Köln – 12.30 Uhr Dienstagmittag. Endlich gleitet es langsam nach oben, das große Rolltor an der Wagenbauhalle neben dem Karnevalsmuseum. Dreigestirn, die Karnevalsgesellschafts-Präsidenten und jede Menge Presseleute sehen sie endlich: die Persiflagewagen für den Rosenmontagszug. „Für mich fühlt sich dieser Moment ein bisschen wie Weihnachten an. Die Geschenke noch nicht ausgepackt – man weiß noch nicht, wie sie ankommen werden“, sagt Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger, der traditionell zusammen mit Monsignore Robert Kleine den Rosenmontagszug segnet.
Keine Sorge: Die „Geschenke“ respektive die Persiflagewagen kommen bei der ersten Präsentation gut an. Die Wagenbauer haben den Puls der Zeit umgesetzt. Viel Politik wird dieses Jahr im Rosenmontagszug aufs Korn genommen – international, national und lokal. Donald Trump wird ebenso vorgeführt wie Erdogan und die „Holzköppe der Welt“, die „keine Qualitätszündhölzer“ sind. Der Wahlskandal in Thüringen wird ebenso thematisiert wie das anstehende Gerangel um Vorsitz und Kanzlerkandidatur in der CDU. Passend zum Motto „Et Hätz schleiht em Veedel“ zeigt ein Wagen, wie der Stadtrat die Nöte und Wünsche der Bezirksbürgermeister ignoriert.
Kleine Kerle suchen nach dem Zoch ein Zuhause
300 Heinzelmännchen etwa zieren den Zugleiterwagen. Während alles andere im Rosenmontagszug „Kunst für einen einzigen Tag“ ist, wie Holger Kirsch sagt, haben die Heinzel ein Leben nach der Session vor sich.
Die Figuren werden verkauft. Pro Stück kosten die goldenen Glücksbringer „kölsche“ 111 Euro.
Der Erlös aus dem Heinzelmännchenverkauf soll den Veedelsumzügen zur Verfügung gestellt werden. „Sie erhalten hundert Prozent“, sagt Zugleiter Kirsch.
Geschaffen wurden die etwa 20 Zentimeter großen Heinzelmännchen von den Künstlern Heike Haupt und Anton Fuchs.
Interessenten, die einen der kleinen Kerle nach Karneval haben wollen, wenden sich an die Pressestelle des Festkomitees.
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Dem „Kommando Kritzelköpp“, das sich unter Vorsitz von Zugleiter Holger Kirsch die Persiflagewagen ausdenkt, ist eine bunte, brisante und aktuelle Mischung gelungen. Dabei haben die aktuellen politischen Entwicklungen dafür gesorgt, dass Zeichner und Wagenbauer in den letzten beiden Wochen noch mal ordentlich Gas geben mussten. Unter ihnen erstmals: Kabarettist Thomas Reis. Auf Einladung des Zugleiters hat er dieses Jahr die Kritzelköpp unterstützt. „Er hat unglaubliches politisches Wissen“, begründet Kirsch. Der kölsche Immi Reis fühlt sich nicht nur geehrt, er ist auch begeistert von den vielen kleinen Details, die es auf den einzelnen Wagen zu sehen gibt.„So kackt der Storch, der AfD-Politikerin Beatrix von Storch darstellt, aufs Grundgesetz“, nennt Reis ein Beispiel.
Die AfD wird dieses Jahr erstmals im Zoch an den Pranger gestellt. „Lange haben wir die AfD bewusst ignoriert. Leider sind wir an einen Punkt gekommen, wo dies nicht mehr möglich ist. Wer an den Grundfesten der Demokratie rüttelt, wird von uns Karnevalisten abgestraft“, machte Kirsch beim Empfang vor der Präsentation der Persiflagewagen deutlich. Die Karnevalisten reagierten mit heftigen Applaus.
Unter den vielen fantasievollen Wagen sticht der Amazonas-Wagen besonders hervor. Die verheerenden Waldbrände im Amazonasgebiet und der uneinsichtige brasilianische Präsident Bolsonaro sind geradezu beklemmend apokalyptisch dargestellt. „Es dat vorbei?“, steht als Schriftzug auf dem Wagen, der durch ein Rohrsystem Qualm verbreiten kann. „Das ist einer meiner Lieblingswagen“, verrät Zugleiter Kirsch.