Komplizierte Umsteigewege in bis zu 24 Metern Tiefe, eine riesige Baugrube, zu kleine Aufzüge - der AK Barrierefreies Köln plädiert eindringlich für die oberirdische Linienführung.
AK Barrierefreies Köln kritisiert„Tunnel für Ost-West-Stadtbahn schafft neue Barrieren“
Der Arbeitskreis „Barrierefreies Köln“ (AKBK) kritisiert vehement die unterirdische Variante der geplanten Ost-West-Verbindung der KVB zwischen Heumarkt und Aachener Straße. „Ein Tunnel schafft neue Barrieren und ist für viele Kölnerinnen und Kölner mit erheblichen Nachteilen verbunden.“ Darüber, ob die Linienführung der Stadtbahnen in verbesserter Form oberirdisch oder in einem Tunnel unterirdisch erfolgen wird, soll der Kölner Rat in seiner Sitzung am 27. Juni entscheiden.
„Wir haben bei unserer Kritik neben Fahrgästen, die auf einen Rollstuhl angewiesen oder sinnesbeeinträchtigt sind, auch Menschen im Blick, die den öffentlichen Nahverkehr mit Kinderwagen, schwerem Gepäck oder einem Rollator nutzen möchten“, sagt Paul Intveen, Mitglied des AKBK (siehe Infokasten). Eine barrierefreie Nutzbarkeit der Haltestellen hänge ausschließlich von der Verfügbarkeit und Kapazität der geplanten Aufzüge ab – doch beides sei nicht ausreichend.
Auf der Ost-West-Strecke werden zukünftig 90-Meter-Bahnen fahren; derzeit sind 60-Meter-Bahnen im Einsatz. Damit steigt die Zahl der Menschen, die an einer Haltestelle aussteigen, um bis zu 50 Prozent. Der Neumarkt ist ein Knotenpunkt auf dem Weg zum Hauptbahnhof, hier steigen auch Fahrgäste mit Gepäck um. „Pro Bahnsteig sind zwei Aufzüge für je zwölf Personen geplant. Wenn sie unter anderem auch Menschen mit Kinderwagen, Rollator oder Gepäck nutzen, für die sie ja gedacht sind, passen deutlich weniger in die Kabine“, so Intveen. „Für das erwartete Fahrgastaufkommen sind die Aufzüge viel zu klein geplant.“
„Als KVB-Nutzer haben wird die Erfahrung gemacht, dass Aufzüge immer wieder ausfallen und es oft lange dauert, bis sie repariert werden“, sagt Bernd Fahlenbock, Mitglied des AKBK und sachkundiger Einwohner im Verkehrsausschuss der Stadt. Dann können beeinträchtigte Menschen die Haltestelle nicht nutzen. Im Normalbetrieb würden die Aufzüge, die fünf Ebenen verbinden, oft voll sein. „Vor allem für Fahrgäste auf den mittleren Ebenen bedeutet das lange Wartezeiten. Wir können nicht nachvollziehen, warum die Auslastung der Auszüge bislang nicht untersucht und dokumentiert wurde“, kritisieren Intveen und Fahlenbock. Schon heute seien 25 Prozent aller Kölner älter als 60 Jahre, Tendenz steigend. Hinzu komme, dass im Zuge der Verkehrswende auf eine stärkere Nutzung des ÖPNV hingearbeitet werde.
Besonders die Haltestellen Neumarkt und Rudolfplatz mit ihren bis zu vier unterirdischen Ebenen in bis zu 24 Metern Tiefe erschwerten durch ihre komplexen Umsteigebeziehungen für blinde und sehbehinderte Menschen, für kognitiv eingeschränkte oder ortsunkundige Menschen die Orientierung erheblich, kritisiert der AKBK. „Den potenziellen Zeitgewinn der Tunnelfahrt von vier Minuten haben nur Fahrgäste, die vom Heumarkt bis zur Aachener Straße durchfahren“, erklärt Fahlenbock. „Sobald ein Umstieg erforderlich ist, verlängert sich der Zeitaufwand im Vergleich zur oberirdischen Streckenführung teilweise erheblich.“ Ein weiterer Kritikpunkt: Die geplante offene Bauweise des Knotenpunktes Neumarkt bedeute eine riesige Baugrube in der City über sehr viele Jahre hinweg. Sie mache viele Übergangslösungen erforderlich, die in der Regel nicht barrierefrei seien. „Außerdem werden die unterirdischen Bahnlinien in Nord-Süd-Richtung für mindestens zwei Jahre getrennt – eine massive Beeinträchtigung für alle Nutzer“, so Fahlenbock.
Wesentliche Verbesserungen auch mit oberirdischer Variante
Die Bauzeit für die Tunnelvariante sei deutlich länger als die der oberirdischen, zudem müsse man mit Bauverzögerungen durch archäologische Funde rechnen, so der AKBK. Der hohe Personalaufwand für Planung und Bau der unterirdischen Variante bindet Ressourcen. Die notwendige Verbesserung des Nahverkehrs an anderer Stelle werde dadurch stark beeinträchtigt, so Intveen. „Fehlendes Personal führt schon heute zu großen Verzögerungen beim barrierefreien Ausbau der Gürtellinie oder der Nachrüstung existierender Haltestellen mit Aufzügen.“
„Wir brauchen sobald wie möglich eine Verringerung des CO2-Austoßes, einen schnellen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs für alle Nutzer und mehr Barrierefreiheit — das alles geht nur mit der oberirdischen Variante“, so Intveen und Fahlenbock. Auch diese Linienführung stelle eine ganz deutliche Verbesserung zum bestehenden Zustand dar, denn eine Autospur in Ost-West-Richtung falle weg. Deshalb verringere sich die Fahrzeit der Bahnen und der gesamte nördliche Bereich des Neumarkts könne so gestaltet werden, dass Menschen sich dort gerne aufhalten.