Ambulanz statt HausarztBesuch in der Notaufnahme des Hildegardis-Krankenhauses
Köln – Wenn andere um 20.15 Uhr einen Spielfilm einschalten, beginnen Julia und Paul ihre Nachtschicht in der Notaufnahme. Die Pflegekräfte sind erst seit einigen Monaten zu zweit in dieser Schicht eingeteilt – vorher mussten sie alleine die Nacht mit Dutzenden Patienten verbringen. Die personelle Verdopplung ist nur eine der Neuerungen, die in der Ambulanz des St. Hildegardis anstehen. Das Malteser-Krankenhaus will insgesamt eine Million Euro ausgeben, um eine der modernsten Notaufnahmen der Stadt zu werden.
Notfallpraxen
Sie sind nicht lebensbedrohlich erkrankt, können jedoch nicht bis zur nächsten Sprechzeit warten? Dann helfen Haus- und Fachärzte im Bereitschaftsdienst. Behandelt werden beispielsweise Erkältungen mit Fieber, kleinere Schnittverletzungen oder akute Rücken- oder Bauchmerzen.
In Köln gibt es zehn Notfallpraxen, die jedoch neu strukturiert werden sollen (siehe Interview). Telefonisch sind sie rund um die Uhr zu erreichen unter der Rufnummer 116 117. (wes)
In der Ambulanz des St. Hildegardis in Lindenthal geht es in den wenigsten Fällen um Leben und Tod. Schwerstverletzte bringt der Rettungsdienst zu den so genannten Maximalversorgern: ins Klinikum Merheim oder in die Uniklinik. Das Krankenhaus – mit 400 Mitarbeitern und 233 Betten eines der kleineren in Köln – betreut größtenteils internistische, chirurgische und urologische Notfälle. Und alle Patienten, die selbst den Weg ins Wartezimmer an der Bachemer Straße finden: Der bundesweite Missbrauch der Notdienste (wir berichteten) ist auch hier an der Tagesordnung.
Aggression im Wartezimmer
„Viele kommen, weil ihr Hausarzt gerade keine Sprechstunde hat“, bestätigt Pflegerin Julia. Oder sie haben wochenlang Schmerzen, „und freitags um 21 Uhr passt es ihnen zeitlich am besten“. Ihr Kollege Paul arbeitet seit 22 Jahren im Nachtdienst: „Mir ist aufgefallen, dass bei den Patienten im Wartebereich die Ungeduld und das Aggressionspotenzial steigen“, sagt der 53-Jährige. „Die kommen mit nichts und dann sind fünf Minuten Warten schon zu viel.“ Denn Notfälle gehen vor: Nach der so genannten Triage wird auch im St. Hildegardis in Gruppe 1 bis 5 eingeteilt. Eins heißt sofort behandeln, fünf ist nicht dringend.
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Dass sich die Ansprüche an die Notfallmedizin geändert haben, wird hier jede Nacht deutlich. „Ich habe schon Patienten gefragt, warum sie nicht lieber zu ihrem Hausarzt gehen“, sagt eine Assistenzärztin. „Die ignorieren das und sagen zu mir: Sie werden doch dafür bezahlt.“
Die Kriegsgeneration, die oft zu spät mit einer Krankheit zur Behandlung komme, so Klinik-Sprecherin Eva Keller, stehe einer Generation gegenüber, die kaum noch Öffnungszeiten gewöhnt ist. „Auch bei medizinischen Behandlungen wird inzwischen eine Rund-um-die-Uhr-Mentalität vorausgesetzt.“ Die Nummer des Ärztlichen Notdienstes (siehe Kasten) müsse daher noch bekannter werden.
Kleinigkeiten blockieren echte Notfälle
Der Patient in Raum drei hat sich den Zeh gebrochen. Das glaubt der junge Mann zumindest. Die diensthabende Internistin muss röntgen, nichts ist gebrochen. Einen ausführlichen Arztbrief bekommt der Patient trotzdem – alleine rechtlich sei das wichtig. „Während er darauf wartet, ist einer von unseren fünf Behandlungsräumen belegt. Das ist schlecht, wenn echte Notfälle reinkommen“, sagt Pflegerin Julia. Das soll sich ändern: Bei dem Umbau sollen weitere Räume entstehen, in der Patienten auf Briefe oder ihre Aufnahme auf eine Station warten können.
Immer wieder kommen Rettungswagen in der Notaufnahme an, das Krankenhaus liegt zentral zur Innenstadt. Eine alte Dame ist beim Toilettengang im Heim gestürzt, ihre Wunden müssen versorgt werden. Eine andere Frau leidet unter Atemnot und Fieber – beide müssen die Nacht in der Klinik verbringen. Am Wochenende kommt ein Großteil der Patienten jedoch von den Ringen: Nach Schlägereien oder oft so alkoholisiert, dass sie kaum laufen können.
Kaffeepads gegen Gerüche
„Normales Geschäft“, sagt Pfleger Mike. Da könne es auch mal im Wartebereich laut werden. Im Personalraum hängt an einer Pinnwand die Handynummer des Security-Dienstes. Der schaut in der Nacht ein paar Mal vorbei. Nicht selten übergeben sich Partygäste in der Notaufnahme, das Erbrochene muss der Nachtdienst wegputzen. „Ich stecke mir dann immer ein Kaffeepad in den Mundschutz“, sagt Pflegerin Julia.
Der Barkeeper in Zimmer vier hat sich in den Finger geschnitten. Der 26-Jährige musste rund eine Stunde auf die Behandlung warten. Bin ich überhaupt ein Notfall, fragt er sich sogar selbst. Er habe alles richtig gemacht, beruhigt die behandelnde Chirurgin. „Nur in den ersten sechs Stunden können Schnittwunden genäht werden.“ Nach dem Umbau der Notaufnahme sollen die Patienten im Wartebereich über einen Bildschirm informiert werden, welche Fälle noch vor ihnen dran sind, sagt Klinik-Sprecherin Keller. Das steigere die Akzeptanz fürs Warten.