanteil und entsprechend wenig Zucker.
Ist Zucker schlecht?
Klar, das ist ein hochindustrielles Produkt, von dem wir in der Regel viel zu viel essen.
Wie gut sind Ihre Zähne?
(lacht) Sehr gut. Mein Zahnarzt wird nicht reich an mir.
Was halten Sie von diesen neuen Schokoladensorten à la Honig-Ingwer oder Muskatnuss-Knoblauch?
Ist nicht meins, aber ich verstehe gut, dass man für die Konsumenten neue Ideen auf den Markt bringen will. Spannend finde ich die jüngsten veganen Kreationen mit Milch-Alternativen.
Schmecken die denn?
Nun ja, Hafermilch schmeckt halt nach Hafer und Mandelmilch nach Mandeln. Aber wenn die etwa mit Cookies und Cream oder Nougat verarbeitet werden, kann man sie gut essen.
Haben Sie als Kind in den Ferien bei Stollwerck, also bei Ihrem Vater gejobbt?
Ja. In der Produktion, im Vertrieb, im Marketing – überall.
Ihnen kann hier also niemand ein X für ein U vormachen?
Ich lerne jeden Tag dazu. Zuletzt waren wir im Museum Ludwig, um uns über den Umgang mit dem kolonialen Erbe auszutauschen. Dekolonialisierung ist auch für uns ein ernstes Thema.
Stichwort „Sarotti-Mohr“.
Genau, oder die Schokoladenautomaten, die Schwarze in einer dienenden Haltung zeigen. Solche Ausstellungsstücke muss man heutzutage nicht verstecken, aber man muss sie in den richtigen Kontext stellen. Die Besucher sollen wissen, wie es zu solchen Werbemaßnahmen, zu solchen rassistischen Klischees kam. „Rassismus in der Werbung“ – dieses Thema wird demnächst bei uns stärker thematisiert.
Ihr Vater soll Sie mit 14 in einem Urlaub am Strand gefragt haben, ob Sie Stollwerck übernehmen wollen.
Das stimmt.
An welchem Strand?
Sylt.
Was haben Sie Ihrem Vater geantwortet?
Wir waren in der Heide an der Vogelkoje, ich weiß es noch genau. Ich habe meinen Vater dann gefragt, ob er sie noch alle hat. (lacht) Meine Mutter hätte ihm den Kopf abgerissen.
Hans Imhoff hatte in Köln den Ruf eines knallharten, aber auch witzigen Unternehmers. Was hat Sie in Ihrer Jugend an ihm genervt?
Mein Vater war ein hart arbeitender, kluger und entscheidungsfreudiger Mann. Sein patriarchaler Stil war für die Familie nicht ganz einfach, können Sie sich denken.
Warum haben Sie nach Studium und längerem Sträuben doch das Erbe übernommen?
Das Stollwerck-Erbe habe ich ja nicht angetreten. Übernommen habe ich Larosé, unsere einstige Großwäscherei. Das habe ich sehr gern gemacht, bis wir sie 2015 verkauft haben. Und seitdem kümmere ich mich vor allem um das Schokoladenmuseum.
Wie kann man lieber eine Wäscherei als einen Schokoladenkonzern übernehmen?
Larosé hatte damals rund tausend Mitarbeitende und war eine extrem spannende Herausforderung.
Larosé machte angeblich um die 65 Millionen Euro Umsatz. Drunter machen Sie es nicht?
Jetzt schon, wie Sie sehen, das Museum kommt da nicht heran. Aber ich arbeite mit großer Begeisterung daran, unser Schokoladenmuseum in die Zukunft zu führen. Man muss sich immer wieder neu erfinden.
Manche rümpfen bis heute die Nase, weil Ihr Vater diesen Ort ein „Museum“ taufte. Hier gebe es ja gar keine Kunst.
Das stimmt sicher nicht. Wir haben hier die größte in Deutschland öffentlich ausgestellte Mittelamerikasammlung, alles Originale! Museen sind Orte der Bildung und des Vergnügens, und wir erzählen die 5000-jährige Kulturgeschichte des Kakaos nach. Während es heute Schifffahrts-, Auswanderer- und sonstige thematische Museen gibt, war die Idee des Themenmuseums 1993 noch völlig neu. Dieses Haus zu eröffnen, war ausgesprochen mutig von meinem Vater.
Sie führen ein Museum in Köln. Ist es auch ein kölsches Museum?
Mein Vater war Ur-Kölner, sein Herzblut steckt in diesem Museum. Wissen Sie übrigens, dass er am selben Tag geboren wurde, am 12. März 1922, an dem Ludwig Stollwerck, der den Konzern groß gemacht hat, starb? Mein Vater hat das vermutlich nicht gewusst, und wir haben es erst recht spät erfahren.
Sie scheinen sich sicher zu sein, dass das kein Zufall ist.
Na ja, wie solche Sachen halt Zufall sind … Jedenfalls ist das doch eine schöne Geschichte!
Mir gefällt die Geschichte der Kakaobecher. Die waren immer auffällig hoch, weil Kakao schäumte wie Kölsch.
Ja, weil die Kakaobutter noch nicht getrennt war und der Kakao damit Fett enthielt. Beim Verquirlen des Wassers mit dem Fett entstand Schaum, deshalb mussten die Becher schmal und hoch sein.
Der Schokoladenbrunnen ist zum Symbol des Museums geworden. Wo haben Sie ihn her?
Der erste Brunnen wurde 1989 im Gürzenich präsentiert. Einer seiner Entwickler und Erbauer, Hermann Jansen, hat bis vor kurzem noch hier in der Technik gearbeitet. Als wir für eine TV-Doku nochmal die alten Räume in Porz besucht haben, hat er uns die Schokoflecken an der Decke gezeigt. In der Testphase des Brunnens war der Druck zuweilen noch zu groß, die flüssige Masse schoss meterhoch durchs Zimmer.
Haben Sie schon mal heimlich im Brunnen gebadet, als alle Besucher fort waren?
Nee, das ist nicht zu empfehlen. Schokolade klebt. (lacht)
Wie haben Sie Ihren Mann, Christian Unterberg-Imhoff, davon überzeigt, Ihren Namen anzunehmen?
Mir war es wichtig, meinen Namen zu behalten und meine Kinder so zu nennen, weil der Name „Imhoff“ sonst ausgestorben wäre. Mein Mann hingegen hat einen Bruder, über den sein Nachname weitergetragen wird. Von daher haben wir uns damals so verständigt, dass er einen Doppelnamen trägt.
Als Herr und Frau Unterberg hätten Sie mit ein wenig rechtschreiberischer Freiheit eine Art Schokoschnaps produzieren können.
(lacht) Ja gut, aber mein Mann steht überhaupt nicht auf Schnaps.
Am 30. März eröffnen Sie eine überarbeitete Ausstellung. Was ist neu?
Die Produktion von und der Handel mit Kakao erscheinen in völlig neuem Licht. Wir beschäftigen uns auch mit dem Kreislauf der Armut rund um die Schokolade und zeigen auf, was verbessert werden muss. Mir gefällt besonders der riesige LED-Globus, der den Weg des Kakaos nachzeichnet.
Haben Sie nach Corona wieder genauso viele Gäste wie vorher?
Aufs gesamte Jahr 2022 bezogen sind wir bei 90 Prozent. Seit Juni 2022 sind wir jeden Monat ein bis drei Prozent über dem extrem starken 2019. Von daher können wir sehr zufrieden sein.
Die Coronazeit wurde Ihnen so lang, dass Sie sogar Ihre Nudeln selbst gemacht haben. Ist es dabei geblieben?
Ehrlich gesagt: Nein, die Maschine steht im Schrank. War lecker, aber alles hat seine Zeit.
Haben Sie mal einen Schokoladenkuchen gebacken?
Na klar.
Worauf muss man achten?
Das wollen Sie von mir wissen?
Von wem sonst, wenn nicht von der Chefin eines Schokomuseums?
Gute Zutaten, viel Schokolade, und weil er süß sein muss, gehört auch Zucker rein. Nicht in Massen, aber in Maßen.
Zur Person
Annette Imhoff wurde 1969 im Taunus geboren. Die ersten zwei Jahre wuchs sie in Bullay an der Mosel auf, wo ihr Vater Hans Imhoff im Jahr 1948 seine Schokoladen- und Pralinenfabrik eröffnet hatte. Nach der Matura an einem schweizerischen Internat studierte sie in Witten/Herdecke BWL und VWL. Mit der Eröffnung des Schokoladenmuseums 1993 wurde sie dessen Geschäftsführerin, und ein Jahr später übernahm sie auch die Großwäscherei Larosé, die Teil des Stollwerck-Konzerns war.
Seit deren Verkauf 2015 kümmert sie sich gemeinsam mit ihrem Mann Christian Unterberg-Imhoff wieder intensiv um das Museum im Kölner Rheinauhafen. Am 30. März wird die neue Ausstellung präsentiert. Die untere Etage und die gläserne Schokoladenfabrik erscheinen in völlig neuem Gewand – sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf interaktive Elemente. Annette Imhoff wohnt in Müngersdorf.